Irgendwie werde ich fur dieses Madchen einen Sieg erringen, dachte sie. »Angenommen, ich versuche, einen Vergleich zu erreichen? Ich kann mir vorstellen, da? sie bereit sind, die Sache ohne Gericht beizulegen, wenn sie sehen, was wir in der Hand haben.«
Die Kanzlei von Maguire und Guthrie, den Anwalten der Nationwide Motors Corporation, war an der oberen Fifth Avenue in einem modernen Gebaude aus Glas und Chrom mit einem Springbrunnen davor. Jennifer stellte sich am Empfangstisch vor. Die Empfangsdame bat sie, Platz zu nehmen, und funfzehn Minuten spater wurde Jennifer in das Buro von Patrick Maguire gefuhrt. Maguire war der Seniorpartner, ein harter, mit allen Wassern gewaschener Ire mit Augen, denen nichts entging.
Er bot Jennifer einen Stuhl an. »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Mi? Parker. Sie haben einen ziemlichen Ruf in den Gerichtssalen dieser Stadt.«
»Hoffentlich keinen allzu schlechten.«
»Man sagt, Sie seien hart. Sie sehen nicht so aus.«
»Das hoffe ich auch.«
»Kaffee? Oder einen guten irischen Whisky?«
»Kaffee, bitte.«
Patrick Maguire klingelte, und eine Sekretarin brachte auf einem Tablett aus Sterlingsilber zwei Tassen Kaffee herein. Maguire fragte: »Nun, was kann ich fur Sie tun?«
»Es geht um den Connie-Garrett-Fall.«
»Ah, ja. Wenn ich mich recht erinnere, verlor sie den Proze? und die Berufung.«
Wenn ich mich recht erinnere! Jennifer hatte ihr Leben darauf verwettet, da? Patrick Maguire jede Statistik aus diesem Fall auswendig kannte. »Ich werde mich um einen neuen Proze? bemuhen.« »Wirklich? Auf welcher Grundlage?« fragte Maguire hoflich.
Jennifer offnete ihren Diplomatenkoffer und nahm das Memorandum heraus, das sie vorbereitet hatte. Sie reichte es Maguire.
»Ich verlange eine Wiederaufnahme wegen unterlassener Information der klagenden Partei.«
Maguire blatterte die Papiere durch, unbeeindruckt. »Oh, ja«, meinte er. »Diese Bremsengeschichte.«
»Sie wu?ten davon?«
»Naturlich.« Er tippte den Ordner mit einem stammigen Finger an. »Mi? Parker, damit kommen Sie nicht weit. Sie mu?ten beweisen, da? genau der Lastwagen, der in den Unfall verwickelt war, ein defektes Bremssystem hatte. Er wurde aber inzwischen schon ein dutzendmal uberholt, so da? Sie kaum beweisen konnen, in welcher Verfassung er damals war.« Er schob ihr den Ordner wieder zu. »Sie haben nichts in der Hand.«
Jennifer nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. »Ich brauche nur nachzuweisen, was der schlechte Zustand dieser Wagen in den letzten Jahren fur Unfalle herbeigefuhrt hat. Ganz gewohnliche Sorgfalt hatte Ihrem Mandanten klarmachen
mussen, da? sie defekt waren.« Maguire fragte beilaufig: »Was schlagen Sie vor?« »Ich habe eine Mandantin von Anfang Zwanzig, die in einem Zimmer sitzt, das sie fur den Rest ihres Lebens nicht mehr verlassen kann, weil sie weder Arme noch Beine hat. Ich bin auf einen Vergleich aus, der sie wenigstens etwas fur die Qual entschadigt, die sie durchleidet.
Patrick Maguire nahm einen Schluck Kaffee. »Was fur eine Vorstellung haben Sie da?« »Zwei Millionen Dollar.«
Er lachelte. »Das ist eine ganze Menge Geld fur jemanden mit leeren Handen.«
»Wenn ich vor Gericht gehe, Mr. Maguire, dann habe ich keine leeren Hande, das verspreche ich Ihnen. Und ich werde eine ganze Menge mehr als das gewinnen. Wenn Sie uns zwingen, zu klagen, dann werden wir funf Millionen Dollar verlangen.«
Wieder lachelte er. »Sie jagen mir ganz schon Angst ein. Noch etwas Kaffee?« »Nein, danke.« Jennifer stand auf.
»Warten Sie einen Augenblick. Setzen Sie sich, bitte. Ich habe noch nicht nein gesagt.«
»Sie haben auch nicht ja gesagt.«
»Trinken Sie noch etwas Kaffee. Wir kochen ihn selber.« Jennifer dachte an Adam und den Kenya-Kaffee. »Zwei Millionen Dollar sind viel Geld, Mi? Parker.« Jennifer schwieg.
»Ich meine, wenn wir uber einen geringeren Betrag sprachen, konnte ich vielleicht...» Er fuchtelte ausdrucksvoll mit den Handen herum. Jennifer schwieg immer noch.
Schlie?lich sagte Patrick Maguire: »Sie wollen wirklich zwei Millionen, wie?«
»In Wirklichkeit will ich funf Millionen, Mr. Maguire.«
»In Ordnung. Ich nehme an, da la?t sich was arrangieren.« Das war leicht!
