Die Polizeidirektion von Madrid liegt an der Puerta del Sol und nimmt einen ganzenBlock ein. Es ist ein graues Gebaude mit roten Ziegeln und einem gro?en Glockenturm. Uber dem
Haupteingang flattert die spanische Fahne, und an der Tur wacht immer ein Polizist inbeiger Uniform, derbis an die Zahnebewaffnet ist. Von diesem Gebaude aus wird der Kontakt mit der Zentrale von Interpol aufrechterhalten.
Am Vortag war aus Paris ein Telegramm fur Santiago Ramiro eingetroffen, den Polizeichef von Madrid. Es hatte ihn von Tracy Whitneysbevorstehender Ankunft unterrichtet. Der Polizeichef hatte den Schlu?satz des Telegramms zweimal gelesen und dann Inspektor Andre Trignant in Paris angerufen.
«Ich verstehe Ihr Schreiben nicht ganz«, hatte Ramiro gesagt.»Siebitten mich, mit einem Amerikaner zusammenzuarbeiten, der nicht einmalbei der Polizei ist. Warum?«
«Weil ich glaube, da? Monsieur Cooper Ihnen sehr nutzlich sein kann. Er wei? uber Tracy WhitneyBescheid, er versteht sie.«
«Was gibt's da gro? zu verstehen?«erwiderte Ramiro.»Sie ist eine Kriminelle. Sehr clever vielleicht, aber Spaniens Gefangnisse sind voll von cleveren Kriminellen. Und sie wird uns auch nicht entwischen.«
«Gut. Sie werden mit Monsieur Cooper zusammenarbeiten?«
Ramiro antwortete leise grollend:»Wenn Sie sagen, da? er uns nutzlich sein kann, habe ich nichts dagegen.«
«Merci, Monsieur.«
«Nichts zu danken, Senor.«
Polizeichef Ramiro hielt nicht viel von den Amerikanern. Er fand sie ungehobelt, materialistisch und naiv. Der ist vielleicht anders, dachte Ramiro. Vielleicht mag ich ihn.
Er ha?te Daniel Cooper auf den erstenBlick.
«Sie hat in einem halben Dutzend europaischer Lander die Polizei ausgetrickst«, sagte Cooper, kaum da? er Ramiros
Burobetreten hatte.»Und hier macht sie das wahrscheinlich auch.«
Um nicht zu platzen, konnte der Polizeichef nur entgegnen:»Senor, wir verstehen uns auf unser Geschaft. Die Dame wird uberwacht, seit sie heute morgen auf dem Flughafen angekommen ist. Ich versichere Ihnen, wenn sie auch nur einen Taschendiebstahlbegeht, landet sie sofort hinter Gittern. Sie kennt die spanische Polizei noch nicht.«
«Tracy Whitney ist nicht hier, um einen Taschendiebstahl zubegehen.«
«Und warum ist sie dann hier, Ihrer Meinung nach?«
«Ich wei? es nicht genau. Ich kann Ihnen nur sagen, da? es sich um etwas Gro?eres handelt.«
Polizeichef Ramiro erwiderteblasiert:»Je gro?er, destobesser. Wir werden sie genau im Augebehalten.«
Tracy wachte am nachsten Morgen wie zerschlagen auf. Die Nacht in dem altenBett war tatsachlich eine Tortur gewesen. Siebestellte Fruhstuck aufs Zimmer und trat an das Fenster, von dem aus man den Prado sah. Er war eine imposante Festung aus Stein und roten Ziegeln, von einem Rasen undBaumen umgeben. Davor standen dorische Saulen, und aufbeiden Seiten fuhrte eine Treppe zum Haupteingang. Auf derselben Hohe wie die Stra?ebefanden sich zwei Nebeneingange. Schuler und Touristen aus einem Dutzend Landern warteten vor dem Museum. Um Punkt zehn wurde der Haupteingang von Wartern aufgeschlossen, und dieBesucherbegannen durch die Drehtur in der Mitte und durch diebeiden Nebeneingange zu ebener Erde zu stromen.
