einzige Bindeglied zwischen dem Angeklagten und dem Verbrechen die Phantasie des Anklagers.«
Der Richter starrte auf Jennifer herab und fragte mit unheilvoller Zuruckhaltung: »Und was ist mit dem Computer, der ihn ausgespuckt hat?«
Jennifer seufzte. »Da kommen wir zu einem Problem, Euer Ehren.«
Richter Stevens sagte grimmig: »Allerdings. Es ist leicht, einen lebendigen Zeugen durcheinanderzubringen, aber bei einem Computer durfte das ziemlich schwierig sein.« Carter Gifford nickte selbstgefallig. »Genau, Euer Ehren.« Jennifer wandte sich an Gifford. »Das FBI hat den IBM 370/168 benutzt, nicht wahr?«
»Das stimmt. Es ist die modernste, praziseste Anlage der Welt.«
Richter Stevens fragte Jennifer: »Will die Verteidigung die Fahigkeiten dieses Computers in Frage stellen?«
»Im Gegenteil, Euer Ehren. Ich habe einen Computerexperten mitgebracht, der fur die Gesellschaft arbeitet, die den 370/168 herstellt. Er hat das Programm eingespeichert, das den Namen meines Klienten ausgespuckt hat.«
»Wo ist er?«
Jennifer drehte sich um und winkte einem gro?en, dunne n Mann, der auf einer der Banke sa?. Nervos trat er vor. Jennifer sagte: »Dies ist Mr. Edward Monroe.«
»Wenn Sie mit meinem Zeugen herumgepfuscht haben«, explodierte der Bundesanwalt, »dann...«
»Ich habe Mr. Monroe nur gebeten, den Computer zu fragen, ob es noch andere mogliche Verdachtige gabe. Ich habe zehn Leute ausgewahlt, die in bestimmten wichtigen Charakteristiken meinem Mandanten ahneln. Zum Zweck der Identifizierung hat Mr. Monroe den Computer mit Angaben bezuglich Alter, Gro?e, Gewicht, Augenfarbe, Geburtsort und so weiter gefuttert - genau jene Art von Daten, die dazu gefuhrt hatten, da? der Computer den Namen meines Mandanten ausspuckte.«
Ungeduldig fragte Richter Stevens: »Worauf wollen Sie hinaus, Mi? Parker?«
»Ich will darauf hinaus, da? der Computer einen der zehn Leute als Hauptverdachtigen des Bankuberfalls identifizierte.«
Richter Stevens wandte sich an Edward Monroe. »Stimmt das?«
»Ja, Euer Ehren.« Edward Monroe offnete seine Aktentasche und holte einen Computerbogen heraus. Der Gerichtsdiener nahm ihn entgegen und reichte ihn Richter Stevens. Stevens warf einen Blick darauf, und sein Gesicht wurde rot. Er blickte Edward Monroe an. »Soll das ein Witz sein?«
»Nein, Sir.«
»Der Computer hat mich als moglichen Verdachtigen genannt?« fragte Richter Stevens. »Ja, Sir. So ist es.«
Jennifer erklarte: »Der Computer hat keinen Verstand, Euer Ehren. Er kann nur auf die Informationen antworten, mit denen er gefuttert wird. Zufalligerweise haben Sie und mein Mandant das gleiche Gewicht, die gleiche Gro?e und sind im gleichen Alter. Sie beide fahren einen grunen Sedan, und sie stammen beide aus demselben Staat. Das sind die gleichen Beweise, die der Anklager hat. Der einzige andere Faktor ist die Art, auf die der Raub begangen wurde. Als Paul Richards vor zehn Jahren jenen Bankraub ausgefuhrt hat, haben Millionen Menschen davon gelesen. Jeder von ihnen konnte seinen modus operandi nachgeahmt haben. Und jemand hat es auch getan.« Jennifer deutete auf den Papierbogen in Richter Stevens' Hand. »Das beweist, wie locherig die Anklage des Staates ist.«
»Euer Ehren...«, sprudelte Carter Gifford hervor und hielt inne. Er wu?te nicht, was er noch sagen sollte. Richter Stevens blickte auf den Computerbogen in seiner Hand und dann auf Jennifer.
»Was hatten Sie getan?« fragte er, »wenn der Richter ein jungerer Mann von dunnerer Statur mit einem blauen Wagen gewesen ware?«
»Der Computer hat mir noch zehn andere mogliche Verdachtige gegeben«, antwortete Jennifer. »Meine nachste Wahl ware Staatsanwalt Robert Di Silva gewesen.«
Jennifer sa? in ihrem Buro und las die Schlagzeilen, als Cynthia ankundigte: »Mr. Paul Richards ist da.«
»Schicken Sie ihn herein, Cynthia.«
Er betrat das Buro in einem schwarzen Regenmantel und trug eine Platzchendose mit einem rosa Band darum in den Handen. »Ich wollte mich nur bei Ihnen bedanken.« »Sehen Sie, manchmal siegt wirklich die Gerechtigkeit.«
»Ich verlasse die Stadt. Ich habe beschlossen, einen kleinen Urlaub anzutreten.« Er gab Jennifer die Dose. »Ein kleines Zeichen meiner Wertschatzung?«
»Danke schon, Paul.«
Er sah sie bewundernd an. »Ich finde Sie sagenhaft!« Und dann war er gegangen.
