steigendem Interesse. Bei der Siegesfeier nach dem Ausgang seines Falls hatte einer von Michaels Leuten, Salvatore Fiore, einen Toast ausgebracht. »Die Welt ist wieder einen gottverdammten Anwalt losgeworden.« Aber die Welt war sie nicht losgeworden, dachte Michael. Jennifer Parker war wieder im Ring und kampfte. Er mochte das. Gestern nacht hatte er sie im Fernsehen gesehen, als sie uber ihren Sieg uber Di Silva sprach, und Michael hatte eine seltsame Freude empfunden.
»War die Kleine nicht der Knebel, den du Stela verpa?t hast?« hatte Antonio Granelli gefragt.
»Richtig. Sie hat Kopfchen, Tony. Vielleicht konnen wir sie in absehbarer Zeit noch mal gebrauchen.«
10
Am Tag nach dem Urteil uber Abraham Wilson klingelte das Telefon. Es war Adam Warner. »Ich rufe nur an, um Ihnen zu gratulieren.«
Jennifer erkannte seine Stimme auf Anhieb, und ihr Klang erregte sie mehr, als sie je fur moglich gehalten hatte. | »Hier spricht...«
»Ich wei?.« Mein Gott, dachte Jennifer, warum habe ich das gesagt? Es gab wirklich keine Veranlassung, Adam wissen zu lassen, wie oft sie in den vergangenen Monaten an ihn gedacht hatte.
»Ich wollte Ihnen sagen, da? Sie den Fall Abraham Wilson brillant vertreten haben. Sie haben den Sieg verdient.«
»Danke schon.« Gleich hangt er auf, dachte Jennifer. Ich werde ihn nie wiedersehen. Er ist wahrscheinlich viel zu beschaftigt mit seinem Harem.
Aber Adam Warner sagte: »Hatten Sie vielleicht irgendwann einmal Zeit, mit mir zu Abend zu essen?« Manner hassen Madchen, die zu schnell ja sagen, dachte Jennifer und fragte: »Wie war's mit heute abend?« Jennifer horte an seiner Stimme, da? er lachelte. »Ich furchte, vor nachsten Freitag habe ich keinen Abend frei. Haben Sie da schon etwas vor?«
»Nein.« Beinahe hatte sie gesagt: Naturlich nicht. »Soll ich Sie von Ihrer Wohnung abholen?« Jennifer dachte an ihr trostloses kleines Appartement mit dem schabigen Sofa und dem in die Ecke gelehnten Bugelbrett. »Es ware einfacher, wenn wir uns irgendwo treffen.«
»Schmeckt Ihnen das Essen bei Lutece?«
»Darf ich das beantworten, nachdem ich es probiert habe?« Er lachte. »Wie war's mit acht Uhr?«
»Acht ist mir sehr recht.«
Jennifer legte den Horer auf. Sie sa? da und schien vor Gluck zu strahlen. Das ist doch lacherlich, sagte sie sich. Wahrscheinlich ist er verheiratet und hat zwei Dutzend Kinder. Als sie mit Adam beim Essen gewesen war, hatte sie beinahe als erstes bemerkt, da? er keinen Ehering trug. Nicht sehr uberzeugender Beweis, dachte sie. Es sollte wirklich ein Gesetz geben, das alle verheirateten Manner verpflichtete, Eheringe zu tragen. Ken Bailey betrat das Buro. »Wie geht's der Staranwaltin?« Er betrachtet sie genauer. »Du siehst aus, als hattest du gerade einen Mandanten verspeist.«
Jennifer zogerte einen Moment, dann sagte sie: »Ken, wurdest du jemanden fur mich uberprufen?« Er trat an ihren Schreibtisch, ergriff Papier und Bleistift und sagte: »Schie? los. Um wen handelt es sich?«
Sie wollte Adams Namen sagen, aber dann hielt sie inne. Sie kam sich wie ein Idiot vor. Was fur ein Recht hatte sie, in Adams Privatleben herumzuschnuffeln? Um Himmels willen, sagte sie sich, er hat dich nur zum Essen eingeladen, nicht dazu, mit ihm vor den Traualtar zu treten. »Vergi? es.« Ken legte den Bleistift weg. »Wie du willst.«
»Ken...«
»Ja?«
»Adam Warner. Sein Name ist Adam Warner.«
Ken blickte sie erstaunt an. »Zum Teufel, dafur benotigst du keinen Privatdetektiv. Du brauchst blo? in die Zeitungen zu schauen.«
»Was wei?t du von ihm?«
Ken Bailey lie? sich in einen Stuhl vor Jennifers Schreibtisch fallen und legte die Fingerspitzen gegeneinander. »La? mich uberlegen. Er ist ein Partner von Needham, Finch, Pierce und Warner; hat in Harvard Jura studiert; stammt aus einer reichen, prominenten Familie; er ist Mitte Drei?ig...« Jennifer blickte ihn neugierig an. »Wie kommt es, da? du soviel uber ihn wei?t?«
