– Gewi?, und mit voller Sicherheit.
– Dann bitte ich darum, Herr Doctor!
– Nun, meine Diagnose lautet: einfache Bronchitis. Der untere Theil der Lungen ist auch leicht erkrankt… es ist etwas Rasseln vorhanden… das Brustfell ist aber nicht mit ergriffen. Vorlaufig ist also keine Pleuresie zu furchten Freilich kann…
– Kann was?…
– Freilich kann die Bronchitis zur Pulmonie, zur Lungenentzundung, ausarten und diese zu einer Lungencongestion. Das ist es, was ich die ernsten Complicationen nenne!«
Der Arzt verschrieb nun die gebrauchlichen Medicamente, Aconittinctur, beruhigenden Syrup, warme Aufgusse und empfahl vor allem strengste Ruhe Mit dem Versprechen, gegen Abend wiederzukommen, ging er eiligen Schrittes fort, uberzeugt, da? sein Empfangszimmer von Reportern schon belagert ware.
Ob die moglichen Complicationen nun eintraten oder nicht… wer konnte das wissen?
Dieser unbestimmten Aussicht gegenuber war Jovita Foley nahe daran, den Kopf zu verlieren. In den nachsten zwei Stunden schien ihr Lissy Wag zwar schwer leidend, aber doch etwas ruhiger zu sein. Da verkundigte ein starkes Frosteln einen zweiten Fieberanfall, der Puls schlug unregelma?ig und schneller und die Erschopfung nahm offenbar zu.
Geistig mindestens ebenso angegriffen, wie die Kranke korperlich, verlie? Jovita Foley ihren Sessel gar nicht mehr. Immer behielt sie die Freundin im Auge, trocknete ihre hei?e Stirn, flo?te ihr einige Loffel Thee ein und uberlie? sich daneben nur trostlosen Grubeleien uber ein so unerhort erscheinendes Ungluck.
»Nein, sagte sie fur sich, nein, Tom Crabbe und Titbury haben am Tage vor ihrer Abfahrt naturlich ebensowenig eine Bronchitis bekommen wie Kymbale und Max Real! Auch dem Commodore Urrican wurde ein solches Ungluck nicht widerfahren sein! Meine arme Lissy aber, die immer so kerngesund war, mu? es treffen! Und morgen… schon morgen wird zum funftenmale gewurfelt!… Wenn wir dadurch nun sehr weit weggeschickt wurden, wenn eine Verzogerung von nur funf oder sechs Tagen uns hinderte, rechtzeitig an Ort und Stelle zu sein, oder wenn gar der 20. herankame, ohne da? wir abreisen konnten… wenn es dann zu spat ist, es uberhaupt noch thun zu konnen… und wir von der Partie ausgeschlossen wurden, ohne auch nur bei deren Anfang betheiligt gewesen zu sein…«
Wenn!… Wenn!… Dieses ungluckselige Bindewort erregte alle Hirnfasern Jovita Foley’s und machte ihr die Schlafe klopfen.
Gegen drei Uhr lie? der Fiebersturm nach. Lissy Wag erwachte aus tiefer Erschopfung, das Aufhusten der Kranken schien etwas kraftiger zu werden. Als sie die Augen offnete, sah sie Jovita Foley uber sich geneigt.
»Nun, fragte diese begierig, wie befindest Du Dich?… Etwas besser, nicht wahr?… Was kann ich Dir geben?
– Etwas zu trinken, bat Mi? Wag mit schwacher, durch das Luftrohrenleiden veranderter Stimme.
– Hier, meine Beste… ein heilsames Getrank… aus schwefelhaltigem Mineralwasser mit warmer Milch!… Nachher, der Arzt hat es so verordnet, erhaltst Du einige Pastillen…
– Ich nehme alles, was Du willst, meine gute Jovita!
– Dann wird sich die Sache ganz allein machen!…
– Ja, ja… ganz allein…
– Du scheinst jetzt weniger zu leiden?
– Ach, Du wei?t wohl, liebe Freundin, antwortete Lissy Wag, wenn das Fieber nachgelassen hat, fuhlt man sich wie zerschlagen und doch etwas wohler…
– Das ist der Anfang der Genesung! jubelte Jovita Foley. Morgen wird es nicht wieder auftreten!
– Der Genesung… schon jetzt?… murmelte die Kranke, die zu lacheln suchte.
– Jawohl… schon jetzt. Wenn der Arzt wiederkommt, wird er bestimmen konnen, wann Du wieder aufstehen darfst.
– Unter uns, liebe Jovita, gesteh’ es nur, ich habe doch keine guten Aussichten.