Jennifer blickte auf die Platzchendose auf ihrem Tisch und lachelte. Bei den meisten Fallen, die sie fur Pater Ryan erledigt hatte, war ihr Honorar noch bescheidener gewesen. Wenn sie jetzt dick wurde, war es Pater Ryans Schuld. Jennifer loste das Band und offnete die Dose. Sie blickte auf zehntausend Dollar in gebrauchten Scheinen.
Als Jennifer eines Nachmittags das Gerichtsgebaude verlie?, bemerkte sie einen gro?en, schwarzen, von einem Chauffeur gelenkten Cadillac am Stra?enrand. Sie wollte daran vorbeigehen. Eine Tur offnete sich, und Michael Moretti sprang heraus.
»Ich habe auf Sie gewartet.« Er strahlte uberwaltigende Vitalitat aus. »Gehen Sie mir aus dem Weg«, sagte Jennifer. Ihr Gesicht war vor Zorn gerotet, und sie war sogar noch schoner, als Michael Moretti sie in Erinnerung hatte.
»He«, sagte er lachend, »regen Sie sich nicht auf. Ich will nur mit Ihnen reden. Sie brauchen mir blo? zuzuhoren. Ich bezahle Sie fur Ihre Zeit.«
»Dazu haben Sie nicht genug Geld, niemals.« Sie wollte sich wieder in Bewegung setzen. Michael Moretti legte ihr versohnlich die Hand auf den Arm. Allein die Beruhrung lie? seine Erregung wachsen.
Er wandte seinen ganzen Charme auf. »Seien Sie doch vernunftig. Sie wissen ja gar nicht, was Sie ablehnen, solange Sie nicht gehort haben, was ich Ihnen sagen will. Zehn Minuten, mehr brauche ich nicht. Ich setze Sie an Ihrem Buro ab. Wir konnen auf der Fahrt reden.«
Jennifer musterte ihn eine Sekunde lang und sagte dann: »Unter einer Bedingung fahre ich mit. Ich mochte, da? Sie mir eine Frage beantworten.« Michael nickte. »Klar. Schie?en Sie los.«
»Wessen Idee war es, mich mit dem toten Kanarienvogel hereinzulegen?«
Ohne zu zogern, antwortete er: »Meine.« Jetzt wu?te sie also Bescheid. Und sie hatte ihn am liebsten ermordet. Grimmig bestieg sie die Limousine, und Michael Moretti glitt neben sie. Jennifer bemerkte, da? er dem Fahrer die Adresse ihres Buros gab, ohne sie fragen zu mussen. Als die Limousine sich in den Verkehr einfadelte, sagte er: »Ich bin froh, da? bei Ihnen alles so gro?artig lauft.« Jennifer gab sich nicht die Muhe, zu antworten. »Das ist meine ehrliche Meinung.«
»Sie haben mir noch nicht gesagt, was Sie von mir wollen.« »Ich will Sie reich machen.«
»Danke. Ich bin reich genug.« Ihre Stimme konnte die Verachtung, die sie fur ihn empfand, nicht verbergen. Michael Morettis Gesicht rotete sich. »Ich will Ihnen einen Gefallen tun, und Sie wehren sich dagegen!« Jennifer blickte ihn an. »Ich will keine Gefallen von Ihnen.« Er lie? seine Stimme versohnlich klingen. »Okay. Vielleicht mochte ich das, was ich Ihnen angetan habe, wiedergutmachen. Sehen Sie, ich kann Ihnen einen Haufen Klienten schicken. Wichtige Klienten. Das gro?e Geld. Sie haben keine Ahnung...«
Jennifer unterbrach ihn: »Mr. Moretti, tun Sie uns beiden einen Gefallen. Sagen Sie kein Wort mehr.«
»Aber ich kann...«
»Ich werde weder Sie noch einen Ihrer Freunde vertreten.«
»Warum nicht?«
»Weil Sie mich dann in der Hand hatten.«
»Sie haben mich falsch verstanden«, protestierte Michael. »Meine Freunde sind in ganz seriosen Geschaftszweigen. Ich meine Banken, Versicherungsgesellschaften...«
»Sparen Sie sich Ihre Puste. Meine Dienste stehen der Mafia nicht zur Verfugung.«
»Wer hat etwas von der Mafia gesagt?«
»Nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich gehore niemandem. Und ich mochte, da? es so bleibt.« Die Limousine hielt an einer roten Ampel. Jennifer sagte: »Das ist nah genug. Danke furs Mitnehmen.« Sie offnete die Tur und stieg aus. Michael fragte: »Wann kann ich Sie wiedersehen?«