den Gymnastiksaal des Hotels, den sie sich am Tag vorher angesehen hatte. Die Gymnastiklehrerin, eine griechische Amazone, musterte kritisch ihren Korper.
»Sie sind faul gewesen, sehr faul«, schalt sie Catherine. »Das war einmal ein guter Korper. Wenn Sie bereit sind, hart an sich zu arbeiten, Theou thelondos – so Gott will -, konnen Sie wieder in Form kommen.«
»Dazu bin ich bereit«, sagte Catherine. »Wollen mal sehen, wie Gott mich in Form bringt.«
Unter der Anleitung der Amazone trainierte Catherine taglich, ertrug die Qualen folternder Massagen, eine spartanische Diat und anstrengende Ubungen. Das alles hielt sie vor Larry verborgen, doch nach dem vierten Tag waren die Veranderungen an ihr so erkennbar, dass er sich dazu au?erte.
»Der Aufenthalt hier scheint dir gut zu bekommen«, sagte er. »Du siehst wie eine ganz andere Frau aus.«
»Ich bin auch eine andere Frau«, erwiderte Catherine plotzlich schuchtern.
Am Sonntag morgen ging Catherine in die Kirche. Sie hatte noch nie eine griechisch-orthodoxe Messe erlebt. In einem so kleinen Dorf wie Ioannina hatte sie mit einer kleinen landlichen Kirche gerechnet, aber zu ihrer Uberraschung kam sie in eine gro?e reich verzierte Kathedrale mit schonen kunstvollen Schnitzereien an den Wanden und an der Decke und einem Marmorfu?boden. Vor dem Altar stand ein Dutzend gro?er silberner Kandelaber, und die Wande ringsum schmuckten
Fresken mit biblischen Darstellungen. Der Priester war ein schmachtiger, dunkelhautiger Mann mit einem schwarzen Bart. Er trug eine prunkvolle gold-rote Robe und eine hohe schwarze Kopfbedeckung und stand auf etwas, was Catherine fur eine Sanfte auf einem Podium hielt.
An den Wanden standen einzelne Holzbanke und daneben eine Reihe einfacher Stuhle. Die Manner sa?en vorn in der Kirche und die Frauen hinten. Wahrscheinlich kommen die Manner zuerst in den Himmel, dachte Catherine.
Ein Gesang auf griechisch begann, und der Priester stieg von der Plattform herunter und ging zum Altar. Ein roter Vorhang teilte sich, und dahinter erschien ein reich gekleideter, wei?bartiger Patriarch. Auf einem Tisch vor ihm standen eine mit Juwelen geschmuckte symbolische Kopfbedeckung und ein goldenes Kreuz. Der alte Mann entzundete drei zusammengebundene Kerzen, die die Heilige Dreieinigkeit darstellten, wie Catherine vermutete, und reichte sie dem Priester.
Die Messe dauerte eine Stunde, und Catherine gab sich dem Anblick und dem Gesang hin und dachte, wie glucklich sie sei. Sie beugte den Kopf zu einem Dankgebet.
Am nachsten Morgen fruhstuckten Catherine und Larry auf der Terrasse ihres Bungalows, von wo man den See uberblickte. Es war ein einmalig schoner Tag. Die Sonne schien, und eine milde Brise wehte vom Wasser herauf. Ein freundlicher junger Kellner hatte ihnen das Fruhstuck gebracht. Catherine war noch im Neglige, und als der Kellner kam, schlang Larry seine Arme um Catherine und kusste sie auf den Nacken. »Was fur eine herrliche Nacht«, murmelte Larry.
Der Kellner hatte sein Lacheln unterdruckt und sich diskret zuruckgezogen. Catherine war etwas verlegen geworden. Es sah Larry so gar nicht ahnlich, vor Fremden zartlich zu sein. Er hatte sich wirklich verandert, dachte Catherine. Es schien, als legte Larry jedes Mal seinen Arm um Catherine und zeigte ihr seine Zuneigung, wenn ein Stubenmadchen oder ein Page in das Zimmer kam, ganz als ob er aller Welt zeigen wollte, wie sehr er sie liebte. Catherine fand das sehr ruhrend.
»Ich habe fur diesen Vormittag gro?e Plane«, sagte Larry. Er deutete nach Osten, wo man einen riesigen Gipfel in den Himmel aufragen sah. »Wir steigen auf den Berg Tsoumerka.«
»Ich habe ein Prinzip«, erklarte Catherine. »Ich klettere nie auf etwas, was ich nicht buchstabieren kann.«
»Ach komm, man sagt, man hatte eine phantastische Aussicht von da oben.«
Catherine sah, dass Larry es ernst meinte. Sie blickte wieder zu dem Berg hinauf. Er sah aus, als ob er steil in die Hohe ragte. »Klettern ist nicht gerade meine Starke, Liebling«, sagte sie.
»Es ist ein leichter Spaziergang, uberall fuhren Fu?wege hinauf.« Er zogerte. »Aber wenn du nicht mitgehen willst, kann ich ja allein gehen.« Die Enttauschung war in seiner Stimme deutlich herauszuhoren.
