Vorbedeutung.

Hatte sich Harris T. Kymbale aber auch jede Begleitung auf seinen vom Zufalle abhangigen Kreuz-und Querzugen durch das Gebiet der Union verbeten, so fiel es ihm doch, wie der Leser schon gesehen hat, gar nicht ein, in seiner Ecke den Einsiedler zu spielen, sich stummem Hinbruten zu uberlassen und nur lautlosen Selbstgesprachen hinzugeben. Im Gegentheil, alle Reisenden, mit denen er zusammentrafe, sollten sich fur sein Vorhaben interessieren lernen. Er gehorte ein wenig zu dem Schlage von Menschen, die nur denken, wenn sie reden, und mit Worten sollte er sich unterwegs – ebensowenig wie mit dem Geldbeutel – als geizig erweisen. Die Casse der steinreichen »Tribune« stand ihm ja offen und er wollte sie schon genugend anzapfen zur Deckung der Kosten von Interviews, fur beschreibende Aufsatze, fur Neuigkeiten und Artikel jeder Art, wozu ihm der Verlauf des Matches gewi? reichlichen und interessanten Stoff liefern wurde.

»Schreiben Sie aber, fragte ein Herr – ein Yankee vom Scheitel bis zu den Zehen – dieser von William I. Hypperbone ausgeklugelten Partie nicht eine zu gro?e Wichtigkeit zu?

– Nein, mein Herr, antwortete der Reporter, ich meine vielmehr, eine so durchweg originelle Idee konnte nur einem ultraamerikanischen Hirn entspringen.

– Sie haben recht, bemerkte ein behabiger Kaufmann aus Chicago. Die ganzen Vereinigten Staaten sind au?er Rand und Band; am Tage seines Begrabnisses war es ja zu sehen, welcher Volksthumlichkeit der Entschlafene sich so kurz nach seinem Ableben schon erfreute.

– Hatten Sie, mein Herr, fragte da eine Dame mit Brotbeutel und mit Brille, die, von Decken verhullt, in einer Ecke sa?, sich etwa dem Leichenzuge angeschlossen?

– Als wenn ich einer der Erben unsers gro?en Mitburgers gewesen ware, versicherte der Chicagoer, den der Stolz noch etwas mehr aufblahte, und ich fuhle mich ganz besonders geehrt, hier auf dem Wege nach Detroit mit einem seiner spateren Erben zusammengetroffen zu sein.

Der Berichterstatter der »Tribune« bewegte sich durch den Mittelgang… (S. 135.)

– Sie gehen nach Detroit? erkundigte sich Harris T. Kymbale, die Hand ausstreckend.

– Nach Detroit in Michigan.

Buffalo. – City Hall (Hotel de Ville).

– Ah, geehrter Herr, dann werd’ ich das Vergnugen haben, Sie bis zu dieser Stadt mit so aussichtsreicher Zukunft zu begleiten… einer Stadt, die ich noch nicht kenne, aber kennen zu lernen wunschte.

– Dazu wird es Ihnen an Zeit fehlen, Herr Kymbale, erwiderte der Yankee so lebhaft, da? man hatte meinen konnen, er sei an einer Wette auf seinen Reisegenossen betheiligt. Sie wurden dadurch Ihre Fahrt verlangern, und ich wiederhole Ihnen, dazu haben Sie keine Zeit…

– Man hat immer und zu allem Zeit!« antwortete Harris T. Kymbale in bestimmtem Ton, der ihm recht gut anstand.

Stolz, einen so temperamentvollen Reisenden zu bergen, erdrohnte der Wagen von jubelnden Hipps, die sich bis zum Zugsende fortpflanzten.

»Erlauben Sie eine Frage, mein Herr, begann jetzt ein in den reiferen Jahren stehender Geistlicher, der, den Klemmer auf der Nase, den Journalisten mit den Blicken fast verzehrte, sind Sie befriedigt von dem ersten Fallen der Wurfel fur Sie?

– Ja und nein, Hochehrwurden, antwortete Kymbale respectvoll. Ja… denn die vor mir abgereisten Partner haben das zweite, das achte und das elfte Feld noch nicht uberschritten, wahrend ich durch zwei und vier nach dem sechsten und damit gleichzeitig nach dem zwolften gewiesen bin. Nein… weil es der Staat New York ist, der als das sechste Feld gilt, ‘wo es eine Brucke giebt’, wird allgemein berichtet, und diese Brucke ist der Fu?steig des Niagara. Ach, und der ist ja schon mehr als zu viel bekannt; ich hab’ ihn mindestens schon zwanzigmal besucht! Der ist abgenutzt, sag’ ich Ihnen, ebenso wie der amerikanische und der canadische Fall, wie die Grotte der Winde und die Ziegeninsel! Au?erdem ist es mir auch nicht weit genug von Chicago. Ich will vor allem das Land sehen, nach allen vier Ecken der Union verschlagen werden, will Tausende von Meilen durchmessen…

– Immer unter Rucksicht darauf, fiel der Geistliche ein, da? Sie zur rechten Stunde am rechten Platze sind…

– Wie es sich gebuhrt, Hochehrwurden; glauben Sie mir getrost, da? ich uberall auf die Minute punktlich eintreffen werde.

