Denkenbringt uns in diesem Fall nicht weiter. Der Zug ist grundlich durchsucht worden, jeder Quadratzentimeter, ebenso das Personal, die Reisenden und das gesamte Gepack.«

«Nein«, widersprach Daniel Cooper.

Der ist nicht ganz dicht, dachte Inspektor Trignant.»Was — nein?«

«Es ist nicht das gesamte Gepack durchsucht worden.«

«Und ich sage Ihnen, es ist durchsucht worden«, entgegnete Inspektor Trignant gereizt.»Ich habe den Polizeibericht doch mit eigenen Augen gesehen!«

«Die Frau, der die Juwelen gestohlen wurden, diese Silvana Luadi…«

«Ja?«

«Sie hatte ihre Juwelen in einem Handkoffer, nicht wahr?«

«Das ist richtig.«

«Hat die Polizei Silvana Luadis ganzes Gepack durchsucht?«

«Nur ihren Handkoffer. Sie war ja das Opfer. Warum sollte da ihr ganzes Gepack durchsucht werden?«

«Weil der Dieblogischerweise die Juwelen nur dort verstecken konnte — in irgendeinem ihrer anderen Koffer. Wahrscheinlich hatte er ein Duplikat dieses Koffers, und als das ganze Gepack in Venedig auf demBahnsteig stand, mu?te er nur die Koffer vertauschen und sich aus dem Staubmachen. «Damit erhobsich Daniel Cooper.»Wenn die Fotokopien fertig sind, gehe ich jetzt.«

Drei?ig Minuten spater telefonierte Inspektor Trignant mit Alberto Fornati in Venedig.

«Monsieur«, sagte der Inspektor,»ich rufe an, um mich zu erkundigen, obes nach Ihrer Ankunft in Venedig vielleicht Probleme mit dem Gepack Ihrer Frau gab.«

«Allerdings«, antwortete Fornati aufgebracht.»Dieser Idiot von Schlafwagenschaffner hat ihren Koffer mit dem von jemand anderem verwechselt. Als meine Frau ihn im Hotel geoffnet hat, warenblo? alte Illustrierte drin. Ich habe esbereits ans Management des Orientexpre? gemeldet. Ist der Koffer meiner Frau inzwischen gefunden worden?«

«Nein, Monsieur«, sagte der Inspektor und fugte stumm hinzu: An deiner Stelle wurde ich auch nicht damit rechnen.

Nach dem Telefonat lehnte sich Andre Trignant in seinemBurosessel zuruck und dachte: Dieser Daniel Cooper ist

einfach enorm.

24

Gunther Hartog sorgte dafur, da? Tracy an die richtigen Wohlfahrtsinstitute spendete und die richtigen Leute kennenlernte. Sie hatte Verabredungen mit verarmten Prinzen und reichen Grafen undbekam zahlreiche Heiratsantrage. Sie war jung und schon und vermogend, und sie wirkte so verletzlich.

«Alle meinen, Sie seien das Ziel der Ziele«, lachte Gunther.»Jetzt sind Sie wirklich gut versorgt. Sie haben alles, was Siebrauchen.«

Das stimmte. Sie hatte Geld auf Konten in ganz Europa; sie hatte das Haus in London und ein Chalet in St. Moritz. In der Tat: alles, was siebrauchte. Sie hatte nur niemanden, mit dem sie es teilen konnte. Manchmal fehlte ihr Amy. Und manchmal dachte sie an das Leben, das sie fast gefuhrt hatte — mit Mann und Kind. Wurde das je wieder fur sie moglich sein? Sie konnte nie einem Mann offenbaren, wer sie wirklich war, und sie fuhlte sich auch nicht imstande, unaufhorlich zu lugen, indem sie ihre Vergangenheit verschwieg. Sie hatte so viele Rollen gespielt, da? sie nicht mehr genau wu?te, wer sie eigentlich war, aber sie wu?te, da? sie nie wieder in das Angestelltendasein zuruckkehren konnte, das sie einmal fur die gro?e Erfullung gehalten hatte. Okay, dachte Tracy trotzig. Viele Menschen sind einsam. Gunther hat recht. Ich habe alles.

Eine Weile nach ihrer Ruckkehr aus Venedig gabsie eine Cocktailparty in ihrem Haus am Eaton Square.

«Ich freue mich schon darauf«, sagte Gunther.»Ihre Feste sind die Tauschendsten von ganz London. Wer kommt denn?«

«Alle«, antwortete Tracy.

