»Ich brauche keinen Arzt. Es ist nur ein Virus oder so was.« »Genau. Und das Sowas schaut sich der Doktor jetzt an.«
Dr. Andre Monteux war ein reisigdurrer Mann vo n ungefahr achtzig Jahren. Er hatte einen sauber gestutzten Vollbart und trug eine schwarze Arzttasche.
Er wandte sich an Rick Arien: »Wurden Sie uns bitte allein lassen?«
»Klar. Ich warte drau?en.«
Der Arzt trat naher an das Bett heran. »Alors, was haben wir denn?«
»Wenn ich das wu?te«, antwortete Jennifer, »dann lagen Sie hier und ich wurde Sie besuchen.«
Er setzte sich auf den Bettrand. »Wie fuhlen Sie sich?« »Als hatte ich die Beulenpest.«
»Strecken Sie die Zunge heraus, bitte.« Jennifer streckte die Zunge heraus und sagte Aaah. Dr. Monteux nahm ihren Puls und ma? die Temperatur. Als er fertig war, fragte Jennifer: »Was ist es Ihrer Meinung nach, Doktor?«
»Es kann eine ganze Menge sein, schone Frau. Wenn Sie sich morgen wohl genug fuhlen, wurde ich Sie bitten, in meine Praxis zu kommen, wo ich eine genauere Untersuchung vornehmen kann.«
Jennifer fuhlte sich zu krank, um zu widersprechen. »Gut«, sagte sie. »Ich werde kommen.«
Am nachsten Morgen fuhr Rick Arien Jennifer nach Monte Carlo, und Dr. Monteux untersuchte sie grundlicher. »Es handelt sich um irgendeinen Bazillus, nicht?« wollte Jennifer wissen.
»Wenn Sie eine Prophezeiung haben wollen, dann lasse ich einen Wahrsager kommen«, antwortete der Arzt. »Wenn Sie aber erfahren wollen, was Ihnen fehlt, dann werden wir uns gedulden mussen, bis die Laborberichte da sind.«
»Wann ist das?«
»Normalerweise dauert es zwei oder drei Tage.« Jennifer wu?te, da? sie auf keinen Fall zwei oder drei Tage hier bleiben konnte. Adam konnte sie brauchen. Sie wu?te, da? sie ihn brauchte.
»In der Zwischenzeit sollten Sie im Bett bleiben und sich ausruhen.« Er gab ihr ein Flaschchen mit Pillen. »Das wird Ihnen helfen, sich zu entspannen.«
»Danke.« Jennifer kritzelte etwas auf ein Blatt Papier. »Unter dieser Nummer konnen Sie mich erreichen.« Erst als Jennifer die Praxis verlassen hatte, blickte Dr. Monteux auf das Papier. Jennifer hatte eine New Yorker Telefonnummer aufgeschrieben.
Auf dem Flugplatz Charles De Gaulle in Paris, wo sie in ein anderes Flugzeug umstieg, nahm Jennifer zwei von den Pillen, die Dr. Monteux ihr gegeben hatte, und eine Schlaftablette. Sie schlief fast den ganzen Ruckflug nach New York uber, aber als sie das Flugzeug verlie?, fuhlte sie sich nicht besser. Sie hatte niemanden gebeten, sie abzuholen, so da? sie ein Taxi zu ihrer Wohnung nehmen mu?te. Am spaten Nachmittag klingelte das Telefon. Es war Adam. »Jennifer! Wo bist du...?«
Sie versuchte, ihrer Stimme einen energischen Klang zu geben. »Es tut mir leid, Liebling. Ich mu?te wegen eines Klienten nach Monte Carlo, und ich konnte dich vorher nicht erreichen.«
»Ich habe mich halb zu Tode geangstigt. Geht es dir gut?«
»Ja, danke. Ich - ich bin nur etwas erschopft wegen der ganzen Rennerei.«
»Mein Gott, ich hatte schon die schrecklichsten Dinge befurchtet.«
»Es besteht kein Grund zur Sorge«, versicherte Jennifer. »Wie lauft der Wahlkampf?«
»Gut. Wann kann ich dich sehen? Ich sollte eigentlich nach Washington fahren, aber ich kann das verschieben und...«
»Nein, fahr du nur«, sagte Jennifer. Sie wollte nicht, da? Adam sie so sah. »Ich habe viel zu tun. Wir verbringen das nachste Wochenende miteinander.«
»In Ordnung.« Er zogerte. »Falls du um elf nichts zu tun hast, ich bin in den CBS-Nachrichten.«
»Ich schaue es mir an, Liebling.« Funf Minuten, nachdem sie den Horer aufgelegt hatte, war Jennifer eingeschlafen.
Am nachsten Morgen rief sie Cynthia an, um ihr mitzuteilen, da? sie nicht ins Buro kommen wurde. Sie hatte schlecht geschlafen und fuhlte sich beim Aufwachen immer noch nicht besser. Sie versuchte zu fruhstucken, konnte aber nichts bei sich behalten. Sie fuhlte sich schwach. Seit drei Tagen hatte sie fast nichts gegessen.