– Keine guten Aussichten… Du?…
– Ja… ich; das Schicksal hat fehlgegriffen, als es Dich nicht an meine Stelle setzte. Morgen warst Du im Auditorium gewesen… warst an demselben Tage abgefahren…
– Ich ware abgefahren und hatte Dich in einem solchen Zustande zuruckgelassen?… Niemals!
– Ich hatte Dich schon dazu gezwungen!
– Nun, um alles das handelt es sich ja nicht, erwiderte Jovita Foley. Ich bin eben die funfte Partnerin nicht… ich nicht die zukunftige Erbin des seligen Hypperbone… das bist Du allein!… Ueberlege Dir nur recht, meine Liebe! Es ist noch nichts verloren, wenn sich unsere Abreise auch um achtundvierzig Stunden verzogert. Da haben wir immer noch dreizehn Tage fur die Reise… und in dreizehn Tagen kann man von einem Ende der Union bis zum andern gelangen!«
Lissy Wag wollte darauf nicht antworten, da? sich ihre Krankheit um eine Woche oder – wer wu?te es? – vielleicht uber die vorgeschriebenen vier. zehn Tage hinaus hinziehen konnte.
»Ich verspreche Dir, Jovita, begnugte sie sich zu sagen, da? ich mich bemuhen werde, so schnell wie moglich gesund zu werden.
– Mehr verlange ich auch gar nicht… Doch nun genug mit dem Plaudern. Du darfst Dich nicht uberanstrengen. Versuche ein wenig zu schlummern. Ich bleibe an Deiner Seite sitzen.
– Du wirst Dich zuletzt selbst noch krank machen!
– Ich?… Daruber sei nur ruhig. Uebrigens haben wir freundliche Nachbarn, die im Nothfall gewi? an meine Stelle traten. Schlaf’ nur ganz ruhig, meine Lissy!«
Als Jovita Foley von diesen Mittheilungen Kentni? erhielt… (S. 172.)
Nachdem sie mit ihrer Freundin noch einen Handedruck gewechselt hatte, wendete sich das junge Madchen um und schlummerte bald recht sanft ein.
Was Jovita Foley noch nebenbei beunruhigte und erregte, war die Beobachtung, da? die Stra?e am Nachmittage eine in diesem stillen Stadttheile ganz ungewohnte Belebtheit zeigte. Hier herrschte ein Larmen, das selbst in dem von den Freundinnen bewohnten neunten Stockwerk die Ruhe der Mi? Wag zu storen drohte. Geschaftige Leute blieben vor der Nummer neunzehn stehen und stellten an jedermann laute Fragen. Wagen auf Wagen kamen angerasselt und rollten dann eiligst nach den reichen Quartieren der Stadt wieder davon.
»Nun, wie steht es? fragten die einen.
– Nicht gerade gut, antworteten die anderen.
– Man spricht von einem Schleimfieber…
– Nein, von einer typhosen Erkrankung…
– O, das arme Ding!… Es giebt doch wirklich Menschen, die besonderes Pech haben!
– Nun, sie ist doch immerhin eine, die zu dem Match Hypperbone mit gewahlt wurde.
– Ein rechtes Gluck, wenn man nicht daran theilnehmen kann!
– Und wenn Lissy Wag auch im Stande ware, rechtzeitig abzufahren, wer sagt, da? sie auch die Anstrengungen so vielfacher Reisen auszuhalten vermochte?
– Oho, vollkommen… wenn sich die Partie nach wenigen Zugen entscheidet, was ja nicht ausgeschlossen ist.
– Wenn sie aber monatelang dauert?…
– Wei? man denn jemals, wie der Zufall spielt?«
So schwirrten Reden und Gegenreden hundertfach durcheinander.
Selbstverstandlich stellten sich zahlreiche Neugierige – vielleicht an Wetten betheiligte, jedenfalls aber viele Journalisten – an Jovita Foley’s Wohnung ein.
Trotz ihrer Bitten weigerte sie sich aber, die Leute zu empfangen. Infolgedessen tauchten desto mehr einander widersprechende Nachrichten uber die Krankheit auf, die durch Uebertreibung entstanden oder vollig falsch waren, und verbreiteten sich mit Windeseile in der ganzen Stadt. Jovita Foley blieb aber fest; sie trat nur ans Fenster, um den tollen Larm auf der Stra?e zu verwunschen. Eine Ausnahme machte sie nur mit einem Angestellten des Hauses Marshall Field, dem sie ubrigens die beruhigendsten Mittheilungen machte… es handle sich um einen Rheumatismus… einen einfachen Rheumatismus.