Es ware so einfach, nein zu sagen, so einfach, hier unten zu sitzen und den Tag zu genie?en. Die Versuchung war fast ubermachtig. Aber Larry wollte, dass sie mit ihm ginge. Das genugte Catherine.
»Also gut. Ich will nur sehen, ob ich irgendwo einen Berghut auftreibe«, sagte sie.
Larrys Gesicht zeigte eine solche Erleichterung, dass Catherine froh war, sich entschlossen zu haben mitzugehen. Au?erdem konnte es interessant werden.
Sie war noch nie auf einen Berg gestiegen.
Sie fuhren zu einer Wiese am Rand des Ortes, wo der Weg auf den Berg begann, und parkten den Wagen. Neben dem Weg war ein kleiner Imbissstand, und Larry kaufte Sandwiches, Obst, Schokolade und eine gro?e Thermosflasche mit Kaffee.
»Wenn es da oben hubsch ist«, sagte er dem Verkaufer, »dann verbringen meine junge Frau und ich vielleicht die
Nacht dort.«
Er druckte Catherine an sich, und der Verkaufer grinste.
Catherine und Larry gingen bis zu der Stelle, an der der Fu?pfad bergauf begann. Eigentlich waren es zwei Pfade, die in entgegen gesetzten Richtungen auseinander fuhrten. Catherine gestand sich ein, dass es nach einem leichten Aufstieg aussah. Die Pfade waren breit und nicht zu steil. Als sie den Kopf hob, um zum Gipfel hinaufzusehen, erschien er ihr drohend und abweisend, aber ganz so hoch wurden sie wohl nicht hinaufsteigen. Sie wurden ein Stuck weit nach oben klettern und dann picknicken.
»Hier entlang«, sagte Larry und fuhrte Catherine zu dem Pfad, der nach links abzweigte. Als sie den Aufstieg begannen, sah ihnen der griechische Verkaufer besorgt nach. Sollte er ihnen nachlaufen und ihnen sagen, dass sie die falsche Richtung eingeschlagen hatten? Der Weg, dem die beiden jetzt folgten, war gefahrlich und nur erfahrenen Bergsteigern zu empfehlen. In diesem Augenblick kamen neue Kunden an seinen Stand, und er dachte nicht weiter an die beiden Amerikaner.
Die Sonne schien warm, doch als sie hoher kamen, wurde der Wind kuhler, und Catherine fand die Kombination von beidem herrlich erfrischend. Es war ein schoner Tag, und sie war mit dem Mann zusammen, den sie liebte. Von Zeit zu Zeit blickte Catherine nach unten und war uberrascht, wie hoch sie schon hinaufgestiegen waren. Die Luft schien dunner zu werden und das Atmen schwieriger. Sie ging jetzt hinter Larry, weil der Pfad so schmal geworden war, dass sie nicht mehr nebeneinander gehen konnten. Sie fragte sich, wann sie wohl rasten und picknicken wurden.
Larry bemerkte, dass Catherine hinter ihm zuruckblieb, und er hielt an, um auf sie zu warten.
»Es tut mir leid«, keuchte Catherine, »aber die Hohe macht mir etwas zu schaffen.« Sie sah nach unten. »Es wird lange dauern, wieder hinunter zusteigen.«
»Nein, nicht sehr«, entgegnete Larry. Er drehte sich um und stieg weiter den steilen Pfad bergauf. Catherine blickte ihm nach, seufzte und kletterte verbissen hinter ihm her.
»Ich hatte einen Schachspieler heiraten sollen«, rief sie ihm nach. Larry gab keine Antwort.
Sie hatten eine plotzliche scharfe Biegung des Pfades erreicht und standen vor einem schmalen holzernen Steg mit einem Seil als Handlauf, der uber eine tiefe Schlucht fuhrte. Der Steg schwankte im Wind und sah nicht so aus, als ob er das Gewicht eines Menschen sicher tragen konnte. Larry setzte einen Fu? auf eine morsche Planke des Stegs, und sie gab unter seinem Gewicht etwas nach, trug ihn aber. Er sah nach unten. Die Schlucht war einige hundert Meter tief. Larry begann hinuberzugehen, erprobte vorsichtig jeden Schritt und horte dann Catherines Stimme: »Larry!«
Er drehte sich um. Sie hatte den Steg erreicht.
»Wir gehen doch nicht hier hinuber?« fragte Catherine. »Der Steg tragt doch keine Katze.«
»Wir mussen wohl, wenn du nicht fliegen kannst.«
»Aber das sieht doch nicht sicher aus.«
»Jeden Tag gehen Leute hier heruber.« Larry drehte sich um und ging weiter und lie? Catherine am Anfang des Stegs zuruck.
Catherine betrat den Steg, der unter ihr zu beben begann. Sie blickte in die tiefe Schlucht unter sich, und Furcht uberkam sie. Das war kein Vergnugen mehr, das war gefahrlich. Catherine blickte geradeaus und sah, dass Larry beinahe die andere Seite der Schlucht erreicht hatte. Sie biss die Zahne zusammen, packte das Seil und begann hinuberzugehen, wobei der Steg bei jedem Schritt unter ihr schwankte. Larry war druben, hatte sich