sich mit Tranen.
»Mrs. Douglas«, sagte der Arzt ruhig. »Wissen Sie, wie wir Sie gefunden haben?«
Sie wollte den Kopf schutteln, erinnerte sich aber an den Schmerz. Seine Stimme klang sanft. »Ihr Mann hat uns zu Ihnen gefuhrt.«
Sie starrte ihn verstandnislos an, begriff nicht, was er sagte.
»Er schlug die falsche Richtung ein und verirrte sich in der Hohle«, erklarte er. »Als er Sie nicht wieder finden konnte, geriet er au?er sich. Er alarmierte die Polizei, und wir organisierten auf der Stelle einen Suchtrupp.«
Sie sah ihn an. Sie verstand immer noch nicht. »Larry ... hat Hilfe holen lassen?«
»Er war in einer scheu?lichen Verfassung. Er machte sich die gro?ten Vorwurfe.«
Sie lag da und versuchte zu begreifen, versuchte, sich auf diese neue Kenntnis einzustellen. Wenn Larry sie hatte toten wollen, hatte er keinen Suchtrupp organisiert und hatte nicht um ihre Sicherheit gebangt. Sie geriet in schreckliche Verwirrung. Der Arzt beobachtete sie mitfuhlend.
»Sie werden jetzt schlafen«, befahl er ihr. »Ich komme morgen fruh wieder, um nach Ihnen zu sehen.«
Sie hatte geglaubt, der Mann, den sie liebte, sei ein Morder. Sie wusste, dass sie es Larry sagen und ihn um Verzeihung bitten musste, aber ihr Kopf wurde immer schwerer, und wieder und wieder fielen ihr die Augen zu. Ich sage es ihm spater, dachte sie, wenn ich aufwache. Er wird verstehen und mir verzeihen. Alles wird wieder wundervoll, wie es war ...
Sie wurde von einem plotzlichen scharfen Krachen geweckt und riss die Augen auf. Ihr Puls raste. Sturmischer Regen prasselte gegen das Schlafzimmerfenster, und ein aufzuckender Blitz erhellte alles mit einem blassen blaulichen Licht, in dem das Zimmer wie ein uberbelichtetes Farbfoto aussah. Der Wind krallte sich an das Haus, versuchte es von der Stelle zu jaulen, und der Regen knatterte auf das Dach und drohnte gegen das Fenster wie tausend winzige Trommeln. Alle paar Sekunden folgte den Blitzen grollendes Donnerrollen.
Das Donnern hatte Catherine geweckt. Sie stutzte sich auf und blickte auf die kleine Uhr neben dem Bett. Sie war benommen von dem Schlafmittel, das der Arzt ihr gegeben hatte, und sie musste die Augen zusammenkneifen, um die Zahlen auf dem Zifferblatt zu erkennen. Es war drei Uhr nachts. Sie war allein. Larry war sicher im anderen Zimmer und hielt, besorgt um sie, Nachtwache. Sie musste ihn sehen, um sich zu entschuldigen. Vorsichtig schob Catherine die Beine aus dem Bett und versuchte aufzustehen. Ihr wurde schwindlig, und sie drohte zu fallen. Sie klammerte sich an den Bettpfosten, bis die Welle verebbt war. Mit unsicheren Schritten schleppte sie sich zur Tur, ihre Muskeln waren steif, und das Drohnen in ihrem Kopf wurde zu einem qualenden, schmerzenden Pochen. Einen Augenblick stand sie da, hielt sich an dem Turknauf, um sich zu stutzen, dann offnete sie die Tur und trat in den Wohnraum.
Larry war nicht da. In der Kuche brannte Licht, und sie ging schwankend darauf zu. Larry stand mit dem Rucken zu ihr in der Kuche, und sie rief: »Larry!« Aber das Grollen des Donners ubertonte ihre Stimme. Ehe sie noch einmal rufen konnte, kam eine Frau in ihr Blickfeld. Larry sagte: »Es ist gefahrlich fur dich, dass du« Der heulende Wind machte seine nachsten Worte unverstandlich.
»– musste kommen. Ich musste mich vergewissern, dass«
»– uns zusammen sehen. Niemand wird je —«
»– habe dir doch gesagt, ich wurde dafur sorgen«
»– schiefging. Sie konnen uns gar nichts«
»– jetzt, wahrend sie schlaft«
Catherine stand wie gelahmt da, war unfahig, sich zu ruhren. Es war, als ob sie stroboskopischen Klangen zuhorte, schnellen, peitschenden Wortfolgen. Der Rest der Satze ging im heulenden Wind und im Krachen des Donners verloren.
»– wir mussen uns beeilen, ehe sie«
Alle die alten Schrecken kehrten zuruck, lie?en sie erbeben, verschlangen sie in unbeschreiblich widerwartiger Panik. Ihr Alptraum war die Wahrheit gewesen. Er hatte versucht, sie zu toten. Sie musste von hier fort, ehe sie sie finden konnten, ehe sie von ihnen ermordet wurde. Langsam, am ganzen Korper zitternd, wich sie zuruck. Sie stie? gegen eine Lampe, die umzufallen drohte, aber sie konnte sie noch rechtzeitig halten. Ihr Herz klopfte so laut, dass sie befurchtete, man konnte es uber den Larm von Donner, Wind und Regen hinweg horen. Sie erreichte die Vordertur und offnete sie, und der Wind riss sie ihr beinahe aus den Handen.
