aufmerksam zu ihr, drangte nie, forderte nie. Es war, als ob er fur die Vergangenheit bu?te.

Und dennoch gestand Catherine sich selbst ein, dass es etwas mehr als das war. Er schien sich wirklich fur sie als Frau zu interessieren. Abends stand sie dann nackt vor dem Spiegel und prufte ihr Spiegelbild und versuchte sich zu erklaren, warum. Ihr Gesicht war nicht schlecht, das Gesicht eines fruher einmal hubschen Madchens, das Schmerz erlitten hatte, eine Traurigkeit in den ernsten grauen Augen, die ihr entgegensahen. Ihre Haut war etwas schwammig, und ihr Kinn war schwerer, als es hatte sein durfen, aber an ihrem Korper war sonst nichts weiter auszusetzen, was durch Diat und Massage nicht hatte behoben werden konnen. Sie erinnerte sich an das letzte Mal, als sie daruber nachgedacht hatte und mit aufgeschnittenen Pulsadern wieder zu sich gekommen war. Ein Schauder uberlief sie. Zum Teufel mit Larry, dachte sie trotzig. Wenn er mich wirklich will, muss er mich nehmen, wie ich bin.

Sie waren auf einer Party gewesen, und Larry hatte sie um vier Uhr morgens nach Hause gebracht. Der Abend war herrlich gewesen, Catherine hatte ein neues Kleid getragen und sehr attraktiv ausgesehen, sie hatte die Leute zum Lachen gebracht, und Larry war stolz auf sie. Als sie in die Wohnung kamen, griff Catherine nach dem Lichtschalter, doch Larry legte seine Hand uber die ihre und sagte: »Warte,

ich kann es leichter im Dunkeln sagen.« Sein Korper war ihr nahe, aber beruhrte sie nicht, und dennoch spurte sie, wie seine physische Ausstrahlung auf sie wirkte.

»Ich liebe dich, Cathy«, sagte er. »Ich habe in Wirklichkeit nie eine andere geliebt. Gib mir noch einmal eine Chance.«

Dann schaltete er das Licht ein, um sie anzusehen. Sie stand vor ihm, starr und verstort, einer Panik nahe. »Ich wei?, dass du jetzt vielleicht noch nicht wieder bereit bist, aber wir konnten langsam beginnen.« Er lachelte sein liebes jungenhaftes Grinsen. »Wir konnten damit anfangen, Handchen zu halten.«

Er griff nach ihrer Hand. Und sie zog ihn an sich, und sie kussten sich, und seine Lippen waren sanft und zartlich und vorsichtig, und die ihren waren fordernd und wild, mit all der aufgestauten Sehnsucht, die sich in diesen langen, einsamen Monaten in ihr angesammelt hatte. Und sie waren zusammen im Bett, liebten sich, und es war, als ob keine Zeit verstrichen ware und sie auf ihrer Hochzeitsreise waren. Aber es war mehr als das. Die Leidenschaft war noch da, frisch und wunderbar, doch dankbar fur das, was sie zusammen hatten, das Wissen, dass nun alles gut war, dass sie diesmal einander nicht verletzen wurden.

»Was hieltest du davon, wenn wir zusammen auf eine zweite Hochzeitsreise fuhren?« fragte Larry.

»O ja, Liebling. Konnen wir das?«

»Gewiss. Mir steht ein Urlaub zu. Wir fahren am Samstag ab. Ich kenne einen wunderbaren kleinen Ort, wo wir hinfahren konnten. Er hei?t Ioannina.«

Noelle und Catherine

Athen 1946

Die Fahrt nach Ioannina dauerte neun Stunden. Catherine erschien die Landschaft beinahe biblisch, aus einem anderen Zeitalter stammend. Sie fuhren am tiefblauen Meer entlang, an kleinen wei? getunchten Hauschen vorbei, mit Kreuzen an den Dachern, und an endlosen Obstgarten, Zitronen und Kirschen und Apfeln und Orangen. Jeder Zoll des Landes war terrassiert und bestellt, und die Fenster und Dacher der Bauernhauser waren in frohlichen blauen Farben gestrichen, wie aus Trotz gegen das harte Leben, das dem steinigen Boden abgerungen wurde. Gruppen hoher, anmutiger Zypressen wuchsen in reicher Fulle uberall auf den steilen Berghangen.

»Sieh doch, Larry«, rief Catherine aus. »Sind sie nicht wunderschon?«

»Nicht fur die Griechen«, entgegnete Larry.

Catherine blickte ihn an. »Wie meinst du das?«

»Sie betrachten sie als bose Vorzeichen. Sie schmucken ihre Friedhofe damit.«

Sie fuhren an Feldern mit primitiven Vogelscheuchen vorbei, an jedem Zaun waren Tuchfetzen angebunden.

