»Nein. Niemand ist krank, Kleiner. Ich mochte nur, da? der Doktor sich einmal deinen Kopf ansieht.«
»Oh, das darf doch nicht wahr sein, Mama! Was hast du blo? mit meinem Kopf?«
»Nichts. Ich wurde mich nur wohler fuhlen, wenn Doktor Mendoza einen Blick darauf wurfe. Tu mir den Gefallen, ja?«
»Frauen!« sagte Joshua. Er blickte den Arzt mi?trauisch an. »Sie fangen doch nicht an, mich mit Nadeln zu spicken oder so was?«
»Nein, Senor, ich bin ein au?erst schmerzloser Doktor.«
»Das ist die Art, die ich mag.«
»Setz dich bitte.«
Joshua setzte sich auf den Bettrand, und Dr. Mendoza lie? seine Finger uber den Hinterkopf des Jungen gleiten. Joshua blinzelte vor Schmerz, aber er gab keinen La ut von sich. Der Arzt offnete seine Tasche und holte ein Ophtalmoskop heraus. »Die Augen weit auf, bitte.«
Joshua gehorchte. Doktor Mendoza starrte durch das Instrument.
»Sehen Sie da drin irgendwelche nackten Madchen tanzen?«
»Joshua!«
»Ich habe ja nur ge fragt.«
Dr. Mendoza untersuchte das andere Auge. »Du bist so gesund wie ein Fisch im Wasser.« Er richtete sich wieder auf und schlo? seine Arzttasche. »Tun Sie etwas Eis auf die Beule«, sagte er zu Jennifer. »Morgen geht es dem Jungen schon wieder bestens.«
Es war, als wurde eine schwere Last von Jennifers Herz genommen. »Danke«, sagte sie.
»Ich werde meine Bemuhungen auf die Hotelrechnung setzen lassen, Senora. Auf Wiedersehen, junger Mann.«
»Auf Wiedersehen, Doktor Mendoza.« Als der Arzt fort war, wandte sich Joshua an seine Mutter. »Dir macht es ganz schon Spa?, dein Geld zum Fenster herauszuwerfen, Mama.«
»Ich wei?. Ich verschwende es fur Dinge wie Essen, deine Gesundheit...«
»Ich bin der gesundeste Mann im ganzen Team.«
»Bleib so.«
Er grinste. »Versprochen.«
Sie nahmen die Sechs-Uhr-Maschine nach New York und waren spat in der Nacht wieder in Sands Point. Joshua schlief wahrend der ganzen Ruckreise.
48
Der Raum war von Geistern bevolkert. Adam Warner sa? in seinem Arbeitszimmer und bereitete sich auf einen wichtigen Fernsehauftritt vor, aber er konnte sich nicht konzentrieren. Er dachte an Jennifer. Seit seiner Ruckkehr aus Acapulco konnte er an nichts anderes mehr denken. Das Wiedersehen hatte Adam nur in seinem Wissen bestarkt: Er hatte die falsche Wahl getroffen. Er hatte Jennifer nie aufgeben durfen. Das Wiedersehen, das Zusammensein mit ihr, erinnerte ihn an alles, was er einmal besessen und weggeworfen hatte, und er konnte es nicht ertragen, daran zu denken. Er war in einer ausweglosen Situation. Eine Null-Chancen-Situation hatte Blair Roman sie genannt.
Es klopfte an der Tur, und Chuck Morrison, Adams Assistent, trat ein, in der Hand eine Kassette. »Kann ich eine Minute mit dir sprechen, Adam?«
»Hat das nicht Zeit, Chuck? Ich bin mitten in...«
»Ich glaube nicht.« Chucks Stimme klang aufgeregt. »Na gut. Was ist so dringend?«
Chuck Morrison trat an den Tisch. »Ich habe gerade einen Anruf erhalten. Es konnte sich um einen Verruckten handeln, aber wenn nicht, dann hat sich der Weihnachtsmann dieses Jahr ganz schon verfruht. Hor dir das an.« Er schob die Kassette in den Recorder auf Adams Tisch, schaltete ihn ein, und das Band lief ab. Wie war noch Ihr Name?
Mein Name spielt keine Rolle. Ich spreche nur mit Senator Adam Warner.
Der Senator ist beschaftigt. Warum hinterlassen Sie ihm nicht eine Nachricht, und ich sorge dafur...
Nein! Horen Sie zu, es ist au?erst wichtig. Sagen Sie Senator Warner, ich kann ihm Michael Moretti auf einem Silbertablett servieren. Ich riskiere mein Leben mit diesem Anruf. Richten Sie das Senator Warner aus. Gut. Wo sind Sie?
