«Und wenn ich mich schuldigbekenne«, sagte Tracy langsam,»was passiert dann?«

«Dann verurteilt Richter Lawrence Sie zu drei Monaten Gefangnis, naturlich auf…«

«Gefangnis!«schrie Tracy entsetzt.

«Moment. Naturlich aufBewahrung. Und Sie mussen dieBewahrungsfrist nicht in Louisiana verbringen.«

«Aber dann… dannbin ich ja vorbestraft.«

Perry Pope seufzte.»Wenn Ihnen wegen Mordversuchs in Tateinheit mitbewaffnetem Raubder Proze? gemacht wird, konnen Sie gut und gerne zehn Jahre kriegen.«

Zehn Jahre Gefangnis!

Perry Popebeobachtete sie geduldig.»Die Entscheidung liegtbei Ihnen. Ich kann Ihnen nur dazu raten. Es grenzt an ein Wunder, da? ich damit durchgekommenbin. Und jetzt wird naturlich eine Antwort von Ihnen erwartet. Siebrauchen sich nicht darauf einzulassen. Sie konnen sich auch einen anderen Anwalt nehmen und…«

«Nein. «Tracy wu?te, da? dieser Mann redlich war. Unter den gegebenen Umstanden und in Anbetracht ihres wahnwitzigen Verhaltens hatte er alles Menschenmogliche fur sie getan. Wenn sie nur mit Charles hatte reden konnen. Aber Perry Pope wollte jetzt eine Antwort von ihr. Wahrscheinlich hatte sie Gluck, wenn sie mit drei Monaten aufBewahrung davonkam.

«Ich… ich akzeptiere die Absprache. «Tracybrachte die Worte nur muhsam heraus.

Perry Pope nickte anerkennend.»Kluges Madchen.«

Vor der Verhandlung durfte Tracy keine Telefongesprache mehr fuhren. Im Gerichtssaal standen Ed Topper und Perry Pope rechts und links von ihr. Auf der Richterbank sa? ein distinguiert aussehender Herr, uber funfzig, mit glattem, faltenlosem Gesicht und dichtem, wohlfrisiertem Haar.

Richter Lawrence sagte zu Tracy:»Dem Gericht ist mitgeteilt worden, da? die Angeklagte sich schuldigbekennen will. Ist

das richtig?«

«Ja, Euer Ehren.«

«Sind sich alle Parteien einig?«

Perry Pope nickte.»Ja, Euer Ehren.«

«Die Staatsanwaltschaft ist einverstanden, Euer Ehren«, sagte Ed Topper.

Richter Lawrence sa? einen Moment lang schweigend da. Dannbeugte er sich vor undblickte Tracy in die Augen.»Einer der Grunde fur den traurigen Zustand, in dem sich unser herrliches Landbefindet, ist der, da? es auf seinen Stra?en von Ungeziefer wimmelt, das da glaubt, es konne sich alles erlauben. Leute, die Recht und Ordnung verhohnen. EinigeBundesstaaten in diesem Lande hatscheln die Kriminellen. Wir in Louisiana tun das nicht. Wenn jemandbei der Verubung eines schweren Verbrechens auch noch kaltblutig zu morden versucht, sind wir der Meinung, da? eine gehorige Strafe angebracht ist.«

In Tracy regte sich Panik. Sie drehte sich zur Seite, um Perry Pope anzublicken, doch der hatte die Augen auf den Richter geheftet.

«Die Angeklagte hat gestanden, da? sie versucht hat, einen prominentenBurger dieser Stadt zu ermorden. Einen Mann, derbekannt ist fur seine Menschenliebe und Mildtatigkeit. Die Angeklagte hat auf ihn geschossen, wahrend sie einen Kunstgegenstand im Wert von einer halben Million Dollar stahl. «Die Stimme des Richters wurde harter.»Dieses Gericht wird Sorge dafur tragen, da? Sie nicht in den Genu? des Geldes kommen, jedenfalls nicht im Laufe der nachsten funfzehn Jahre, denn die nachsten funfzehn Jahre werden Sie im Gefangnis verbringen, im Southern Louisiana Penitentiary for Women.«

Der Gerichtssaalbegann sich um Tracy zu drehen. Ein entsetzlicher Streich wurde ihr gespielt. Der Richter war ein Mann von derBuhne, der den falschen Text sprach. Was er

sagte, verstie? gegen die Abmachung. Tracy wandte sich zur Seite, um das Perry Pope zu erklaren, aber der schaute weg. Er raschelte mit Papieren in seiner Aktentasche, und Tracybemerkte zum ersten Mal, da? er vollig abgekaute Fingernagel hatte. Richter Lawrence hatte sich erhoben und sammelte seine Unterlagen ein. Tracy stand da wie vom Donner geruhrt. Sie konnte nicht fassen, was ihr geschah.

