– Du hast recht, Kate; ein tuchtiges Seitenstechen ist schnell geholt«, antwortete ihr Gatte.
Dann wendete er sich an den Schankwirth.
»Bitte, uns einen Grog von Wisky!«
Der Wirth stutzte nicht wenig
»Von Wisky, sagten Sie?
– Ja… oder auch von Gin.
– Wo haben Sie Ihren Erlaubni?schein?
– Meinen Erlaubni?schein?…« rief Titbury, der uber diese Frage nicht wenig erstaunte.
Das wurde nicht der Fall gewesen sein, hatte er vorher daran gedacht, da? Maine zu den Staaten gehort, die den Alkohol grundsatzlich in Acht und Bann gethan haben. In Kansas, Norddakota, Suddakota, in Vermont, New Hampshire, vor allem aber in Maine ist es verboten, alkoholische, destillierte oder gegohrene Getranke herzustellen und zu verkaufen. In jedem Orte giebt es jedoch Communalbeamte, die solche fur Geld an Leute abgeben, welche sie zu medicinischen oder industriellen Zwecken kaufen. Die betreffenden Getranke mussen auch vorher von einem Staatscommissar untersucht sein. Wer dieses Gesetz, und sei es auch nur durch eine unuberlegte Frage, verletzt, verfallt schwerer, zur Unterdruckung des Alkoholismus ausgeworfener Strafe.
Kaum hatte Titbury die letzten Worte gesprochen, als ein Herr auf ihn zutrat.
»Sie haben keinen vorgeschriebenen Erlaubni?schein?…
– Nein… den habe ich weder, noch wei? ich…
– So erklare ich Sie schuldig der Uebertretung des Gesetzes…
– Einer Uebertretung… inwiefern?…
– Weil Sie Wisky oder Gin verlangt haben.«
Der Herr entpuppte sich als ein Au?enbeamter. Er schrieb die Namen des Herrn und der Frau Field in sein Taschenbuch und bedeutete ihnen, da? sie am nachsten Tage wurden vor dem Richter erscheinen mussen.
Das Ehepaar eilte verlegen und beschamt nach seinem Gasthofe zuruck und verbrachte hier den Tag und die Nacht in gedrucktester Stimmung. Hatte Frau Titbury den schlimmen Gedanken gehabt, jenes Wirthshaus zu betreten, so fiel Herrn Titbury der nicht minder beklagenswerthe zur Last, einen Grog einem Glase Ale oder Porter vorgezogen zu haben. Welcher Geldstrafe wurden sie nun verfallen! Das gab Streit und gegenseitige Vorwurfe bis zum nachsten Tage.
Der Richter, ein gewisser R. T. Ordak, war der unangenehmste, murrischeste und reizbarste Mann, den man sich nur denken kann. Als die »Uebelthater« am nachsten Vormittage vor ihm in der Amtsstube erschienen, achtete er gar nicht auf die hofliche Begru?ung, womit sie eintraten, sondern stellte nur kurze, barsche Fragen an die beiden Leute. Ihr Name?… Herr und Frau Field… Ihr Wohnort?… Sie gaben aufs Gerathewohl Harrisburg in Pennsylvanien an. Beruf?… Rentiers. Da verurtheilte er sie ohne weitere Verhandlung wegen Verletzung der im Staate Maine bezuglich der alkoholischen Getranke giltigen Vorschriften zu hundert Dollars Bu?e.
Das war denn doch zu stark! So sehr er sich sonst zu beherrschen wu?te, und trotz der Bemuhungen seiner Gattin, ihn zu beruhigen, konnte Herr Titbury seinen Ingrimm jetzt doch nicht bemeistern. Er wurde heftig, bedrohte den Richter R. T. Ordak, und der Richter R. T. Ordak verdoppelte die Bu?e – noch einmal hundert Dollars wegen Mi?achtung des Gerichtes.
Diese »Zugabe« machte Titbury noch wuthender. Zweihundert Dollars uber die Kosten, die schon entstanden waren, um bis zum au?ersten Ende dieses verwunschten Staates Maine zu gelangen! Ganz au?er sich, ging dem Uebelthater alle Klugheit soweit verloren, da? er sogar den Vortheil, den sein Incognito ihm bot, opferte.
Mit verschrankten Armen, das Gesicht purpurroth und Frau Titbury mit ungewohnter Heftigkeit zurucksto?end, beugte er sich uber den Schreibtisch des Richters und rief:
»Wissen Sie denn, mit wem Sie es zu thun haben?…
– Mit einem Ungeschliffenen, den ich hiermit zu dreihundert Dollars Strafe verurtheile, weil er bei seinem unpassenden Benehmen verharrt, erwiderte R. T. Ordak, dem jetzt auch sozusagen die Galle uberlief.
»Dreihundert Dollars! kreischte Frau Titbury auf und sank halb ohnmachtig auf eine Bank nieder.