Widerstrebend uberlegte sie sich die Krankheiten, von denen sie befallen sein konnte. Krebs, zum Beispiel. Sie tastete ihre Bruste nach Knoten ab, spurte aber nichts. Allerdings konnte der Krebs uberall zuschlagen. Es konnte auch ein Virus sein, aber das hatte der Doktor bestimmt sofort gemerkt. Das Problem war, da? es sich um beinahe alles handeln konnte. Jennifer fuhlte sich verloren und hilflos. Sie war kein Hypochonder, denn sie war immer in blendender Verfassung gewesen, und jetzt fuhlte sie sich, als ob ihr Korper sie betrogen hatte. Sie hatte es nicht ertragen konnen, wenn es etwas Ernstes gewesen ware. Nicht jetzt, wo alles so wundervoll war. Nein, sie wurde gesund werden. Ganz bestimmt. Eine neue Ubelkeitswelle uberkam sie.
Um elf Uhr am selben Morgen rief Dr. Monteux aus Monte Carlo an. Eine Stimme sagte: »Einen Moment, bitte. Ich stelle den Doktor durch.«
Aus dem Moment wurden hundert Jahre, und Jennifer umklammerte den Horer. Das Warten war unertraglich. Schlie?lich vernahm sie die Stimme des Arztes. »Wie fuhlen Sie sich?«
»Noch genauso«, antwortete Jennifer nervos. »Haben Sie die Ergebnisse der Untersuchungen?«
»Gute Neuigkeiten. Es ist nicht die Beulenpest.« Jennifer hielt es nicht mehr aus. »Was fehlt mir?«
»Fehlen? Eher das Gegenteil. Sie bekommen ein Baby.« Wie betaubt starrte Jennifer das Telefon an. Als sie ihre Stimme wiedergefunden hatte, fragte sie: »Sind - sind Sie sicher?«
»Storche lugen nicht. Ich nehme an, das ist Ihr erstes Baby?«
»Ja.«
»Ich wurde vorschlagen, da? Sie so schnell wie moglich einen Gynakologen aufsuchen. Die Heftigkeit der ersten Symptome la?t auf einige Schwierigkeiten bei der Geburt schlie?en.«
»Einverstanden«, sagte Jennifer. »Danke fur Ihren Anruf, Dr. Monteux.«
Sie legte den Horer auf und sa? nur da, vollig durcheinander. Sie war nicht sicher, wann das passiert sein mochte und was sie davon halten sollte. Sie konnte nicht klar denken. Sie trug Adams Baby in sich. Und plotzlich wu?te Jennifer, wie sie sich fuhlte. Sie fuhlte sich fabelhaft; sie fuhlte sich, als hatte sie ein unschatzbar wertvolles Geschenk erhalten. Der Zeitpunkt war perfekt, als waren die Gotter auf ihrer Seite. Bald wurde die Wahl voruber sein, sie und Adam wurden heiraten. Es wurde ein Junge werden. Jennifer wu?te es. Sie konnte es gar nicht erwarten, Adam die Neuigkeit zu eroffnen.
Sie rief sein Buro an.
»Mr. Warner ist nicht da«, informierte sie seine Sekretarin. »Versuchen Sie es doch bei ihm zu Hause.« Es widerstrebte ihr, Adam zu Hause anzurufen, aber sie platzte beinahe. Sie wahlte seine Nummer. Mary Beth hob ab. »Es tut mir leid, da? ich Sie belastige«, entschuldigte sich Jennifer. »Hier ist Jennifer Parker. Ich hatte etwas mit Adam zu besprechen.«
»Es freut mich, da? Sie angerufen haben«, sagte Mary Beth. Die Warme in ihrer Stimme war ermutigend. »Adam mu? einen Vortrag halten, aber gegen Abend wird er wieder hier sein. Warum kommen Sie nicht heraus? Wir konnten zusammen zu Abend essen. Sagen wir, um sieben?« Jennifer zogerte einen Moment. »Das ware schon.«
Es war ein Wunder, da? Jennifer auf der Fahrt nach Crotonon-Hudson keinen Unfall hatte. Sie war vollig geistesabwesend, beschaftigt mit Traumen von der Zukunft. Sie und Adam hatten oft davon gesprochen, Kinder zu haben. Sie konnte sich genau an seine Worte erinnern. Ich mochte einen Jungen und ein Madchen, die genau wie du aussehen.
Als Jennifer die Stra?e entlangfuhr, glaubte sie, eine leichte Bewegung in ihrem Scho? zu spuren, aber sie sagte sich, da? sie phantasierte. Es war viel zu fruh. Aber es wurde nicht mehr lange dauern. Adams Baby wuchs in ihr. Es war am Leben und wurde bald zu treten beginnen. Es war ehrfurchtgebietend, uberwaltigend. Sie...
Jennifer horte, wie jemand sie drohnend anhupte. Sie blickte auf und sah, da? sie beinahe einen Lastwagen von der Stra?e gedrangt hatte. Sie lachelte den Fahrer entschuldigend an und fuhr weiter. Nichts konnte diesen Tag verderben.
Es war dunkel, als Jennifer den Wagen vor dem Haus der Warners ausrollen lie?. Feiner Schnee rieselte vom Himmel und bestaubte die Baume. Mary Beth, gekleidet in ein langes, blaues Brokatkleid, offnete die Haustur, begru?te Jennifer, nahm ihren Arm und fuhrte sie ins Haus. Ihre Warme erinnerte Jennifer an den Tag, da sie sich zum erstenmal gesehen hatten.
Mary Beth wirkte sehr glucklich. Sie plauderte uber dies und das, damit Jennifer sich wohl fuhlte. Sie gingen