anhalt, sagte der NBC-Computer Senator Trowbridge den Sieg in diesem Kampf um die nachste Amtszeit im Senat der Vereinigten Staaten voraus. Das Wettrennen zwischen...«

Jennifer sa? da und starrte auf den Fernsehapparat, ihr Herz klopfte. Es war, als wenn Millionen von Menschen zur Wahl daruber aufgerufen seien, ob es Adam und Jennifer oder Adam und Mary Beth hei?en sollte. Jennifer fuhlte sich hohl und schwach. Sie mu?te daran denken, irgendwann etwas zu essen. Aber nicht jetzt. Im Augenblick spielten nur die Geschehnisse auf dem Fernsehschirm vor ihr eine Rolle. Minute fur Minute, Stunde fur Stunde wuchs die Spannung. Um Mitternacht lag Senator Trowbridge um dreieinhalb Prozent in Fuhrung. Um zwei Uhr morgens, nachdem achtundsiebzig Prozent der Stimmen ausgezahlt waren, fuhrte er immer noch, allerdings nur um zweieinhalb Prozent. Der Hochrechnung des Computers nach hatte Senator Trowbridge die Wahl gewonnen.

Jennifer starrte auf den Fernsehapparat. Jedes Gefuhl, jede Empfindung schienen sie verlassen zu haben. Adam hatte verloren. Jennifer war der Sieger. Sie hatte Adam und ihren Sohn gewonnen. Jetzt konnte sie es ihm sagen, jetzt konnte sie ihm von dem Kind erzahlen und Plane fur die Zukunft schmieden. Jennifers Herz blutete fur Adam, denn sie wu?te, wieviel die Wahl ihm bedeutet hatte. Aber mit der Zeit wurde er daruber hinwegkommen. Eines Tages wurde er es noch einmal versuchen, und sie wurde ihm helfen. Er war noch jung. Die Welt lag vor ihnen, und sie waren zu dritt.

Jennifer schlief auf der Couch ein. Sie traumte von Adam, der Wahl und dem Wei?en Haus. Sie, Adam und ihr Sohn befanden sich im ovalen Zimmer. Adam hielt seine Jungfernrede. Mary Beth trat ein und begann, ihn zu unterbrechen. Adam schrie sie an, und seine Stimme wurde lauter und lauter. Jennifer erwachte. Die Stimme gehorte Edwin Newman. Der Fernsehapparat lief noch immer. Es dammerte. Edwin Newman sah erschopft aus. Er las die endgultigen Wahlergebnisse vor. Noch immer im Halbschlaf lauschte Jennifer seinen Worten.

Als sie gerade aufstehen wollte, um den Apparat auszustellen, horte sie Newman sagen: »Und hier das endgultige Ergebnis der Senatswahlen im Staat New York. In einem der spannendsten Rennen der letzten Jahre hat Adam Warner seinen Vorganger Senator John Trowbridge mit einer Spanne von weniger als einem Prozent geschlagen.« Es war vorbei. Jennifer hatte verloren.

26

Als Jennifer am spaten Vormittag das Buro betrat, sagte Cynthia: »Mr. Adams ist in der Leitung, Mi? Parker. Er hat schon den ganzen Morgen angerufen.«

Jennifer zogerte, dann sagte sie: »Gut, Cynthia, stellen Sie ihn durch.« Sie ging in ihr Buro und nahm den Horer ab. »Hallo, Adam. Herzlichen Gluckwunsch.«

»Danke. Ich mu? mit dir reden. Bist du zum Mittagessen noch frei?«

Jennifer zogerte. »Ja.«

Fruher oder spater mu?te sie es hinter sich bringen.

Sie sahen sich das erste Mal seit drei Wochen. Sie studierte sein Gesicht. Adam sah hager und erschopft aus. Eigentlich hatte er vor Siegesfreude strahlen sollen, aber statt dessen wirkte er seltsam nervos und beunruhigt. Sie bestellten etwas zu essen, lie?en es aber beide stehen, und sie sprachen uber die Wahl, aber ihre Worte sollten nur ihre Gedanken verschleiern.

Die Charade war beinahe unertraglich geworden, als Adam schlie?lich begann: »Jennifer...« Er holte tief Luft und lie? sich dann ins kalte Wasser fallen: »Mary Beth bekommt ein Kind.« Diese Worte aus seinem Mund zu horen, verlieh ihnen grauenhafte Endgultigkeit. »Es - es ist einfach passiert. Es ist schwer zu erklaren.«