– Jawohl, bestatigte der Richter mit Betonung jeder Silbe, drei… hundert… Dollars… Strafe fur Herrn Field aus Harrisburg in Pennsylvanien!
– Nun gut, schrie Titbury, indem er mit der Faust auf den Tisch hammerte, so horen Sie denn, da? ich gar nicht Field aus Harrisburg in Pennsylvanien bin!
– So?… Wer sind Sie denn sonst?
– Rentier Titbury aus Chicago in Illinois…
– Aha, also einer, der sich erlaubt, unter falschem Namen umherzureisen! fiel der Richter ein, als ob er sagen wollte: Also noch ein Vergehen zu den ubrigen!
– Ja… Rentier Titbury aus Chicago, der dritte Partner im Match Hypperbone, der zukunftige Erbe eines ungeheuern Vermogens!«
Diese Erklarung schien auf R. T. Ordak gar keine Wirkung auszuuben. Der Beamte, der ebenso unparteiisch wie schnell fertig mit seinem Urtheil war, machte mit diesem dritten Partner nicht mehr Umstande wie mit jedem beliebigen Hafenarbeiter.
Mit pfeifender Stimme und als ob jedes Wort ihm ein besonderes Vergnugen bereitete, erklarte er:
»So wird also Herr Titbury aus Chicago die dreihundert Dollars Strafe erlegen; au?erdem aber verurtheile ich ihn wegen Beilegung eines falschen Namens an Gerichtsstelle noch zu achttagiger Haft.«
Das schlug dem Fa? den Boden aus, und jetzt sank Herr Titbury, seiner Sinne nicht mehr machtig, neben Frau Titbury auf der Bank zusammen.
Acht Tage Hast, und in funf Tagen sollte die erwartete Depesche eintreffen – am 19. sollte er wieder abreisen, um sich vielleicht nach dem anderen Ende der Vereinigten Staaten zu begeben. War er dann am bestimmten Tage nicht an Ort und Stelle, so bedeutete das den Ausschlu? aus der angefangenen Partie…
Es liegt auf der Hand, da? das fur Titbury ein weit ernsteres Ding war, als wenn er nach dem zweiundfunfzigsten Felde, dem Staate Missouri und dort in das Gefangni? von Saint-Louis versetzt worden ware. Hier hatte ihm wenigstens die Moglichkeit gewinkt, durch einen seiner Partner wieder befreit zu werden, im Gefangni? von Calais aber durch das Urtheil des Richters R. T. Ordak eingesperrt, mu?te er seine Strafe jedenfalls bis zum Ende absitzen.
Zehntes Capitel.
Ein Berichterstatter auf der Reise.
»Ja, meine Herren, auf Wort! – ich betrachte diesen Match Hypperbone als eines der wunderbarsten nationalen Ereignisse, womit sich die Geschichte unseres ruhmreichen Landes bereichern wird! Nach dem Unabhangigkeitskampfe, dem gro?en Burgerkriege, der Verkundigung der Monroe-Doctrin und dem Inkrafttreten der Mac Kinley Bill ist dieser Match die hervorragendste Thatsache, der die Phantasie eines Mitgliedes des Excentric Club die Aufmerksamkeit der ganzen Welt zugelenkt hat!«
So au?erte sich Harris T. Kymbale gegen die Reisenden des Bahnzuges, mit dem er am 7. Mai die Stadt Chicago verlie?. Voller freudigen Zuversicht bewegte sich der Berichterstatter der »Tribune« durch den Mittelgang des Waggons declamierend von vorn nach hinten, dann uber den je zwei Wagen verbindenden Steig von einem zum andern, von der Spitze bis zum Ende des Zuges, der unter Volldampf am Sudufer des Michigansees dahinjagte.
Harris T. Kymbale war allein abgereist. Wohl hatten sich mehrere seiner Collegen erboten, ihn zu begleiten, er hatte das aber mit verbindlichem Danke abgelehnt. Nicht einmal einen Diener wollte er um sich haben – er wollte ganz allein sein. Ihm kam es auch gar nicht in den Sinn, auf der Reise, gleich Max Real und Hermann Titbury, unerkannt zu bleiben. Er wurdigte jedermann seines Vertrauens und hatte an seinem Hute am liebsten ein Schild mit der Aufschrift: »Vierter Partner im Match Hypperbone« befestigt. Unter zahlreicher Begleitung auf dem Bahnhofe eingetroffen, wurde er mit lauten Hurrahs geehrt und mit Gluckwunschen zur bevorstehenden Kreuzfahrt uberhauft. Er war auch so wohl vorbereitet, so zuversichtlich, so zielbewu?t und gleichzeitig als so kuhn und entschlossen bekannt, da? auf seinen Kopf schon jetzt mehrfach Wetten abgeschlossen wurden. Man setzte auf ihn zu eins gegen zwei, ja gegen drei; das schmeichelte dem jungen Manne und erschien ihm als eine gute