»Nie, Mr. Moretti.«

Michael sah ihr nach, als sie davonging. Mein Gott, dachte er, was fur eine Frau! Er merkte plotzlich, da? er eine Erektion hatte, und grinste, denn er wu?te, da? er Jennifer auf die eine oder andere Weise doch noch kriegen wurde.

23

Es war Ende Oktober, zwei Wochen vor der Wahl, und das Rennen um den Sitz im Senat war in vollem Gange. Adam trat gegen den Amtsinhaber an, Senator John Trowbridge, einen politischen Veteranen, und die Fachleute sagten ubereinstimmend ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus. Jennifer sa? abends zu Hause und sah sich im Fernsehen eine Debatte zwischen Adam und seinem Gegenspieler an. Mary Beth hatte recht gehabt. Eine Scheidung hatte Adams wachsende Siegesaussichten leicht zerstoren konnen.

Als Jennifer nach einem langen Geschaftsessen in ihr Buro zuruckkehrte, fand sie eine dringende Nachricht von Rick Arien vor. Sie sollte ihn umgehend zuruckrufen. »Er hat in der letzten halben Stunde mindestens dreimal angerufen«, sagte Cynthia.

Rick Arien war ein Rockstar, der beinahe uber Nacht zum hei?esten Sanger der Welt geworden war. Jennifer hatte schon vorher gehort, da? Musikstars enorme Summen verdienten, aber ehe sie in die Angelegenheiten von Rick Arien verwickelt wurde, hatte sie keine Ahnung, was das wirklich bedeutete. Mit Schallplatten, Live-Auftritten, Reklame und, neuerdings, Filmen nahm Rick Arien mehr als funfzehn Millionen Dollar im Jahr ein. Rick war funfundzwanzig Jahre alt, ein Farmjunge aus Alabama, der mit einer Goldmine in der Kehle geboren worden war.

»Versuchen Sie, ihn zu erreichen«, sagte Jennifer. Funf Minuten spater war er in der Leitung. »He, Schatz, ich hab seit Stunden versucht, Sie zu erreichen.«

»Entschuldigung, Rick, ich war in einer Besprechung.«

»Ich hab 'n Problem. Mu? Sie sehen.«

»Konnen Sie heute nachmittag in mein Buro kommen?«

»Glaube ich nicht. Ich bin in Monte Carlo, geb 'n

Wohltatigkeitskonzert fur Grace und den Fursten. Wie schnell konnen Sie hier sein?«

»Ich kann unmoglich hier weg«, protestierte Jennifer. »Ich habe einen Haufen Arbeit auf meinem Tisch und...«

»Baby, ich brauche Sie. Sie mussen heute nachmittag noch einen Vogel nehmen.« Und er hangte auf.

Jennifer dachte nach. Rick Arien hatte sein Problem nicht am Telefon erortern wollen. Es konnte sich um alles handeln, Drogen, Madchen, Jungen. Sie erwog, Ted Harris oder Dan Martin nach Monte Carlo zu schicken, um sich des Problems anzunehmen, aber sie mochte Rick Arien. Schlie?lich entschied sie sich dafur, selber zu fliegen. Sie versuchte, Adam zu erreichen, bevor sie abreiste, aber er war nicht in seinem Buro. Sie bat Cynthia, ihr einen Air-France-Flug nach Nizza zu buchen und fur einen Wagen zu sorgen, der sie nach Monte Carlo bringen wurde. Zwanzig Minuten spater hatte sie eine Reservierung fur einen Flug am selben Abend.

»Es gibt eine Hubschrauberverbindung von Nizza direkt nach Monte Carlo«, sagte Cynthia. »Ich habe einen Platz fur Sie gebucht.«

»Sehr gut. Danke.«

Als Ken Bailey horte, warum Jennifer verreiste, sagte er: »Fur was, zum Teufel, halt dieser Knilch sich eigentlich?«

»Er halt sich fur das, was er ist, Ken? Einen unserer wichtigsten Mandanten.«

»Wann wirst du zuruck sein?«

»Es durfte nicht langer als drei oder vier Tage dauern.«

»Hier sieht alles anders aus, wenn du nicht da bist. Ich werde dich vermissen.«

Jennifer fragte sich, ob er sich immer noch mit dem blonden jungen Mann traf. »Halt die Stellung, bis ich wieder da bin.«

