stromte. Daniel Cooper und Kommissar Pereira folgten ihr in einigem Abstand, und Cooper empfand eine gewisse Erregung. Tracy Whitney war nichtblo? als harmloseBesucherin hier. Was immer sie planen mochte — jetzt ging es los.

Tracy schritt langsam von Saal zu Saal, betrachtete die Gemalde von Rubens, Tizian, Tintoretto, Bosch und El Greco. Die Goyasbefanden sich in einer eigenen Galerie im Untergescho?.

Tracybemerkte, da? am Eingang zu jedem Raum ein Warter stand, einen roten Alarmknopf hinter sich. Sie wu?te, da? in dem Moment, in dem der Alarmbetatigt wurde, alle Ein- und Ausgange des Museums hermetisch abgeriegelt wurden — an Flucht war dann nicht mehr zu denken.

Sie sa? auf derBank in der Mitte des Saals mit den flamischen Meistern des 18. Jahrhunderts und lie? ihrenBlick uber denBoden schweifen. Links und rechts vom Eingang sah sie eine Art Rontgenauge. Das waren wohl die Infrarotstrahlen, diebei Nacht eingestellt wurden. In anderen Museen, die Tracybesucht hatte, waren die Warter mude und gelangweilt gewesen und hatten kaum auf den endlosen Strom schwatzender Touristen geachtet, doch hier schienen sie hellwach zu sein.

In mehreren Salen hatten Kunstler ihre Staffeleien aufgebaut und kopierten emsig die Werke der Meister. Der Prado erlaubte das, aber die Warter beobachteten selbst die

Kopisten mit Argusaugen.

Als Tracy die Raume im Obergescho? durchwandert hatte, ging sie ins Untergescho?, zu den Goyas.

Pereira sagte zu Cooper:»Bitte, sie schaut sich doch nur dieBilder an. Sie…«

«Da irren Sie sich. «Cooper eilte im Sturmschritt die Treppe hinunter.

Tracy hatte den Eindruck, da? die Goyas noch scharferbewacht wurden als die anderen Gemalde, und das war auch vollauf gerechtfertigt. Unglaublich, was hier an zeitloser Schonheit vereinigt war. Tracy lief vonBild zuBild, fasziniert vom Genie dieses Mannes. Goyas Selbstportrat, auf dem er aussah wie der Gott Pan… Die Familie Karls IV. mit ihren feinen Valeurs… Diebekleidete Maja und die hochberuhmte Nackte Maja.

Und da, neben dem Hexensabbat, hing der Puerto. Tracybliebstehen und starrte ihn an. Siebekam Herzklopfen. Im Vordergrund desBildes stand ein Dutzend festlich gewandeter Manner und Frauen vor einer Mauer; im Hintergrund, durch irisierenden Dunst gesehen, lagen Fischerboote an einer Mole; in der Ferne erkannte man einen Leuchtturm. Und am linken unterenBildrandbefand sich Goyas Signatur.

Dies war das Ziel. Eine halbe Million Dollar.

Tracy schaute sich um. Ein Warter stand am Eingang. Hinter ihm konnte sie durch den langen Korridor, der zu anderen Raumen fuhrte, weitere Warter sehen. Sie verharrte lange vor dem Puerto undbetrachtete ihn grundlich. Als sie sich zum Gehen wandte, kam eine gro?e Gruppe von Touristen die Treppe herunter. Inmitten des Rudels Jeff Stevens. Tracy drehte den Kopf weg und eilte aus dem Nebeneingang, bevor er sie wahrnehmen konnte.

Das wird ein Wettlauf, Mr. Stevens, und ich werde ihn gewinnen.

«Sie will einBild aus dem Prado stehlen.«

Polizeichef Ramiroblickte Daniel Cooper unglaubig an.»Ach was. Niemand kann einBild aus dem Prado stehlen.«

Cooper sagte dickkopfig:»Sie war den ganzen Vormittag dort.«

«Aus dem Prado ist noch nie einBild gestohlen worden, und es wird auch nie eins gestohlen werden. Und wissen Sie, warum nicht? Weil es unmoglich ist.«

«Sie wird es mit keiner der ublichen Methoden versuchen. Sie mussen dieBeluftung des Museums uberwachen lassen — fur den Fall eines Angriffs mit Nervengas. Wenn die Warter im Dienst Kaffee trinken, mussen Sie feststellen lassen, woher sie ihn haben und ober mit Drogen versetzt werden kann. Das Trinkwasser mussen Sie ebenfalls kontrollieren…«

Ramiro war mit seiner Geduld am Ende. Er fand es schlimm genug, da? er diesen ungehobelten und unansehnlichen Amerikaner in der vergangenen Woche hatte ertragen mussen und da? er wertvolle Arbeitskrafte vergeudet hatte, indem er Tracy Whitney rund um die Uhr hatte uberwachen lassen (die Polizei war ohnehin schon durch Etatkurzungen gehandikapt!). Doch nun, konfrontiert mit dieser traurigen Gestalt, die ihm sagte, wie er's machen sollte, hielt er es wirklich nicht mehr aus.