»Die Krahen mussen hier sehr einfaltig sein«, meinte Catherine lachend.

Sie fuhren durch eine Reihe kleiner Dorfer mit unglaublichen Namen: Mesolongion und Agelkastron und Etolikon und Amphilochia.

Spat am Nachmittag erreichten sie das Dorf Rion, das sich sanft am Fluss Rio hinunterzog, wo sie die Fahre nach Ioannina nehmen wollten.

Catherine las Larry aus dem Reisefuhrer vor.

»Hoch in das Pindos-Gebirge eingeschmiegt, in einer steilen, von aufragenden Gipfeln umgebenen Kluft, nimmt Ioannina, aus der Ferne gesehen, die Gestalt eines Doppeladlers an, unter dessen Klauen der grundlose See Pamvotis liegt, auf dem Ausflugsboote Touristen uber das dunkelgrune Wasser zur Insel in der Mitte des Sees und weiter zu dem fernen Ufer auf der anderen Seite bringen.«

»Klingt wunderbar«, sagte Larry.

Sie trafen am spaten Nachmittag ein und fuhren unmittelbar zu ihrem Hotel, einem alten schonen, gut erhaltenen einstockigen Bau auf einer Anhohe hoch uber dem Ort, um den eine Anzahl von Bungalows fur Gaste im Gelande verstreut lagen. Ein alter Mann in Uniform kam heraus, um sie in Empfang zu nehmen. Er blickte in ihre glucklichen Gesichter.

»Hochzeitsreisende«, sagte er. Catherine blickte Larry an und lachelte. »Woran erkennen Sie das?«

»Das sieht man immer«, erklarte ihr der alte Mann. Er fuhrte sie ins Foyer, wo sie sich eintrugen, und zeigte ihnen dann ihren Bungalow. Er bestand aus einem Wohnraum und einem Schlafzimmer, Bad und Kuche und einer gro?en gepflasterten Terrasse. Uber die Wipfel von Zypressen hinweg hatte man einen herrlichen Blick auf den unten liegenden Ort und den dusteren, brutenden See. Die Aussicht hatte etwas von der unwirklichen Schonheit einer Ansichtskarte.

»Viel ist es nicht« – Larry lachelte -, »aber es ist alles fur dich.«

»Ich nehme es gern!« rief Catherine begeistert.

»Glucklich?« fragte er.

Sie nickte. »Ich kann mich nicht erinnern, wann ich schon einmal so glucklich war.« Sie trat zu ihm und drangte sich fest an ihn. »Lass mich niemals von dir gehen«, flusterte sie.

Seine kraftigen Arme umfingen sie, druckten sie eng an sich. »Das werde ich nicht«, versprach er.

Wahrend Catherine auspackte, schlenderte Larry zum Haupthaus zuruck, um sich mit dem Empfangschef zu unterhalten.

»Was fangt man hier denn so an?« fragte Larry.

»Alles, was man will«, antwortete der Empfangschef stolz. »Wir haben im Hotel ein eigenes Mineralbad. Rings um den Ort kann man wandern, fischen, schwimmen, Kahn fahren.«

»Wie tief ist der See denn?« fragte Larry beilaufig.

Der Empfangschef zuckte mit den Schultern. »Das wei? niemand, mein Herr. Der See ist vulkanischen Ursprungs. Er ist grundlos.«

Larry nickte nachdenklich. »Was ist denn mit den Hohlen hier in der Gegend?« fragte er.

»Ah, die Hohlen von Perama. Sie sind nur wenige Meilen von hier entfernt.«

»Sind sie schon erforscht?«

»Einige. Manche sind noch geschlossen.«

»Aha«, sagte Larry.

Der Empfangschef fuhr fort: »Wenn Sie gern Bergsteigen, empfehle ich Ihnen den Tsoumerka. Falls Mrs. Douglas sich nicht vor der Hohe furchtet.«

»Nein.« Larry lachelte. »Sie ist eine recht erfahrene Bergsteigerin.«

»Dann wird es ihr sehr gefallen. Sie haben Gluck mit dem Wetter. Wir hatten einen meltemi erwartet, aber er ist ausgeblieben. Jetzt wird er wohl nicht mehr kommen.«

»Was ist ein meltemi?« fragte Larry.

»Ein sehr starker Wind, der aus Norden weht. Wahrscheinlich ahnelt er Ihren Hurrikanen. Wenn er kommt, bleibt jeder im Haus. In Athen erlaubt man dann nicht einmal Ozeandampfern auszulaufen.«

»Ich bin froh, dass wir ihn verpasst haben«, sagte Larry.

Als Larry in den Bungalow zuruckkam, schlug er Catherine vor, zum Abendessen in den Ort

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