Er blinzelte ihr zu. »Ich habe einflu?reiche Freunde. Man behauptet, da? Mr. Warner fur den Senat kandidieren will. Mit dem richtigen Ruckenwind konnte er es sogar bis ins Wei?e Haus schaffen. Er hat das, was die Leute Charisma nennen.« Das kann man wohl sagen, dachte Jennifer. Sie versuchte, die nachste Frage beilaufig klingen zu lassen. »Was wei?t du uber sein Privatleben?«
Ken Bailey blickte sie sonderbar an. »Er ist mit der Tochter eines verstorbenen hohen Tiers bei der Navy verheiratet. Sie ist die Nichte von Stewart Needham, einem von Warners Partnern.«
Jennifers Stimmung kippte um. Das war also geklart. Verwirrt betrachtete Ken sie. »Woher dieses plotzliche Interesse an Adam Warner?«
»Reine Neugier.«
Noch lange, nachdem Ken Bailey gegangen war, sa? Jennifer da und dachte an Adam. Er hat mich aus Hoflichkeit zum Abendessen eingeladen. Er will mir gratulieren. Aber das hat er doch schon am Telefon getan. Ist ja auch egal, warum. Ich werde ihn wiedersehen. Ich frage mich, ob er daran denken wird, mir zu sagen, da? er verheiratet ist. Naturlich nicht. Wie auch immer - ich werde Freitag mit ihm zu Abend essen, und damit hat es sich.
Am spaten Nachmittag erhielt Jennifer einen Anruf von Peabody & Peabody. Der Seniorpartner personlich war am Apparat. »Ich habe schon lange vorgehabt«, sagte er, »mit Ihnen zu Mittag zu essen. Wurde es Ihnen in der nachsten Zeit passen?«
Sein beilaufiger Ton konnte Jennifer nicht tauschen. Sie war sicher, die Idee, mit ihr zu essen, war ihm erst gekommen, als er den Ausgang des Abraham-Wilson-Prozesses erfahren hatte. Er wollte sie bestimmt nicht sehen, um die Zustellung von Vorladungen mit ihr zu diskutieren. »Wie war's mit morgen?«
fragte er. »In meinem Club.«
Sie trafen sich am folgenden Tag zum Mittagessen. Der altere Peabody war ein blasser, zimperlicher Mann, eine ergraute Version seines Sohnes. Unter seiner Weste wolbte sich ein kleiner Bauch. Jennifer mochte den Vater genauso wenig wie den Sohn.
»Wir hatten einen freien Platz fur eine aufstrebende junge Proze?anwaltin, Mi? Parker. Wir konnen Ihnen ein Anfangsgehalt von funfzehntausend Dollar im Jahr bieten.« Jennifer sa? ihm gegenuber und lauschte seinen Worten. Sie uberlegte, wieviel ihr dieses Angebot vor einem Jahr bedeutet hatte, als sie verzweifelt einen Job brauchte - einen Job und jemanden, der an sie glaubte.
Peabody fuhr fort: »Ich bin sicher, da? wir in ein paar Jahren auch uber eine Partnerschaft sprechen konnen.« Funfzehntausend im Jahr und ein Partnerschaftsangebot. Jennifer dachte an das kleine Buro, das sie mit Ken teilte, und ihr winziges, schabiges Appartement mit dem unechten Kamin. Mr. Peabody nahm ihr Schweigen als Einverstandnis. »Gut. Wir mochten, da? Sie so fruh wie moglich anfangen. Vielleicht ging es schon am Montag. Ich...«
»Nein.«
»Oh, nun, wenn Montag Ihnen nicht zusagt...«
»Ich meine, nein, ich kann Ihr Angebot nicht annehmen, Mr. Peabody«, sagte Jennifer, erstaunt uber sich selber. »Ich verstehe.« Eine Pause entstand. »Vielleicht konnten wir Ihr Gehalt auf zwanzigtausend Dollar im Jahr erhohen.« Er bemerkte den Ausdruck auf ihrem Gesicht. »Funfundzwanzigtausend. Warum denken Sie nicht in Ruhe daruber nach?«
»Ich habe schon daruber nachgedacht. Ich werde in diesem Geschaft weiterhin allein arbeiten.«
Nach und nach kamen die ersten Mandanten. Nicht allzu viele und nicht allzu wohlhabende, aber immerhin Mandanten. Das Buro wurde langsam zu klein fur Jennifer. Eines Morgens, nachdem sie zwei Klienten drau?en im Flur warten lassen mu?te, wahrend sie mit einem dritten beschaftigt war, sagte Ken: »So geht das nicht weiter. Du mu?t hier ausziehen und dir ein anstandiges Buro in einer besseren Gegend zulegen.«
Jennifer nickte. »Ich wei?. Ich habe auch schon daran gedacht.«