morgen mit uns zu Mittag essen wollen, der Koch auf ihrer Yacht im Hafenbereitet eine exzellente…«

«Nein, danke. Ich kame nicht im Traum darauf, Siebeim Essen zu storen. Was drehen Sie ihr denn an?«

«Das ist streng privat.«

«Glaube ich Ihnen aufs Wort. «Es klang schroffer, als Tracy vorgehabt hatte.

Siebetrachtete Jeff uber den Rand ihres Sektglases hinweg. Er war wirklich verdammt attraktiv, hatte ebenma?ige, gutgeschnittene Gesichtszuge, schone graue Augen mit langen Wimpern und das Herz einer Schlange. Einer sehr klugen Schlange.

«Haben Sie je daran gedacht, einenburgerlichenBeruf zu ergreifen?«fragte Tracy.»Sie waren wahrscheinlich sehr erfolgreich.«

Jeffblickte schockiert drein.»Was? Und all das aufgeben? Ich glaube, Sie machen Witze.«

«Waren Sie immer schon ein Gauner?«

«Ein Gauner? Ichbin Unternehmer«, sagte Jeff rugend.

«Und wie sind Sie… ah… Unternehmer geworden?«

«Ichbin mit vierzehn von zu Hause durchgebrannt und zu einem reisenden Vergnugungspark gegangen.«

«Mit vierzehn?«Das war der ersteBlick, den Tracy hinter die Fassade des weltlaufigen Charmeurs warf.

«Es hat mir gutgetan. Da habe ich erfahren, was freier Wettbewerbist. Als dann der herrliche Vietnamkrieg ausbrach, bin ich eingezogen worden und habe mich weiterbilden durfen. Das Wichtigste, was ich dabei gelernt habe, war wohl, da? dieser Krieg die gro?te Gaunerei der Welt war. Im Vergleich dazu sind Ihre und meine Aktivitaten der reinste Dilettantismus. «Er wechselte unvermittelt das Thema.»Mogen Sie Pelota?«

«Wenn das eine Spezialitat von Ihnen ist, die Sie anderen Leuten aufschwatzen wollen — nein danke.«

«Pelota ist einBallspiel, Tracy. Ich habe zwei Karten fur morgen abend. Suzanne kann nicht. Wollen Sie mitkommen?«

Ehe sie sich's versah, hatte Tracy ja gesagt.

Sie a?en in einem kleinen Restaurant, tranken Wein, sprachen uber Politik undBucher und Reisen, und Tracy stellte fest, da? Jeff erstaunlich viel wu?te.

«Wenn man mit vierzehn auf sich selbst angewiesen ist«, sagte er,»begreift man ziemlich schnell. Erst merkst du, was dich selbst treibt, und dann, was die anderen treibt. Eine Gaunerei ist so was Ahnliches wie Jiu?Jitsu. Beim Jiu?Jitsu nutzt du die Kraft deines Gegners, um zu gewinnen. Undbei

einer Gaunerei nutzt du seine Gier. Den ersten Schritt unternimmst du selbst, und den Restbesorgt er fur dich.«

Tracy lachelte. Sie fragte sich, obJeff auch nur ahnte, wie ahnlich sie einander waren. Es machte ihr Freude, mit ihm zusammenzusein. Aber sie war sicher, da? er nicht zogern wurde, sie ubers Ohr zu hauen, wenn sich die Gelegenheit dazubot. Vor diesem Mann mu?te man sich huten, und sie hatte die Absicht, das auch zu tun.

Der Pelota?Platz lag ein wenig au?erhalbvonBiarritz. Aufbeiden Seiten des Spielfeldsbefanden sich hohe gruneBetonwande. Als Tracy und Jeff eintrafen, brannte das Flutlicht, und die Zuschauerbanke waren gutbesetzt. Das Spielbegann.

Mitgliederbeider Mannschaften schmetterten denBall abwechselnd gegen dieBetonwand und fingen ihn, wenn er zuruckprallte, mit ihren Cestas auf — langen, schmalen, am Arm festgebundenen Korben. Das Spiel war schnell und gefahrlich.

Immer mehr Zuschauer kamen, es herrschte ein ziemliches Gedrange auf denBanken, und Tracy wurde gegen Jeff gedruckt. Falls er es uberhaupt wahrnahm, so lie? er sich nichts davon anmerken.

Tempo und Wildheit des Spiels schienen sich von Minute zu Minute zu steigern. Die Zuschauer schrieen.

«Ist das so gefahrlich, wie es aussieht?«fragte Tracy.