»Du brauchst nichts zu erklaren.« Jennifer konnte die Szene klar und deutlich vor sich sehen. Mary Beth in einem aufreizenden Neglige - oder nackt - und Adam... »Ich komme mir vor wie der gro?te Dummkopf der Welt«, sagte Adam. Unbehagliches Schweigen kam auf, und er fuhr fort. »Heute morgen habe ich einen Anruf vom Nationalen Komitee der Partei erhalten. Man spricht davon, mich zum nachsten Prasidentschaftskandidaten aufzubauen.« Er zogerte. »Das Problem ist, da? es fur mich sehr ungunstig ware, wenn ich mich scheiden lie?e, solange Mary Beth schwanger ist. Ich wei? einfach nicht, was ich tun soll. Ich habe drei Nachte lang nicht geschlafen.« Er blickte Jennifer an und sagte: »Ich finde es grauenhaft, dich darum bitten zu mussen, aber - ware es moglich, da? wir noch etwas warten, bis die Dinge sich von selbst beruhigt haben?« Jennifer blickte Adam uber den Tisch an und fuhlte einen so tiefen Schmerz, ein so unertragliches Gefuhl von Verlust, da? sie glaubte, es nicht ertragen zu konnen. »In der Zwischenzeit sehen wir uns so oft wie moglich«, sagte Adam. »Wir...«

Jennifer zwang sich, etwas zu sagen. Sie sagte: »Nein, Adam. Es ist aus.«

Er starrte sie an. »Das meinst du doch nicht im Ernst, Liebling. Wir werden einen Weg finden...«

»Es gibt keinen Weg. Deine Frau und dein Kind werden nicht einfach vom Erdboden verschwinden. Zwischen dir und mir ist alles zu Ende. Es war schon, Adam. Ich habe jede Minute genossen.« Sie stand auf, denn sie wu?te, da? sie zu schreien beginnen wurde, wenn sie nicht auf der Stelle das Restaurant verlie?.

»Wir werden uns nie wiedersehen.«

Sie konnte es nicht ertragen, in seine von plotzlichem Schmerz erfullten Augen zu blicken.

»Um Himmels willen, Jennifer! Tu das nicht. Bitte, tu das nicht! Wir...«

Den Rest verstand sie nicht mehr. Sie hastete auf die Tur zu, hinaus aus dem Restaurant, hinaus aus Adams Leben.

27

Adams Anrufe wurden weder angenommen noch erwidert. Seine Briefe wurden ungeoffnet zuruckgesandt. Auf den letzten Brief, den Jennifer erhielt, schrieb sie das Wort »Verstorben« und warf ihn wieder in den Briefkasten. Das stimmt auch, dachte Jennifer. Ich bin tot.

Sie hatte nie gewu?t, da? Schmerz so heftig sein konnte. Sie mu?te allein sein, und dennoch war sie nicht allein. Ein anderes menschliches Wesen wuchs in ihr heran, ein Teil von ihr, ein Teil von Adam. Und sie wurde es zerstoren. Sie zwang sich, daruber nachzudenken, wo sie die Abtreibung vornehmen lassen wurde... Vor ein paar Jahren hatte eine Abtreibung irgendeinen Quacksalber in einem schabigen Hinterzimmer uber einer schmutzigen Seitengasse bedeutet, aber wenigstens das war jetzt nicht mehr unumganglich. Sie konnte sich in eine Klinik begeben und die Operation von einem angesehenen Chirurgen durchfuhren lassen. Irgendwo au?erhalb von New York City. Jennifers Foto war zu oft in der Zeitung erschienen, sie war zu haufig im Fernsehen aufgetreten. Sie brauchte Anonymitat, irgendeinen Ort, an dem keine Fragen gestellt wurden. Es durfte nie, nie eine Verbindung zwischen ihr und Adam Warner hergestellt werden konnen. Senator Adam Warner. Ihr Baby mu?te unbekannt sterben. Einmal versuchte Jennifer sich vorzustellen, wie das Baby wohl ausgesehen hatte, und sie begann so heftig zu weinen, da? sie beinahe erstickt ware.

Es hatte zu regnen begonnen. Jennifer blickte zum Himmel und fragte sich, ob Gott fur sie weinte.

Ken Bailey war der einzige Mensch, an den Jennifer sich um Hilfe wenden konnte.

»Ich mu? eine Abtreibung machen lassen«, sagte sie ohne Einleitung. »Kennst du irgendeinen guten Arzt?« Er versuc hte, seine Reaktion zu verbergen, aber Jennifer konnte den Widerschein einer Vielzahl von Gefuhlen auf seinem Gesicht sehen.

»Irgendwo au?erhalb der Stadt, Ken. An einem Ort, wo man mich nicht kennt.«

»Wie ware es mit den Fidschi-Inseln?« Seine Stimme klang zornig.

»Ich meine es ernst.«

»Entschuldige. Ich... du hast mich einfach uberrascht.« Die Neuigkeit hatte ihn vollig umgeworfen. Er verehrte Jennifer. Er wu?te, da? er sie gern hatte, und es gab Zeiten, in denen er sie zu lieben glaubte; aber er war nie sicher, und das qualte ihn. Mit Jennifer konnte er niemals das tun, was er mit seiner Frau gemacht hatte. Gott, dachte Ken, warum, zum Teufel, konntest du dich ausgerechnet bei mir nicht entscheiden? Er fuhr sich mit den Handen durch das rote Haar und sagte: »Wenn du es nicht in New York gemacht haben willst, dann wurde ich Nordcarolina vorschlagen. Das ist nicht so weit weg.«

»Kannst du mir dort etwas suchen?«

»Ja, sicher. Ich...«

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