Normalerweise geno? Jennifer das Fliegen. In der Luft war sie frei von Zwangen. Die Zeit zwischen Himmel und Erde war wie eine Flucht vor den Problemen, die sie auf der Erde bedrangten, eine ruhige Oase, die ihr Schutz vor den Mandanten mit ihren endlosen Forderungen und Wunschen gewahrte. Dieser Flug uber den Atlantik aber verlief, aus welchen Grunden auch immer, unangenehm. Das Flugzeug schaukelte und fiel, ihr Magen revoltierte. Als sie am nachsten Morgen in Nizza gelandet waren, fuhlte sie sich ein wenig besser. Der Hubschrauber wartete bereits, um sie nach Monte Carlo zu bringen. Jennifer war nie zuvor in einem Hubschrauber geflogen, und sie hatte sich darauf gefreut. Aber durch das plotzliche Abheben und die ruckartigen Bewegungen wurde ihr wieder schlecht, und sie konnte dem majestatischen Anblick der Alpen und der Grande Corniche mit ihren Miniaturautos, die an den Bergen entlangkrochen, keine rechte Freude abgewinnen. Die Hauser von Monte Carlo tauchten auf. Einige Minuten spater landete der Hubschrauber vor dem modernen wei?en Sommercasino an der Kuste.

Cynthia hatte Jennifer telefonisch angekundigt, und Rick Arien erwartete sie bereits. Er umarmte sie herzlich. »Wie war die Reise?«

»Etwas rauh.«

Er betrachtete sie genauer. »Sie sehen nicht besonders gut aus. Ich nehme Sie mit in mein Haus, dort konnen Sie sich fur die gro?e Feier heute abend ausruhen.«

»Welche gro?e Feier?«

»Die Gala. Deswegen sind Sie ja hier.«

»Was?«

»Ja, Mann. Grace hat mir gesagt, ich konne einladen, wen ich mochte. Ich wollte Sie.«

»Oh, Rick!«

Jennifer hatte ihn mit Freuden erwurgt. Er hatte ja keine Ahnung, wie sehr er ihr Leben auseinandergerissen hatte. Sie war dreitausend Meilen von Adam entfernt, sie hatte Mandanten, die sie brauchten, Gerichtsverhandlungen - und sie war nach Monte Carlo gelockt worden, um auf eine Party zu gehen.

Jennifer sagte: »Rick, wie konnten Sie...?« Sie sah sein strahlendes Gesicht und mu?te lachen. Na gut, sie war da. Abgesehen davon, vielleicht wurde die Gala ja ganz lustig werden.

Die Gala war hinrei?end. Sie fand im Freien vor dem Sommercasino statt. Ihre furstlichen Hoheiten Gracia und Rainier Grimaldi hatten die Schirmherrschaft ubernommen, der Erlos kam Waisenkindern zugute.

Es war ein milder Abend. Die Nachtluft war lau, und eine schwache, vom Mittelmeer landeinwarts wehende Brise raschelte in den hohen Palmen. Jennifer wunschte, Adam konnte bei ihr sein, um den Abend gemeinsam mit ihr zu genie?en.

Die funfzehnhundert Platze waren ausverkauft, und das Publikum schrie vor Begeisterung. Ein halbes Dutzend internationaler Stars trat auf, aber Rick Arien war die Hauptattraktion. Er wurde von einer wilden Dreimannband begleitet. Psychedelische Lichtblitze stachen in den samtenen Himmel. Als Rick geendet hatte, sprang das Publikum auf und applaudierte ihm stehend.

Hinterher fand eine Privatparty im Piscine, unterhalb des Hotel de Paris, statt. Neben dem uberdimensionalen Swimmingpool, in dem Dutzende von brennenden Kerzen auf lilienwei?en Untersatzen trieben, wurden Cocktails und ein kaltes Buffet serviert.

Jennifer schatzte, da? sich mehr als dreihundert Menschen um den Pool drangten. Sie hatte kein Abendkleid mitgebracht, und sie brauchte die teuer herausgeputzten Frauen nur anzuschauen, um sich wie die arme kleine Schwester aus dem Marchen zu fuhlen. Rick stellte sie Fursten, Herzoginnen und Prinzessinnen vor. Ihr schien, da? sich der halbe Adel Europas hier versammelt hatte. Sie traf Vorsitzende multinationaler Konzerne und beruhmte Opernsanger, Couturiers, reiche Erbinnen und sogar den gro?en Fu?ballspieler Pele. Jennifer unterhielt sich gerade mit zwei Schweizer Bankiers, als eine Welle vo n Ubelkeit sie zu verschlingen drohte. »Bitte entschuldigen Sie mich«, sagte sie. Sie suchte Rick Arien. »Rick, ich...«

Er warf einen Blick auf sie und sagte: »Sie sind leichenbla?, Baby. Kommen Sie, wir hauen ab.«

Drei?ig Minuten spater lag Jennifer in einem Bett in der Villa, die Rick Arien gemietet hatte. »Der Arzt ist unterwegs«, sagte Rick.

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