getrennt. Sie standen in der Lobby, umgeben von all den Menschen, und dennoch waren sie vollig allein.
Endlich sagte Adam: »Ich glaube, wir brauchen einen Drink.«
»Ich glaube, wir sollten darauf verzichten.« Sie mu?te weg von diesem Ort.
Adam schuttelte den Kopf. »Abgelehnt.« Er nahm ihren Arm und fuhrte sie in die uberfullte Bar. Sie fanden einen Tisch ganz hinten im Raum. »Ich habe dir geschrieben und versucht, dich anzurufen«, sagte Adam. »Du hast nie reagiert.«
Seine Augen standen voller Fragen. »Es gab nicht einen Tag in der Vergangenheit, an dem ich nicht an dich gedacht habe. Warum bist du verschwunden?«
»Es gehorte zu meinem Zaubertrick«, sagte Jennifer leichthin. Ein Kellner nahm ihre Bestellung auf. »Was mochtest du haben?« fragte Adam.
»Nichts. Ich mu? wirklich gehe n, Adam.«
»Du kannst jetzt nicht gehen. Dies ist ein Anla? zum Feiern. Der Jahrestag der Revolution.«
»Ihrer oder unserer?«
»Wo liegt der Unterschied?« Er wandte sich an den Kellner. »Zwei Margaritas.« »Nein, ich...« Na gut, dachte sie, einen Drink. »Einen doppelten fur mich«, sagte sie tollkuhn. Der Kellner nickte und verschwand.
»Ich habe viel uber dich gelesen«, sagte Jennifer. »Ich bin stolz auf dich, Adam.«
»Danke.« Adam zogerte. »Ich habe auch uber dich gelesen.« Jennifer ging auf den Ton in seiner Stimme ein. »Aber du bist nicht stolz auf mich.«
»Du scheinst eine Menge Mandanten aus dem Syndikat zu haben.«
Jennifer nahm eine abwehrende Haltung ein. »Ich dachte, dein Vortrag ware zu Ende.«
»Dies ist kein Vortrag, Jennifer. Ich mache mir Sorgen um dich. Mein Ausschu? ist hinter Michael Moretti her, und wir werden ihn kriegen.«
Jennifer blickte sich um. »Um Himmels willen, Adam, wir sollten uns nicht uber dieses Thema unterhalten, schon gar nicht hier.«
»Wo dann?«
»Nirgendwo. Michael Moretti ist mein Mandant. Ich kann nicht mit dir uber ihn sprechen.«
»Ich will mit dir reden. Wo?«
Sie schuttelte den Kopf. »Ich habe dir gesagt, ich...«
»Ich mu? uber uns mit dir reden.«
»Es gibt kein ›uns‹ mehr.« Jennifer wollte aufstehen. Adam legte seine Hand auf ihren Arm. »Bitte, geh nicht. Ich kann dich nicht gehen lassen. Nicht jetzt.« Zogernd setzte Jennifer sich wieder.
Adams Augen hingen an ihrem Gesicht. »Denkst du jemals an mich?«
Jennifer blickte ihn an und wu?te nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Ob sie je an ihn dachte? Er lebte bei ihr zu Hause!
Sie gab ihm jeden Tag einen Gutenmorgenku?, bereitete ihm das Fruhstuck, ging mit ihm segeln, liebte ihn. »Ja«, sagte Jennifer schlie?lich. »Ich denke an dich.«
»Das freut mich. Bist du glucklich?«
»Naturlich.« Sie wu?te, da? sie zu schnell geantwortet hatte. Sie lie? ihre Stimme beilaufiger klingen. »Ich habe eine erfolgreiche Kanzlei, ich verdiene viel Geld, ich reise oft und treffe mich mit einer Menge attraktiver Manner. Wie geht es deiner Frau?«
»Gut, danke.« Seine Stimme klang duster. »Und deine Tochter?«
Er nickte mit stolzem Gesicht. »Samantha ist ein prachtiges Kind. Sie wird nur zu schnell gro?er.« Sie mu? in Joshuas Alter sein. »Du hast nie geheiratet?«
»Nein.«
Eine lange Pause entstand, und Jennifer versuchte, fortzufahren, aber sie hatte zu lange gezogert. Es war zu spat. Adam hatte ihr in die Augen geblickt und sofort Bescheid gewu?t. Er umfa?te ihre Hand. »Oh, Jennifer. Oh, mein Liebling!« Jennifer fuhlte, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg. Sie hatte die ganze Zeit gewu?t, da? es ein Fehler sein wurde. »Ich mu? gehen, Adam. Ich habe eine Verabredung.«
»La? sie sausen«, drangte er sie.
»Es tut mir leid. Das kann ich nicht.« Sie wollte nur noch hier heraus, ihren Sohn von diesem Ort wegbringen, nach Hause fliehen.
Adam sagte: »Eigentlich sollte ich heute nachmittag ein Flugzeug nach Washington nehmen. Ich konnte bis morgen bleiben, wenn du mich heute abend sehen willst.«
»Nein. Nein!«
»Jennifer, ich kann dich nicht noch einmal gehen lassen. Nicht so. Wir mussen miteinander reden. I? wenigstens mit mir zu Abend.«
Er hielt ihre Hand fest. Sie sah ihn an und wehrte sich mit aller Kraft gegen ihn, aber sie spurte sich schwacher werden. »Bitte, Adam«, sagte sie. »Wir sollten nicht zusammen gesehen werden. Wenn du hinter Michael Moretti her...«
»Das hier hat nichts mit Moretti zu tun. Ein Freund hat mir sein Boot angeboten. Es hei?t Paloma Bianca. Es liegt im Yachtclub vor Anker. Acht Uhr.«
»Ich werde nicht kommen.«
»Ich schon. Ich werde auf dich warten.«
Auf der anderen Seite des Raums sa? Nick Vito mit zwei mexikanischen putanas, die ihm ein Freund verschafft hatte, an der uberfullten Bar. Beide Madchen waren hubsch, dumm und minderjahrig, genau wie Nick Vito sie mochte. Sein Freund hatte ihm etwas Besonderes versprochen, und er hatte Wort gehalten. Sie pre?ten sich an ihn und flusterten erregende Versprechungen in sein Ohr, aber er horte nicht zu. Er starrte zu dem Tisch hinuber, an dem Jennifer Parker und Adam Warner sa?en.
»Warum gehen wir nicht jetzt in dein Zimmer hinauf, Querido?« fragte eins der Madchen Nick Vito. Nick Vito war versucht, zu Jennifer und dem Fremden zu gehen und sie zu begru?en, aber die beiden Madchen hatten ihre Hande zwischen seinen Beinen und streichelten ihn. Es wurde einen verdammt flotten Dreier geben. »Gut, gehen wir hoch«, sagte Nick Vito.
45
Die Paloma Bianca war ein Motorsegler. Stolz und wei? leuchtete sie im Mondschein. Jennifer naherte sich ihr vorsichtig. Sie blickte immer wieder uber die Schulter, um sicherzugehen, da? niemand sie beobachtete. Adam hatte ihr gesagt, er wurde den Sicherheitsbeamten entwischen, und offensichtlich hatte er Erfolg gehabt. Nachdem Jennifer Joshua und Mrs. Mackey beim Maria Elena abgesetzt hatte, war sie in ein Taxi gestiegen und hatte den Fahrer zwei Blocks vom Pier entfernt halten lassen.
Im Lauf des Nachmittags hatte sie wiederholt den Horer abgehoben, um Adam anzurufen und ihm abzusagen. Sie hatte einen Brief begonnen, dann aber wieder zerrissen. Seit sie Adam in der Bar verlassen hatte, durchlitt sie den brennenden Schmerz der Entschlu?losigkeit. Sie hatte sich alle moglichen Grunde uberlegt, warum sie Adam nicht sehen konnte. Ein Treffen wurde nichts Positives bewirken, konnte aber ungeheuer viel Schaden bringen. Es konnte Adams Karriere aufs Spiel setzen. Er stand auf dem Hohepunkt seiner Popularitat, ein Idealist in einer zynischen Zeit, die Hoffnung des Landes fur die Zukunft. Er war der Liebling der Medien, aber dieselben Leute, die mitgeholfen hatten, ihn aufzubauen, wurden ihn nur zu gern wieder in den Abgrund sto?en, wenn er ihr Bild von sich zerstorte. Also hatte Jennifer beschlossen, ihn nicht zu sehen. Sie war eine andere Frau geworden, lebte ein anderes Leben und gehorte jetzt zu Michael Moretti...
Adam erwartete sie am anderen Ende des Landungsstegs. »Ich hatte solche Angst, du wurdest nicht kommen«, sagte er.. Sie lag in seinen Armen, und sie ku?ten sich. »Was ist mit der Mannschaft, Adam?« fragte sie endlich. »Ich habe sie weggeschickt. Wei?t du noch, wie man segelt?«
»Ich habe es nicht vergessen.«
Sie hi?ten die Segel, und zehn Minuten spater durchschnitt die Paloma Bianca das Hafenwasser in Richtung auf die offene See. Die erste halbe Stunde waren sie mit der Navigation beschaftigt, aber es gab nicht eine Sekunde, in der sich jeder vo n ihnen nicht voll der Gegenwart des anderen bewu?t gewesen ware. Die Spannung stieg ununterbrochen, und beide wu?ten, was unausweichlich kommen mu?te. Als sie den Hafen endlich verlassen