Und es kam noch einer mehr. Tracy hatte dieBarone? Lithgow eingeladen, eine attraktive junge Erbin, und als dieBarone? eintraf, ging Tracy ihr entgegen, um sie zubegru?en. Und plotzlich fehlten ihr die Worte. Denn dieBarone? hatte einen unerwartetenBegleiter: Jeff Stevens.

«Tracy, ich glaube, Sie kennen Mr. Stevens noch nicht. Jeff, das ist Mrs. Tracy Whitney, unsere Gastgeberin.«

Tracy sagte steif:»Guten Abend, Mr. Stevens.«

Jeff nahm Tracys Hand und hielt sie ein wenig langer als notig in seiner.»Mrs. Tracy Whitney?«sagte er.»Ja, naturlich! Ich war mit Ihrem Mannbefreundet. Wir waren in Indien viel zusammen.«

«Ach, wie aufregend!«rief dieBarone?.

«Merkwurdig… er hat nie von Ihnen gesprochen«, entgegnete Tracy kuhl.

«Wirklich nicht? Das wundert mich. Ich habe ihn gern gemocht, den alten Jungen. Schade, da? er so enden mu?te.«

«Oh! Was ist passiert?«erkundigte sich dieBarone?.

Tracy funkelte Jeff an.»Nichts weiter.«

«Nichts weiter?!«sagte Jeff rugend.»Wenn ich mich recht erinnere, ist er immerhin in Indien gehangt worden.«

«In Pakistan«, berichtigte Tracy knapp.»Und ich glaube, er hat doch von Ihnen gesprochen. Oder vielmehr, von Ihrerbezaubernden Frau. Wie geht es ihr?«

DieBarone?blickte Jeff mit gro?en Augen an.»Du hast mir nie gesagt, da? du verheiratetbist, Jeff.«

«Cecily und ich leben in Scheidung.«

Tracy lachelte lieblich.»Ich meinte ja auch Rose.«

«Ach, die.«

DieBarone? war ein wenigbefremdet.»Du warst zweimal verheiratet?«

«Nein, nur einmal«, sagte Jeff leichthin.»Die Ehe zwischen Rose und mir ist annulliert worden. Wir warenbeide noch sehr

jung. «Er wandte sich zum Gehen.

Tracy fragte:»Aber Sie hatten doch Kinder? Zwillinge, nicht?«

«Zwillinge?!«rief dieBarone?.

«Die lebenbei ihrer Mutter«, entgegnete Jeff, Er schaute Tracy an.»Ich kann Ihnen gar nicht sagen, was fur ein unbeschreibliches Vergnugen es ist, mit Ihnen zu plaudern, Mrs. Whitney, aber wir durfen Sie nun Ihren anderen Gasten nicht langer vorenthalten. «Und damit nahm er dieBarone?bei der Hand und schritt von dannen.

Am nachsten Morgenbegegnete Tracy ihm zufalligbei Harrods in einem vollen Aufzug. Tracy stieg im ersten Stock aus. Als sie den Lift verlie?, wandte sie sich Jeff zu und sagte laut und deutlich:»Ach, ubrigens, diese Anklage gegen Sie wegen Unzucht mit Minderjahrigen — wie haben Sie sich da eigentlich rausgewunden?«Die Aufzugtur schlo? sich, und Jeff sa? in der Falle, allseits umgeben von sittlich entrusteten Mitburgern.

An diesem Abend lag Tracy imBett, dachte an Jeff und mu?te lachen. Er war wirklich ein Charmeur. Und ein Gauner. Aber ein sehr netter. Sie fragte sich, welcher Art seineBeziehung zuBarone? Lithgow war. Nein, sie wu?te, welcher Art seineBeziehung zuBarone? Lithgow war. Jeff und ich sind vom selben Schrot und Korn, dachte Tracy. Sie wurdenbeide nie zur Ruhe kommen. Das Leben, das sie fuhrten, war einfach zu aufregend und interessant.

Sie sann uber ihren nachsten Auftrag nach. Das Zielbefand sich in Sudfrankreich, und das Ganze war eine echte Herausforderung. Gunther hatte ihr gesagt, die Polizei fahnde nach einer Frauenbande. Tracy schlief lachelnd ein.

In seinem Pariser Hotelzimmer las Daniel Cooper die Unterlagen, die Inspektor Trignant ihm zur Verfugung gestellt hatte. Es war 4 Uhr morgens. Cooper hatte seit Stunden uber

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