»Ja.« Es wurde ein langer, langer Schlaf werden. Der Wagen naherte sich der Mullhalde. Nick blickte in den Ruckspiegel und auf die Stra?e vor sich. Weit und breit keine anderen Autos.

Er bremste scharf und sagte: »Verdammter Mist, sieht fast so aus, als hatten wir einen Platten.«

Er lie? den Wagen ausrollen, offnete die Tur und stieg aus. Er zog den Revolver aus dem Holster und pre?te ihn gegen den Oberschenkel. Dann drehte er sich zu Colfax um und fragte: »Konnen Sie mir helfen?«

Thomas Colfax offnete seine Tur und sagte: »Ich habe nicht viel Ahnung von...« Er bemerkte den erhobenen Revolver in Nicks Hand und hielt inne. Er versuchte, zu schlucken. »Was -was soll das, Nick?« Seine Stimme brach. »Was habe ich getan?«

Das war genau die Frage, die Nick Vito wahrend der ganzen Fahrt auf den Fingerspitzen gebrannt hatte. Irgend jemand hatte Mike aufs Glatteis gefuhrt. Colfax war auf ihrer Seite, er war einer von ihnen. Als Nicks jungerer Bruder Arger mit dem FBI hatte, war es Colfax gewesen, der dazwischen gesprungen war und den Jungen gerettet hatte. Er hatte ihm sogar einen Job verschafft. Ich stehe in seiner Schuld, gottverdammt! dachte Nick.

Er lie? seine Revolverhand sinken.

»Ich schwore bei Gott, ich wei? es nicht, Mr. Colfax. Es ist nicht recht.«

Thomas Colfax blickte ihn einen Moment lang an und seufzte dann. »Tu, was du tun mu?t, Nick.«

»Jesus, ich kann es nicht. Sie sind mein consigliere.«

»Mike wird dich umbringen, wenn du mich laufenla?t.« Nick wu?te, da? Colfax die Wahrheit sagte. Michael Moretti lie? einem keinen Ungehorsam durchgehen. Nick dachte an Tommy Angelo. Angelo war Fahrer bei einem Bruch in ein Pelzgeschaft gewesen. Michael hatte ihm aufgetragen, den Wagen, den sie benutzt hatten, zu einem Schrottplatz der Familie zu fahren und dort zerstampfen zu lassen. Tommy Angelo aber war wegen einer Verabredung in Eile gewesen und hatte den Wagen einfach an einer Stra?e auf der East Side stehengelassen, wo ihn die Untersuchungsbeamten gefunden hatten. Angelo war am nachsten Tag verschwunden, und dem Gerucht nach war sein Korper in dem Kofferraum eines alten Chevy verstaut und dann eingestampft worden. Niemand legte Mike aufs Kreuz und blieb am Leben. Doch, es gibt eine Moglichkeit, dachte Nick.

»Mike braucht es ja nicht zu erfahren«, sagte Nick. Sein gewohnlich etwas schwerfalliger Verstand arbeitete auf Hochtouren, und er sah alles mit seltener Klarheit. »Schauen Sie«, sagte er, »Sie brauchen blo? aus dem Land zu verschwinden. Ich sage Mike, ich hatte Sie unter dem Mull begraben, also wird man Sie nie finden. Sie konnen sich irgendwo in Sudamerika verstecken. Sie haben doch sicher einen Notgroschen beiseite gesteckt.«

Thomas Colfax versuchte, die plotzliche Hoffnung nicht in seiner Stimme durchklingen zu lassen. »Ich habe eine ganze Menge, Nick. Ich gebe dir soviel wie...« Nick schuttelte leidenschaftlich den Kopf. »Ich tu das nicht fur Geld. Ich tu es, weil...« Wie sollte er es ausdrucken?»... weil ich Respekt vor Ihnen habe. Sie mussen mich aber beschutzen. Konnen Sie ein Morgenflugzeug nach Sudamerika kriegen?«

Thomas Colfax sagte: »Kein Problem, Nick. Setz mich bei meinem Haus ab, damit ich meinen Pa? holen kann.«

Zwei Stunden spater sa? Thomas Colfax in einem Jet der Eastern Airlines. Der Zielflughafen war Washington, D. C.

47

Es war ihr letzter Tag in Acapulco, ein vollkommener Morgen. Eine warme, sanfte Brise lie? Melodien in den Palmen erklingen. Der Strand war mit Touristen ubersat, die gierig Sonne tankten, bevor sie wieder zur blassen Routine des Alltags zuruckkehrten.

Joshua kam in der Badehose an den Fruhstuckstisch gerannt. Sein athletischer kleiner Korper war braungebrannt. Mrs. Mackey versuchte achzend, mit ihm Schritt zu halten. Joshua sagte: »Ich hatte mehr als genugend Zeit, mein Essen zu verdauen, Mama. Kann ich jetzt Wasserski fahren?«

»Joshua, du hast gerade erst aufgehort zu essen.«

»Ich habe eine sehr hohe Stoffwechselquote«, erklarte er ernsthaft. »Ich verdaue schnell.« Jennifer lachte. »Einverstanden. Viel Spa?.«

»Danke. Du mu?t mir aber zuschauen.« Jennifer sah Joshua den Pier entlang zu einem wartenden Rennboot laufen. Sie sah ihn den Fahrer in ein ernstes Gesprach verwickeln, und dann blickten beide zu Jennifer heruber. Sie signalisierte ihre Zustimmung, der Fahrer nickte, und Joshua legte die Wasserski an.