Catherine trat in die Nacht hinaus und schloss die Tur hinter sich. Sie war im Nu von dem kalten, peitschenden Regen durchnasst, und erst jetzt wurde ihr bewusst, dass sie nur ihr dunnes Nachthemd anhatte. Es spielte keine Rolle. Die Flucht war das einzig Wichtige. Durch den stromenden Regen sah sie in der Ferne das Licht der Hotelhalle. Sie konnte hingehen und um Hilfe bitten. Aber wurde man ihr glauben? Sie erinnerte sich an das Gesicht des Arztes, als sie ihm sagte, Larry wolle sie toten. Nein, man wurde sie fur hysterisch halten, wurde sie Larry wieder ausliefern. Sie musste von hier fort. Sie ging auf den steilen, steinigen Pfad zu, der in den Ort hinunterfuhrte.
Der sturmische Regen hatte den Pfad zu einem schlammigen, schlupfrigen Morast aufgeweicht, der ihre Fu?e saugend festhielt und sie so behinderte, dass sie das Gefuhl hatte, sie liefe in einem Alptraum und versuchte vergeblich, im Zeitlupentempo zu entkommen, wahrend ihre Verfolger hinter ihr herrasten. Standig glitt sie aus und fiel zu Boden, und ihre Fu?e bluteten von den scharfen Steinen auf dem Pfad, aber sie bemerkte es nicht. Sie stand unter einem Schock, bewegte sich wie ein Automat, fiel, wenn ein Windsto? sie niederwarf, raffte sich wieder auf und bewegte sich weiter auf dem Pfad bergab zum Ort hinunter, ohne zu bemerken, wo sie lief. Den stromenden Regen spurte sie nicht mehr.
Der Pfad ging plotzlich in eine dunkle, verlassene Stra?e am Rand des Ortes uber. Sie taumelte weiter wie ein gehetztes Tier, ohne zu wissen, dass sie einen Fu? vor den anderen setzte, verstort von den grauenerregenden Gerauschen der Nacht und den zuckenden Blitzen, die den Himmel in ein Inferno verwandelten.
Sie erreichte den See und blieb stehen und starrte auf ihn hinaus, wahrend der Wind an ihrem dunnen Nachthemd zerrte. Das stille Wasser hatte sich in ein kochendes, tobendes Meer verwandelt, von einem damonischen Wind gepeitscht, der hohe, brutal gegeneinander prallende Wellen aufwuhlte.
Catherine stand und versuchte sich zu erinnern, was sie hier wollte. Und plotzlich wusste sie es wieder. Sie war auf dem Weg zu Bill Fraser. Er wartete auf sie in seinem schonen Haus, damit sie heiraten konnten. Auf der anderen Seite des Wassers entdeckte Catherine ein schwaches gelbes Licht im stromenden Regen. Dort war Bill und wartete. Aber wie sollte sie zu ihm gelangen? Sie blickte nach unten und sah Ruderboote an ihren Anlegeplatzen liegen. Sie tanzten im schaumenden Wasser auf und ab und zerrten an ihrer Vertauung.
Jetzt wusste sie, was sie zu tun hatte. Sie kletterte zu einem der Boote hinunter und stieg hinein. Sie kampfte um ihr Gleichgewicht, als sie den Strick losband, der das Boot an der Landungsbrucke festhielt. Augenblicklich loste sich das Boot vom Steg, baumte sich, plotzlich frei, mit den Wellen hoch auf. Catherine wurde von den Fu?en gerissen. Sie zog sich auf eine Sitzbank und griff nach den Rudern, versuchte sich zu erinnern, wie Larry sie gehandhabt hatte. Aber es gab keinen Larry. Es musste Bill gewesen sein. Ja, sie erinnerte sich, wie Bill mit ihr gerudert war. Sie wollten seine Mutter und seinen Vater besuchen. Jetzt tauchte sie die Ruder ein, aber die riesigen Wellen warfen das Boot von Seite zu Seite und wirbelten es herum, und die Ruder wurden ihr aus den Handen gerissen und ins Wasser gezogen. Sie sah ihnen nach, bis sie ihrem Blick entschwanden. Das Boot wurde auf die Mitte des Sees zu getrieben. Catherine klapperte vor Kalte mit den Zahnen und zitterte am ganzen Korper. Sie spurte, dass ihr etwas auf die Fu?e klatschte, blickte hinunter und sah, dass sich das Boot mit Wasser fullte. Sie weinte, weil ihr Hochzeitskleid nass werden wurde. Bill Fraser hatte es ihr gekauft, und jetzt wurde er bose auf sie sein.
Sie trug ein Hochzeitskleid, weil sie mit Bill in der Kirche war, und der Geistliche, der wie Bills Vater aussah, sagte: Wenn jemand gegen diese Ehe Einspruch erheben will, so tue er es jetzt oder ... Und dann kam die Stimme einer Frau, die sagte: Jetzt, wahrend sie schlaft... Und die Lichter gingen aus, und Catherine war wieder in der Hohle, und Larry druckte sie zu Boden, und die Frau goss Wasser uber sie, um sie zu ertranken. Sie sah sich nach dem gelben Licht in Bills Haus um, aber es war verschwunden. Er wollte sie nicht mehr heiraten, und nun hatte sie niemanden.
Das Ufer war jetzt sehr weit entfernt, irgendwo hinter dem stromenden, peitschenden Regen, und Catherine war allein in der sturmischen Nacht mit dem kreischenden Geisterwind des meltemi in den Ohren. Das Boot begann verraterisch zu schwanken, als die riesigen Wellen dagegen schlugen, aber Catherine furchtete sich