Das Telefon lautete. Tracy fuhr zusammen. Au?er Gunther Hartog wu?te niemand, da? sie in Madrid war. Sie hobden Horer ab.»Hallo?«
«Buenos dias, Senorita. «Die Stimme klang vertraut.»Ich rufe im Auftrag der Handelskammer von Madrid an. Sie hat
mich angewiesen, da? ich alles in meiner Macht Stehende tun soll, um Ihnen den Aufenthalt in unserer Stadt so angenehm wie moglich zu machen.«
«Woher wissen Sie, da? ich in Madridbin, Jeff?«
«Senorita, die Handelskammer wei? alles. Sind Sie zum ersten Mal hier?«
«Ja.«
«Bueno! Dann kann ich Ihnen vielleicht das eine oder andere zeigen. Wie lange wollen Sie hierbleiben, Tracy?«
Das war gewi? eine Fangfrage.»Ich wei? es noch nicht genau«, wich Tracy aus.»Jedenfalls lange genug, um einbi?chen einzukaufen und ein paar Sehenswurdigkeiten anzuschauen. Und was machen Sie hier in Madrid?«
«Das gleiche. «Sein Ton war ebenso nonchalant wie ihrer.»Einbi?chen einkaufen und ein paar Sehenswurdigkeiten anschauen.«
Tracy glaubte nicht an den Zufall. Jeff Stevens war aus demselben Grund hier wie sie: um den Puerto zu stehlen.
Er fragte:»Haben Sie heute abend schon was vor?«
Es war eine Herausforderung.»Nein.«
«Gut. Dann lasse ich im Jockey einen Tisch fur uns reservieren.«
Tracy gabsich keinen Illusionen uber Jeff hin, doch als sie aus dem Lift trat und ihn in der Hotelhalle stehen sah, freute sie sich auf geradezu widervernunftige Weise.
Jeff nahm ihre Hand in seine.»Sie sehen phantastisch aus.«
Daniel Cooper, der in einem entlegenen Winkel der Hotelhalle an einem kleinen runden Tisch sa?, ein Glas Mineralwasser vor sich, beobachtete, wie Tracy ihrenBegleiterbegru?te, und empfand ein ungeheures Machtgefuhl: Die Rache ist mein, so spricht der Herr, und ichbin sein Schwert und sein Werkzeug. Mein Leben istBu?e, und du sollst mir helfen, Bu?e zu tun. Ich werde dich strafen.
Cooper wu?te, da? keine Polizei der Welt schlau genug war,
um Tracy Whitney zu fangen. Aber ichbin's, dachte Cooper. Sie gehort mir.
Inzwischen war Tracy fur Daniel Cooper weitaus mehr als nur Gegenstand eines Auftrags: eine fixe Idee, eine Obsession. Er trug ihre Fotos standigbei sich, und am Abend, bevor er schlafen ging, sa? er liebevoll uber allen Unterlagen, die Tracybetrafen. InBiarritz hatte er sie nicht erwischt, weil er zu spat gekommen war, und auf Mallorca hatte sie sich ihm entzogen, doch nun hatte Interpol sie wieder aufgespurt, und Daniel Cooper war fest entschlossen, sie nicht aus den Augen zu verlieren.
Er traumte nachts von Tracy. Sie war nackt in einem Kafig gefangen und flehte ihn an, sie freizulassen. Ich liebe dich, sagte Cooper, aber ich lasse dich niemals frei.
Das Jockey war ein kleines, elegantes Restaurant.»Hier i?t man ausgezeichnet«, verkundete Jeff.
Tracy dachte, da? er an diesem Abendbesonders gut aussah. Er war ebenso aufgeregt wie sie, und Tracy wu?te, warum: Sie wetteiferten miteinander, sie ma?en ihre Geisteskraftebei einem Spiel um hohe Einsatze. Aber ich werde gewinnen, dachte Tracy. Ich werde vor ihm einen Weg finden, dasBild aus dem Prado zu stehlen.
«Man hort seltsame Geruchte«, sagte Jeff.
«Was fur Geruchte?«fragte Tracy.
«Kennen Sie Daniel Cooper? Das ist ein sehr schlauer Detektiv, der fur die Versicherungsbranche arbeitet.«
«Nein. Was ist mit dem?«
«Nehmen Sie sich vor ihm in acht. Ich will nicht, da? Ihnen was passiert.«
«Machen Sie sich nur keine Sorgen.«
«Ich mache mir aber welche, Tracy.«
Sie lachte.»Um mich? Warum?«
Er legte seine Hand auf ihre und sagte:»Weil Sie etwas ganzBesonderes sind. Das Leben ist einfach spannender, wenn man Sie in der Nahe hat.«
Es klingt so verdammt uberzeugend, dachte Tracy. Wenn ich's nichtbesser wu?te, wurde ich ihm glauben.
«Bestellen wir«, sagte Tracy.»Ich komme fast um vor Hunger.«
In den nachsten Tagen erkundeten Jeff und Tracy gemeinsam Madrid. Sie waren nie allein. Zwei von Ramiros Leuten folgten ihnen auf allen ihren Wegen, begleitet von dem seltsamen Amerikaner. Ramiro hatte Cooper gestattet, sich dem Uberwachungsteam anzuschlie?en, um den Kerl endlich los zu sein. Der Amerikaner