«Meiner Meinung nach ist die Frau hier nur auf Urlaub. Ich werde die Observierung abblasen.«

Cooper war wie vom Donner geruhrt.»Nein! Das durfen Sie nicht tun! Tracy Whitney ist…«

Ramiro reckte sich zu seiner vollen Korpergro?e.»Sie werden gefalligst Abstand davon nehmen, mir vorzuschreiben, was ich tun und lassen soll, Senor. Und wenn nun nichts weiter anliegt… ichbin ein sehrbeschaftigter Mann.«

Frustriert stand Cooper da.»Dann werde ich eben allein weitermachen.«

Der Polizeichef lachelte.»Um den Prado vor der furchtbaren

Bedrohung zu schutzen, die von dieser Frau ausgeht? Gro?artig, Senor Cooper. Jetzt kann ich nachts wieder ruhig schlafen.«

30

Meiner Meinung nach sind die Erfolgschancen au?erstbegrenzt, hatte Gunther Hartog zu Tracy gesagt. Es wird viel Einfallsreichtum erfordern.

Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts, dachte Tracy.

Sie schaute aus dem Fenster ihrer Suite auf die Oberlichter des Prado und rekapitulierte alles, was sie uber das Museum erfahren hatte. Es hatte von 10bis 18 Uhr geoffnet, und wahrend dieser Zeit war die Alarmanlage abgeschaltet; doch an jedem Eingang und in jedem Saal standen Warter.

Selbst wenn man es schaffen wurde, einBild abzuhangen, dachte Tracy, aus dem Museum schmuggeln konnte man es nie. Pakete und dergleichen wurden am Eingang kontrolliert.

Siebetrachtete das Dach des Prado und sann uber die Moglichkeit eines nachtlichen Einbruchs nach. Da gabes mehrere Hindernisse. Tracy hattebeobachtet, wie am Abend die Scheinwerfer angestellt wurden und das Dach mit glei?endem Licht uberfluteten — wenn dort oben jemand herumturnte, war er auf Hunderte von Metern zu erkennen. Und falls man wider Erwarten doch unbemerkt in das Gebaude gelangte, mu?te man Infrarotstrahlen ausweichen und Nachtwachter uberlisten.

Der Prado schien unbezwinglich.

Was fuhrte Jeff im Schild? Tracy war uberzeugt, da? er versuchen wurde, an den Goya heranzukommen. Ich wurde viel darum geben, wenn ich wu?te, was ihm so durch den schlauen Kopf geht. Einer Sache war Tracy sicher: Sie wurde es nicht dulden, da? er schneller war als sie. Sie mu?te ihm zuvorkommen.

Am nachsten Vormittag ging sie wieder in den Prado.

Bis auf die Gesichter derBesucher hatte sich nichts geandert. Tracy hielt Ausschau nach Jeff, doch er tauchte nicht auf.

Sie dachte: Er hat sich schon etwas einfallen lassen. Der Mistkerl. Sein Charme war nur ein Ablenkungsmanover. Er wollte michblo? daran hindern, da? ich dasBild vor ihm kriege.

Tracy unterdruckte ihren Zorn undbemuhte sich, kuhl, klar und logisch zu denken.

Sie ging wieder zum Puerto und lie? denBlick uber dieBilder daneben schweifen, die aufmerksamen Warter, die Maler vor ihren Staffeleien, die Menge, die durch den Raum stromte… Und plotzlichbegann Tracys Herz schneller zu schlagen.

Ich wei?, wie ich's mache!

Sie fuhrte ein Gesprach von einer Telefonzelle in der Gran Via aus, und Daniel Cooper, der im Eingang eines Restaurants stand und siebeobachtete, hatte mit Freuden ein Jahresgehalt geopfert, wenn er dafur erfahren hatte, wen Tracy anrief. Er war sicher, da? es sich um ein Auslandsgesprach handelte. Erbemerkte ein limonengrunes Kleid an ihr, das er noch nicht kannte, und erbemerkte uberdies, da? ihreBeine nackt waren. Damit die Manner sie angaffen konnen, dachte er. Hure.

Er war wutend.

In der Telefonzellebeendete Tracy gerade ihr Gesprach.»Er mu? auf jeden Fall schnell sein, Gunther. Er wirdblo? zwei Minuten Zeit haben. Und von denen hangt alles ab.«

AN: J. J. Reynolds Aktenzeichen: Y-72–830–412

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