»Ich mu? morgen nach London fliegen, aber ich bin in der nachsten Woche wieder hier.«
»Ich mochte diese Sache abschlie?en. Ich wu?te es sehr zu schatzen, wenn Sie so bald wie moglich mit Ihrem Mandanten sprechen wurden. Ich mochte meiner Klientin gern in der nachsten Woche einen Scheck geben konnen.« Patrick Maguire nickte. »Das la?t sich eventuell einrichten.« Auf dem ganzen Weg zuruck ins Buro fuhlte Jennifer sich unwohl. Es war zu einfach gewesen.
Am Abend auf dem Nachhauseweg kaufte sie eine Kleinigkeit in einem Drugstore. Als sie herauskam und uber die Stra?e gehen wollte, bemerkte sie Ken an der Seite eines hubschen blonden Mannes. Sie zogerte, dann trat sie in eine Seitenstra?e, um nicht gesehen zu werden. Kens Privatleben war seine Sache.
An dem Tag, an dem sie mit Patrick Maguire verabredet war, erhielt Jennifer einen Anruf von seiner Sekretarin. »Mr. Maguire bat mich, ihn bei Ihnen zu entschuldigen, Mi? Parker. Er ist heute den ganzen Tag in Besprechungen. Aber es wurde ihn freuen, sich morgen mit Ihnen zu treffen, wenn es Ihnen pa?t.«
»Gut«, sagte Jennifer. »Danke.«
Der Anruf lie? eine Alarmglocke in ihrem Kopf schrillen. Ihr Instinkt hatte sie nicht getrogen. Patrick Maguire hatte etwas vor.
»Keine Anrufe mehr«, lie? Jennifer Cynthia wissen. Dann schlo? sie sich in ihrem Raum ein, ging unruhig auf und ab und versuchte herauszufinden, was sie ubersehen hatte. Zuerst hatte Patrick Maguire sie glauben machen wollen, sie hatte nichts in der Hand. Dann mu?te er gar nicht gro? uberredet werden und willigte ein, Connie Garrett zwei Millionen Dollar zu bezahlen. Jennifer dachte daran, wie unwohl sie sich in dem Augenblick gefuhlt hatte. Seit jenem Zeitpunkt war Patrick Maguire nicht zu erreichen gewesen. Zuerst London - falls er uberhaupt dort gewesen war - und dann die Konferenzen, die ihn die ganze Woche daran gehindert hatten, Jennifers Anrufe zu erwidern. Und jetzt eine weitere Verzogerung. Aber warum? Der einzige Grund konnte darin liegen, da?... Jennifer blieb plotzlich stehen, hob den Horer des Hausapparats ab und rief Dan Martin an. »Konntest du einmal nachsehen, wann genau Connie Garretts Unfall war, Dan? Ich mu? wissen, wann das Verjahrungsgesetz in Kraft tritt.« Zwanzig Minuten spater betrat Dan Martin Jennifers Buro. Sein Gesicht war wei?.
»Wir haben es verpatzt«, sagte er, »deine Ahnung war richtig. Heute war der letzte Tag, an dem wir noch etwas hatten unternehmen konnen.«
Jennifer fuhlte sich plotzlich krank. »Bist du sicher?«
»Ja. Es tut mir leid, Jennifer. Einer von uns hatte das vorher uberprufen mussen. Ich - ich habe nicht daran gedacht.«
»Ich auch nicht.« Jennifer wahlte eine Nummer. »Patrick Maguire, bitte. Jennifer Parker.«
Sie wartete eine halbe Ewigkeit, dann sagte sie strahlend in den Horer: »Hallo, Mr. Maguire, wie war's in London?« Sie lauschte. »Nein, ich war noch nie da... ja, wer wei?, irgendwann vielleicht einmal... Der Grund, aus dem ich anrufe«, fuhr sie beilaufig fort, »ist Connie Garrett. Ich habe gerade mit ihr gesprochen. Wie ich schon sagte, will sie nur vor Gericht gehen, wenn sie unbedingt mu?. Deshalb dachte ich, wenn wir heute zu einer Ubereinkunft...«
Patrick Maguires Lachen schien den Horer sprengen zu wollen. »Netter Versuch, Mi? Parker. Heute tritt das Verjahrungsgesetz in Kraft. Niemand wird mehr irgend jemanden verklagen. Wenn Sie sich mit einem Mittagessen irgendwann zufriedengeben, konnen wir gern ein wenig uber den launischen Finger des Schicksals plaudern.« Jennifer versuchte, ihren Arger nicht durchklingen zu lassen, als sie sagte: »Das war ein ziemlich mieser Trick, Freundchen.«
»Wir leben in einer ziemlich miesen Welt, Freundchen«, erwiderte Maguire und lachte in sich hinein. »Es geht nicht darum, wie man spielt - es geht darum, zu gewinnen oder nicht, richtig?«
»Sie sind nicht schlecht, Schatzchen, aber ich bin schon etwas langer im Geschaft als Sie. Sagen Sie Ihrer Mandantin, ich wunsche ihr mehr Gluck beim nachsten Mal.« Und er hangte auf. Jennifer starrte den Horer in ihrer