«O ja. DerBall saust mit 150 km/h durch die Gegend. Wenn er Sie am Kopf trifft, sind Sie tot. Aber es kommt selten vor, da? ein Spieler denBall verfehlt.«

Die Spieler waren Konner. Siebewegten sich flink, anmutig und mit perfekter Korperbeherrschung. Doch dann schmetterte plotzlich einer denBall im falschen Winkel gegen die Wand, und er sauste direkt auf dieBank zu, auf der Tracy und Jeff sa?en. Die Zuschauer gingen in Deckung. Jeff zog Tracy hastig zuBoden und warf sich uber sie. Sie horten, wie der

Ball Millimeter uber ihren Kopfen durch die Luft pfiff und gegen eine Seitenwand knallte. Tracy fuhlte Jeffs Korper, und sein Gesicht war ihrem sehr nah.

Er hielt sie einen Moment in den Armen, dann stand er auf und half ihr auf dieBeine. Und nun waren siebeide mit einem Mal verlegen.

«Ich… ich glaube, das war genug Spannung fur heute«, sagte Tracy.»Ich mochte jetztbitte ins Hotel zuruck.«

Sie verabschiedeten sich in der Hotelhalle voneinander.

«Es war ein schoner Abend«, sagte Tracy zu Jeff. Sie meinte es ernst.

«Tracy, Sie lassen sich doch nicht auf ZuckermansBlodsinn mit diesem Schatzschiff ein, oder?«

«Doch.«

Jeffbetrachtete sie eine Weile.»Sie glauben immer noch, da? ich es auf das Gold abgesehen habe, ja?«

Tracy schaute ihm in die Augen.»Und… stimmt's vielleicht nicht?«

Sein Gesichtsausdruck verhartete sich.»Na, dann viel Gluck.«

«Gute Nacht, Jeff.«

Tracybeobachtete, wie er sich umdrehte und aus dem Hotel ging. Wahrscheinlich machte er sich jetzt auf den Weg zu Suzanne. Die arme Frau.

Der Concierge sagte:»Guten Abend, Barone?. Hier ist eine Mitteilung fur Sie.«

Die Mitteilung stammte von Professor Zuckerman.

Adolf Zuckerman hatte ein Problem. Ein sehr gro?es Problem. Er sa? imBuro von Armand Grangier und hatte so entsetzliche Angst, da? er sich, wie er zu seinem Leidwesen feststellen mu?te, in die Hose gepinkelt hatte. Grangier war derBesitzer eines illegalen, von reicher Kundschaftbesuchten Spielcasinos in einer eleganten Villa in der Rue Frias. Im

Gegensatz zu den vom Staat uberwachten Spielbanken konnte hier unbegrenzt hoch gesetzt werden, und darum stromten die Roulette- und Kartenspielsuchtigen in die Rue Frias, um ungehemmt ihrer Leidenschaft zu fronen. Zu Grangiers Kundschaft gehorten arabische Prinzen, englische Adlige, fernostliche Geschaftsleute und afrikanische Staatsoberhaupter. Sparlichbekleidete junge Damen schritten durch die Raume, umBestellungen fur Champagner und Whisky entgegenzunehmen. Die Getranke kosteten nichts, denn Armand Grangier wu?te, da? die Reichen es mehr als alle anderen Menschen zu schatzen wu?ten, wenn sie etwas umsonstbekamen. Grangier konnte es sich auch leisten, spendabel zu sein. Seine Roulettescheiben waren einbi?chen manipuliert und seine Karten ein wenig gezinkt.

Im Casino wimmelte es meistens von schonen jungen Frauen inBegleitung alterer, vermogender Herren, und fruher oder spater fuhlten sich die Frauen zu Grangier hingezogen. Er war ein Winzling von Mann mit vollkommenen Gesichtszugen, sanftenbraunen Augen und sinnlichem Mund. Er ma? einszweiundsechzig, und diese Kombination — gutes Aussehen und zierliche Statur — wirkte auf die Frauen wie ein Magnet. Er zollte allen seine gut geheuchelteBewunderung.

«Ich finde Sie unwiderstehlich, cherie«, pflegte er zu sagen,»aber leiderbin ich gerade rasend in jemand anderen verliebt.«

Und das stimmte. Dieser Jemand wechselte zwar von Woche zu Woche, weil es inBiarritz einen endlosen Vorrat an schonen jungen Mannern gab, aber Armand Grangier vergonnte jedem seinen kurzzeitigen Platz an der Sonne.

GrangiersBeziehungen zur Unterwelt und zur Polizei waren immerhin so gut, da? er sein Casino ungestortbetreiben konnte. Er hatte ganz unten als kleiner Falschspieler angefangen, dann mit Drogen gehandelt, und nun gebot er uber seine eigene Pfrunde inBiarritz, und wer sich ihm entgegenstellte, fand zu spat heraus, wie

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