Ich bin im Capitol-Motel an der 32. Stra?e. Zimmer 14. Sagen Sie ihm, er soll nicht vor Anbruch der Dunkelheit kommen und darauf achten, da? niemand ihn verfolgt. Ich wei?, da? Sie unser Gesprach mitschneiden. Wenn Sie das Band irgend jemand anderem als ihm vorspielen, bin ich ein toter Mann.
Ein Klicken ertonte. Chuck Morrison stoppte das Band und fragte: »Was meinst du?«
»Die Stadt ist voller Verruckter. Andererseits wei? der Bursche ziemlich genau, wo er den Hebel ansetzen mu?, was? Mein Gott, Michael Moretti!«
Um zehn Uhr nachts erschien Adam Warner, begleitet von vier Sicherheitsbeamten, vor Zimmer 14 im Capitol-Motel. Er klopfte. Die Tur wurde einen Spalt geoffnet. Als Adam das Gesicht des Mannes in dem Zimmer erblickte, wandte er sich an seine Begleiter und sagte: »Bleibt drau?en. Niemand darf in die Nahe dieses Raums.« Die Tur wurde weiter geoffnet, und Adam trat ein. »Guten Abend, Senator Warner. »Guten Abend, Mr. Colfax.« Die beiden Manner musterten sich.
Thomas Colfax sah alter aus, als Adam ihn in Erinnerung hatte, aber es gab einen weiteren, beinahe undefinierbaren Unterschied. Und dann erkannte Adam, worum es sich handelt. Angst. Thomas Colfax hatte Angst. Er war immer ein selbstsicherer, beinahe arroganter Mann gewesen, und jetzt war diese Selbstsicherheit verschwunden. »Danke, da? Sie gekommen sind, Senator.« Colfax' Stimme klang erschopft und nervos.
»Ich habe gehort, Sie wollen mit mir uber Michael Moretti reden?«
»Ich kann ihn Ihnen frei Haus liefern.«
»Sie sind Morettis Anwalt. Warum sollten Sie das tun wollen?«
»Ich habe meine Grunde.«
»Nehmen wir mal an, ich ziehe mit Ihnen am gleichen Strang. Was erwarten Sie dafur?«
»Zunachst einmal vollkommene Immunitat. Dann mochte ich das Land verlassen konnen. Ich brauche Papiere, einen Pa? -eine neue Identitat.«
Also hatte Michael Moretti Thomas Colfax auf die Todesliste gesetzt. Es war die einzige Erklarung. Adam konnte sein Gluck kaum fassen. Es war der beste Zufall, der ihm passieren konnte.
»Falls ich Immunitat fur Sie erreichen kann«, sagte Adam, »... und ich verspreche Ihnen wohlgemerkt noch nichts, dann erwarte ich dafur, da? Sie vor Gericht auftreten und eine ruckhaltlose Aussage machen. Ich will dann alles horen, was Sie wissen.«
»Das werden Sie.«
»Wei? Moretti, wo Sie sind?«
»Er halt mich fur tot.« Colfax lachelte nervos. »Wenn er mich findet, werde ich auch tot sein.«
»Er wird Sie nicht finden. Nicht, wenn wir ins Geschaft kommen.«
»Ich lege mein Leben in Ihre Hande, Senator.«
»Offen gesagt«, informierte Adam ihn, »ist Ihr Leben mir vollig egal. Ich will Moretti. Wir legen jetzt die Spielregeln fest. Wenn wir eine Ubereinkunft erreichen, kriegen Sie allen Schutz, den die Regierung Ihnen gewahren kann. Wenn ich mit Ihrer Aussage zufrieden bin, erha lten Sie von uns so viel Geld, da? Sie in jedem Land, das Ihnen gefallt, unter einem angenommenen Namen leben konnen. Als Gegenleistung erklaren Sie sich mit dem Folgenden einverstanden: Ich mochte von Ihnen alles uber Michael Morettis Aktivitaten wissen. Sie mussen vor einer Anklagekammer aussagen, und wenn wir Moretti den Proze? machen, erwarte ich, da? Sie als Belastungszeuge fur die Regierung auftreten. Einverstanden?«
Thomas Colfax blickte zur Seite. Schlie?lich sagte er: »Tony Granelli mu? sich im Grab umdrehen. Was ist nur aus den Menschen geworden? Was ist aus Ehre und Anstand geworden?«
Adam hatte keine Antwort. Vor ihm stand ein Mann, der Hunderte von Malen das Gesetz ubertreten, der dutzendweise bezahlte Killer eingesetzt und mitgeholfen hatte, d ie Unternehmungen der bosartigsten Verbrecherorganisation zu steuern, die die Zivilisation je gekannt hatte. Und er fragte, was aus Ehre und Anstand