Das Motorboot erwachte zum Leben, und Jennifer beobachtete, wie Joshua sich auf seinen Skiern aufrichtete. Mrs. Mackey sagte stolz: »Er ist der geborene Sportler, nicht?«

In diesem Augenblick drehte Joshua sich um, winkte Jennifer und verlor das Gleichgewicht. Er sturzte gegen die Planken des Stegs. Jennifer sprang auf und rannte auf den Pier zu. Aber einen Augenblick spater sah sie Joshuas Kopf aus dem Wasser auftauchen, und er blickte sie grinsend an. Sie blieb stehen. Ihr Herz raste. Sie sah zu, wie Joshua die Ski erneut anlegte. Das Boot zog einen Kreis und gewann allmahlich genug Geschwindigkeit, um Joshua auf die Fu?e zu ziehen. Er drehte sich noch einmal um und winkte Jennifer, dann jagte er auf den Kammen der Wellen davon. Sie stand da und sah ihm zu, und ihr Herz schlug immer noch heftig vor Angst. Wenn ihm irgend etwas geschah... Sie fragte sich, ob andere Mutter ihre Kinder so sehr liebten, wie sie ihren Sohn liebte, aber das schien nicht sehr wahrscheinlich. Sie ware fur Joshua gestorben, hatte fur ihn getotet. Ich habe fur ihn getotet, dachte sie, mit Michael Morettis Hand.

Mrs. Mackey sagte: »Das hatte ein ha?licher Sturz werden konnen.«

»Gott sei Dank war es keiner.«

Joshua war eine Stunde lang drau?en auf dem Wasser. Als das Boot sich wieder dem Land naherte, lie? er das Schleppseil los und glitt grazios auf den Sandstrand. Er lief auf Jennifer zu, noch ganz aufgeregt. »Du hattest den Unfall da drau?en sehen sollen, Mama. Es war unwahrscheinlich! Ein gro?es Segelboot ist gekentert, und wir haben angehalten und ihr Leben gerettet.«

»Das ist ja gro?artig, Sohn. Wie viele Leben hast du gerettet?«

»Sie waren zu sechst.«

»Und du hast sie aus dem Wasser gezogen?« Joshua zogerte. »Na ja, ich habe sie nicht direkt aus dem Wasser gezogen. Sie sa?en sozusagen auf der Seite des Boots. Aber sie waren vielleicht verhungert, wenn wir nicht vorbeigekommen waren.«

Jennifer bi? sich auf die Lippen, um nicht zu lacheln. »Ich verstehe. Die hatten ganz schon Gluck, da? du aufgetaucht bist, was?«

»Das wurde ich auch sagen.«

»Hast du dir weh getan, als du gefallen bist, Liebling?«

»Naturlich nicht.« Er betastete seinen Hinterkopf. »Ich habe eine kleine Beule.«

»La? mich mal fuhlen.«

»Warum? Du wei?t doch, wie sich eine Beule anfuhlt.« Jennifer strich vorsichtig uber Joshuas Hinterkopf. Ihre Finger fanden eine gro?e Schwellung. »Das ist so gro? wie ein Ei, Joshua.«

»Es ist nichts.«

Jennifer stand auf. »Ich glaube, wir sollten besser ins Hotel zuruckgehen.«

»Konnen wir nicht noch ein Weilchen bleiben?«

»Ich furchte, nein. Wir mussen packen. Du willst doch das

Ballspiel am Samstag nicht verpassen, oder?« Er seufzte. »Nein.

Old Terry Waters wartet nur darauf, meinen Platz einzunehmen.«

»Keine Chance. Er wirft wie ein Madchen.« Joshua nickte grinsend. »Ja, findest du auch, nicht?«

Als sie wieder in Las Brisas waren, rief Jennifer den Manager an und bat ihn, einen Arzt auf das Zimmer zu schicken. Der Doktor traf eine halbe Stunde spater ein, ein behabiger Mexikaner mittleren Alters in einem altmodischen wei?en Anzug. Jennifer bat ihn in den Bungalow.

»Womit kann ich Ihnen dienen?« fragte Dr. Raul Mendoza. »Mein Sohn ist heute morgen gesturzt. Er hat eine ha?liche Beule am Kopf. Ich mochte nur sichergehen, da? ihm nichts fehlt.«

Jennifer fuhrte Mendoza in Joshuas Schlafzimmer, wo der Junge gerade seinen Koffer packte. »Joshua, das ist Doktor Mendoza.« Joshua blickte auf und fragte: »Ist jemand krank?«

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