– Inde? scheint es mir, Herr Kymbale, nahm ein Conservenhandler das Wort, ein Mann, dessen frisches Aussehen fur die Gute seiner Waaren zeugte, da? Sie sich begluckwunschen durfen, den Fu? auf den Boden des Staates New York zu setzen, da Sie sich von da aus ja sofort nach dem von Neumexiko zu begeben haben und diese beiden Staaten grenzen doch nicht grade aneinander…

– Pah, rief der Reporter, ein paar hundert Meilen… mehr trennen sie doch nicht…

– Und wenn man, fugte der Yankee hinzu, nicht gerade nach dem Sudende von Florida oder dem letzten Dorfe von Washington zu gehen hat…

– Das ware gerade mein Fall, erklarte Harris T. Kymbale, so das Gebiet der Vereinigten Staaten von Nordwesten nach Sudwesten zu durchfliegen..

– Verpflichtet Sie aber, fragte der Geistliche weiter, Ihre Sendung nach diesem sechsten Felde, wo sich die Brucke befindet, nicht zur Erlegung eines Einsatzes?

– Was ist dabei? Tausend Dollars… die werden die »Tribune« nicht zu Grunde richten! Von der Station der Niagarafalle werde ich der Zeitung ein Check-Telegramm zugehen lassen, und sie wird sich beeilen, es zu begleichen.

– Ja, lie? sich der Yankee vernehmen, und um so lieber, als dieses Match Hypperbone fur sie ein Geschaft ist…

– Sogar ein ganz ausgezeichnetes, erklarte Harris T. Kymbale zuversichtlich.

– Das ist so gewi?, rief der Chicagoer Kaufmann, da? ich, wenn ich’s uberhaupt thate, nur auf Sie wetten wurde…

– Und daran wurden Sie gut thun!« versicherte der Reporter.

Aus allen Antworten erkennt man leicht, da? sein gutes Selbstvertrauen dem, das Jovita Foley zu ihrer Freundin Lissy Wag hegte, mindestens gleichkam.

»Haben Sie inde?, bemerkte der Geistliche, nicht noch einen Mitbewerber, der meiner Ansicht nach der gefahrlichste sein durfte?

– Welchen meinen Sie, Herr Pfarrer?

– Den siebenten, Herr Kymbale, den, der nur mit den Buchstaben X. K. Z. bezeichnet ist.

– Ah ihn, der als letzter auf die Reise gehen wird! rief der Journalist. O, warum denn? Man uberschatzt ihn doch nur wegen des Geheimnisses, das ihn umgiebt. Er ist der Mann mit der Maske, in den alle, die ihn sehen, vernarrt sind… Sein Incognito wird schon noch aufgeklart werden, und ware es der Prasident der Vereinigten Staaten in eigener Person, so war’ er deshalb doch keinen Pfifferling mehr zu furchten als jeder andere von den Sieben!«

Uebrigens lag ja die Wahrscheinlichkeit nicht nahe, da? der Testator den Prasidenten der Vereinigten Staaten als siebenten Partner erkoren hatte, obwohl es in Amerika keinem Menschen aufgefallen ware, wenn der erste Mann der Union sich mit anderen Bewerbern in den Wettstreit um sechzig Millionen Dollars eingelassen hatte.

Ungefahr siebenhundert Meilen (1120 Kilometer) trennen Chicago von New York, und Harris T. Kymbale brauchte hiervon nur zwei Drittel zuruckzulegen, um nach dem Niagara zu kommen, ohne da? er die gro?e amerikanische Metropole beruhrte. Er hatte auch keine Lust, diese zu besuchen, einfach aus dem Grunde, weil er sie mindestens ebensogut kannte, wie die beruhmten Falle, nach denen er sich zu begeben hatte.

Von Chicago aus fuhrte ihn der Bahnzug um den unteren Busen des Michigansees zunachst in dem an Illinois grenzenden Indiana nach der Station Ainsworth und von da nach Michigan City. Trotz ihres Namens gehort die Stadt aber nicht zu diesem Staate, sie bildet vielmehr einen der Hafen von Indiana.

Wenn der vertrauensselige Reporter unter dem Bahnnetze der Gegend gerade diesen Weg gewahlt hatte,

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