Ein Gerichtsdiener nahm siebeim Arm.»Kommen Sie«, sagte er.

«Nein!«schrie Tracy.»Nein, bitte nicht!«Sieblickte zum Richter auf.»Das ist ein Irrtum, Euer Ehren, ein furchtbarer Irrtum! Ich…«

Der Gerichtsdiener schlo? seine Hand fester um ihren Arm, und es fiel Tracy wie Schuppen von den Augen: Es war kein Irrtum. Sie war hinters Licht gefuhrt worden. Sie sollte zugrunde gerichtet werden.

Wie ihre Mutter.

4

Die Geschichte von Tracy Whitneys Verbrechen und Verurteilung erschien auf der Titelseite des New Orleans Courier, dazu ein Polizeifoto der Delinquentin. Die gro?en Depeschendienste griffen die Story auf und ubermittelten sie telegrafisch an Zeitungen im ganzen Land. Als Tracy aus dem Gerichtssaal gefuhrt wurde, sah sie sich einer Schar von Fernsehreportern gegenuber. Sie fuhlte sich gedemutigt und verbarg ihr Gesicht. Doch sie konnte den Kameras nicht entkommen. Joe Romano war ein gefundenes Fressen fur die Medien, und der Anschlag auf sein Leben von Seiten einer schonen, jungen Einbrecherin erst recht. Tracy hatte den Eindruck, von Feinden umzingelt zu sein. Charles holt mich da raus, sagte sie sich immer wieder. O Gott, Charles soll michbitte da rausholen. Ich kann unser Kind nicht im Gefangnis kriegen.

Erst am darauffolgenden Nachmittag gestattete ihr der diensthabende Sergeant, da? sie Charles anrief. Harriet war am Apparat.

«Harriet, hier Tracy Whitney. Kann ich Mr. Stanhope sprechen?«

«Einen Moment, Mi? Whitney. «Tracy horte das Zogern in der Stimme der Sekretarin.»Ich… ich schaue mal nach, obMr. Stanhope da ist.«

Nach langem, qualvollem Warten horte Tracy endlich Charles' Stimme. Sie hatte weinen konnen vor Erleichterung.»Charles…«

«Tracy? Bist du's, Tracy?«

«Ja, Liebling. Oh, Charles, ich habe versucht, dich zu erreichen…«

«Ichbin hier fast verruckt geworden, Tracy! Die Zeitungen sind voll von Greuelgeschichten uber dich. Ich kann es einfach nicht glauben.«

«Es ist auch nicht wahr, Liebling. Ich…«

«Warum hast du mich nicht angerufen?«

«Ich habe es versucht. Aber ich konnte dich nicht erreichen. Ich…«

«Wobist du?«

«Im… im Gefangnis. In New Orleans. Charles, die wollen mich ins Zuchthaus schicken fur etwas, das ich nicht getan habe. «Sie mu?te weinen.

«Bleibdran. Hor zu. In der Zeitung hei?t es, da? du auf einen Mann geschossen hast. Das ist nicht wahr, oder?«

«Ich habe auf ihn geschossen, aber…«

«Dann ist es also wahr.«

«Aber nicht so, wie's dasteht, Liebling. Ich kann dir alles erklaren. Ich…«

«Tracy, hast du dich des Mordversuchs und des Diebstahls eines Gemaldes schuldigbekannt?«

«Ja, Charles. Aber nur, weil…«

«Herrgott, wenn du so dringend Geld gebraucht hast, hattest du es mir doch sagen konnen… Und da? du dann gleich versuchst, jemand umzubringen… Ichbegreife es nicht. Meine Eltern auch nicht. Dubist die Schlagzeile in der Philadelphia Daily News. Das ist das erste Mal, da? meine Familie in einen Skandal verwickelt wird.«

Wie erbittert Charles war, merkte Tracy an der muhsamen Selbstbeherrschung, mit der er sprach. Sie hatte verzweifelt auf ihn gebaut. Aber er war auf der Seite der anderen. Sie mu?te sich zwingen, nicht zu schreien.»Liebling, ichbrauche dich. Bitte komm. Du kannst das alles in Ordnungbringen.«

Ein langes Schweigen am anderen Ende der Leitung.»Es sieht nicht so aus, als ware da viel in Ordnung

Вы читаете KALTE GLUT
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату