Unsere Fischer hatten auf den Zugereisten einen heiligen Zorn. Sie beschlossen, ihm aufzulauern, der Sache auf den Grund zu gehen, ihn zu uberfuhren. Es blieb bei dem Entschlu?. Der gute Wille war vorhanden. Was fehlte, war Zeit, die hatten unsere Leute nicht.

Nur die Fischereikontrolle blieb hart. Fur sie ging es ums Prinzip: Wer wen. Die Kollegen von der Fischereikontrolle rupften mit Stepan ein Huhnchen. Oder war es umgekehrt? Jedenfalls leisteten sie sich ein Ding, uber das die Menschen am Jenissej eine Woche lang lachten.

Vom fruhen Abend an lagen sie bei der Klosterinsel auf der Lauer. Zu ihrer Verfugung hatten sie ein Gleitboot. Gegen funf Uhr morgens sichteten sie Stepan. Er ruderte heimwarts, gemachlich, allein. Sie waren zu dritt, mit achtzig PS auf dem Kasten. Er besa? zwei Ruder und seine Muskeln. Aber sein Boot war schmal, schnittig, schob eine schone Bugwelle vor sich her, auch wenn es nur langsam uber das Wasser glitt.

Als er funfhundert Meter von ihnen entfernt war, warfen sie den Motor an. Sie wollten ihm den Weg abschneiden. Er ruderte wie der Teufel, als hielte er zwei Strohhalme in den Handen. Wer am Ufer stand und zusah, mu?te ihn bewundern. Das Gleitboot hatte seine Not. Der Motor war nicht richtig eingesetzt, es stimmte etwas mit dem Schwerpunkt nicht. Bis zum gro?en Graben, der tief ins Land fuhrt und zu beiden Seiten von dichtem Purpurweidengestrupp uberhangen ist, betrug die Entfernung einen Kilometer. Wenn Stepan den gro?en Graben erreichte, hatten die von der Fischereikontrolle das Nachsehen. Stepan dachte jedoch nicht daran, sich auf diese Weise aus der Schlinge zu ziehen. Er behielt seinen geraden Kurs aufs andere Ufer bei. Als er ausstieg und sich eine Zigarette ansteckte, war das Gleitboot nach wie vor funfhundert Meter entfernt. Trotzdem, seine Besatzung frohlockte: Es war eine Kapitulation. Stepans Nerven hatten der Belastung nicht standgehalten. Das Gleitboot erreichte das Ufer, die drei von der Fischereikontrolle sprangen an Land, sahen das Netz im Bug des Shuikowschen Bootes, die Fische — und waren zu aufgeregt, um alles naher in Augenschein zu nehmen.

„Wirst du ein Protokoll unterschreiben?' 

„Aber gewi?', erwiderte Stepan. „Nur wu?te ich nicht, wofur das gut sein sollte.'

„Damit wir schwarz auf wei? besitzen, da? du beim Fischen gegen die gesetzma?igen Bestimmungen versto?en hast.'

„Macht keine Witze. Ist denn ein neues Gesetz rausgekommen?' 

„Das Gesetz ist alt. Wir werden dir den Paragraphen noch unter die Nase halten.'

„Warum droht ihr mir?' beschwerte sich Stepan. 

„Das vertrage ich nicht. Ich bin eine angstliche Natur. Me?t erst mal mein Netz aus. Dann reden wir weiter.'

Da wurden die Kollegen von der Fischereikontrolle stutzig. Sie sahen genau hin, nahmen das Netz hoch und wu?ten sofort, da? alles seine Richtigkeit hatte. Der Fang betrug nicht mehr als zehn Kilogramm, das Netz war hochstens funfundzwanzig Meter gro?. Beides entsprach den gesetzlichen Vorschriften. Sie verzichteten sogar darauf, es nachzumessen.

„Warum hast du nicht gestoppt?'

Stepan lachelte. „Ich wollte warm werden. Eine Art Fruhsport.'

Am gleichen Tage wurde er von meinem Vater zur Miliz vorgeladen.

„Shuikow', sagte mein Vater, „hor gut zu, Shuikow. Ich ermahne dich heute zum letzten Mal. La? die Dummheiten sein.'  

Stepan stellte sich verwundert. „Dummheiten? Wie meinen Sie das, Chef?'

„Das wei?t du ganz genau. Gesetzesversto?e werden hier nicht geduldet.'

„Gesetzesversto?e?' fragte Stepan entgeistert. „Habe ich jemanden beleidigt, eine Schlagerei angefangen, mich betrunken?'

„Hor zu, Shuikow', erwiderte mein Vater, „du machst mir nichts vor. Ich werde dich festnageln. Das ist sicher. Einmal habe ich dich bereits ertappt. Und verwarnt. Wenn du ein zweites Mal erwischt wirst, gehst du ins Kittchen.'

„Ach, das meinen Sie', staunte Stepan. „Nein, das ist langst vorbei. Ich habe es aufgegeben. Was dachten Sie? Ich stehe zu meinem Wort. Wo werde ich mich unglucklich machen?'

„Uns machst du unglucklich', verbesserte mein Vater, „uns.'

Stepan reckte sich. „Chef, wie sprechen Sie mit mir? Was sollen die Drohungen? Ich bin ein Sowjetmensch, genau wie Sie. Wenn ich mir etwas zuschulden kommen lasse — bitte, dann ziehen Sie mich dafur zur Rechenschaft. Aber beleidigen durfen Sie mich nicht.'

„Du bist ein Dieb, Shuikow', sagte mein Vater, „ein gewissenloser Parasit. Du stiehlst unsere Fische.'

„Ich habe einen Plan und erfulle ihn mit hundertzwanzig Prozent. Gelegentlich werde ich beim Bezirkskomitee vorsprechen mussen.'

„Sprich vor, bei wem du willst', erwiderte mein Vater.

Naturlich tat Stepan nichts dergleichen. Nach wie vor fuhr er tagsuber seinen „SIL', nachts fischte er im Jenissej an Stellen, die allein er kannte.

Gegen sechs Uhr kehrte er zuruck. In seinem Boot schwammen gro?e Blutlachen. Er fuhlte sich so sicher, da? er auf die Muhe verzichtete, das Fischblut fortzuwaschen. Zu Hause angekommen, stieg er in den Wagen und verbrachte den ganzen Tag am Steuer. Seine Hande, die das Lenkrad hielten, waren von scharfen Angelhaken zerstochen. Sjowka wunderte sich, wie er das aushielt, und ich staunte auch.

War es moglich, da? Habsucht einem Menschen solche Krafte verlieh?

Wir bewunderten Stepan und konnten ihn nicht ausstehn. So erging es allen, die ihn kannten. Eines Sonntagabends schlichen wir uns an sein Haus. Feiertags blieb er gewohnlich daheim. Wir sahen durchs Fenster. Er sa? am Tisch und blinzelte gahnend in die Lampe. Da? er nichts anderes tat als gahnen, erschien uns unheimlich. Wir spurten die Finsternis, die Kalte des Abgrunds im Rucken und gingen auf Zehenspitzen davon. Sjowka tastete die Erde ab. Als das Gesuchte gefunden war, holte er weit aus. Gleich darauf klapperte und schepperte etwas auf dem Dach. Es klang merkwurdig hohl. Dann quietschte die Tur. Ein grauer Schatten fiel auf die Treppe.

„Wem juckt denn da das Fell!' schimpfte Stepan.

„Mir', flusterte Sjowka. Die Tur fiel ins Schlo?.

Unsere Angst war wie fortgeblasen.

Sjowka meinte, wir beide konnten Stepan fangen. Im Grunde genommen sei das eine Kleinigkeit. Das ganze Problem bestehe darin, da? unsere Fischer keine Zeit hatten und die von der Kontrolle einen Abschnitt von zweihundert Kilometern uberwachen mu?ten. Was aber meinen Vater angehe — nun ja, das sei ein alter Mann, der nur noch blinde Drohungen ausspreche und der Sache nicht gewachsen sei.

Die letzte Bemerkung erregte meinen Widerspruch. „Er hat ihn schon einmal ertappt.' 

„Damals war Stepan noch leichtsinnig. Jetzt ist er auf der Hut. Wir mussen ihn verfolgen. Kannst du nicht ein Fernglas besorgen?'

„Nein', erwiderte ich kurz und bundig. Ich war wutend. Er hatte meinen Vater beleidigt.

„Dann werde ich mich eben um eins kummern', bemerkte Sjowka.

Tags darauf brachte ich ein Fernglas mit.

Es war Juni, weder Tag noch Nacht. Wir gingen im Hellen zu Bett und standen bei Sonnenlicht auf. Zu Hause einzuschlafen fiel schrecklich schwer. Am Ufer war es offenbar leichter. Sjowka hatte die erste Wache. Als ich ihn ablosen wollte, lag er in tiefem Schlaf. Stepan sei bestimmt nicht aufgetaucht, beteuerte er.

Ich fuhr ihn an. „Flunkere nicht. Du hast ja noch das Muster von den Grashalmen auf der Backe. Wir mussen zu zweit aufpassen. Dann kann so was nicht passieren.'

Das nachste Mal zogen wir gemeinsam auf Posten. Es war gegen zwei Uhr und ausgesprochen ruhig. Wir horten das Gemurmel des Stromes. Nicht weit von uns entfernt schwammen einige Taucher auf dem Wasser. Als sie mit den Flugeln schlugen, ging es mir durch und durch: Das ganze Ufer schien davon zu rauschen. Ich starrte auf den Jenissej, bis mir schien, der Flu? hebe sich hoher und hoher und trete aus den Ufern. 

Endlich erblickten wir druben einen schwarzen Strich, der gegen die Stromung schwamm, bald jedoch hinter den Buschen verschwand. 

„Dort gibt es viele Buchten', sagte Sjowka, „merk dir genau die Stelle.'

Etwa eine Stunde spater kam das Boot wieder zum Vorschein. Es naherte sich der Siedlung. Wir lagen am

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