mit dem zweiunddrei?igtausend Einwohner zahlenden Mobile aushalten. Dieses erhebt sich auf einer Terrasse im Hintergrunde der fur Seeschiffe jederzeit bequem zuganglichen Bai, nach der es den Namen angenommen hat.

Die Stadt selbst mit ihren niedrigen, im Handelsviertel besonders dicht stehenden Hausern erscheint selbst bezuglich ihrer Einrichtungen fur die Schifffahrt, fur ihre Ausfuhr von Cigarren, Baumwolle und Gemusen, etwas beengt. Sie hat aber Vorstadte, die sich weitlaufig zwischen uppigem Grun ausdehnen.

Der Commodore Urrican hatte nicht ohne Grund angenommen, da? es ihm an Gelegenheit, zur See nach Key West zu gelangen, hier gar nicht mangeln konne. Im Hafen von Mobile laufen ja jahrlich wenigstens funfhundert Schiffe ein. Es giebt aber Menschen, die das Verhangni? nirgends schont, die ihrem schlimmen Geschick niemals entgehen konnen, und diesmal hatte Hodge Urrican alle Ursache, in hellem Zorn aufzulodern.

In Mobile herrschte bei seiner Ankunft gerade ein Ausstand, ein allgemeiner Ausstand der Hafenarbeiter, der am Tage vorher ausgebrochen war und wenigstens mehrere Tage anzudauern drohte. Von den zum Auslaufen daliegenden Schiffen konnte keines in See gehen, ehe nicht eine Verstandigung mit den Rhedern erzielt war, und diese zeigten sich fest entschlossen, die Forderungen der Ausstandigen abzuweisen.

So wartete denn der Commodore am 13., 14. und 15. Mai vergeblich, da? ein Schiff seine Ladung beendigt hatte und abfahren konnte. Die Frachtstucke lagerten auf den Quais, die Kesselfeuer waren geloscht, die Baumwollenballen fullten die Docks, kurz, die Schifffahrt hatte nicht schlimmer gehemmt sein konnen, wenn die Bai von Mobile plotzlich fest zugefroren ware. Dieser abnorme Zustand konnte die ganze Woche, vielleicht noch langer anhalten… Was war nun zu thun?…

Die Parteiganger des Commodore Urrican riethen ihm sehr vernunftigerweise, sich nach Pensacola, einer der wichtigsten Stadte des an Alabama grenzenden Staates Florida zu begeben. Fuhr er mit dem Schnellzuge nach der Nordgrenze von Alabama zuruck und von da wieder hinunter nach der Kuste, so konnte er Pensacola in etwa zwolf Stunden erreichen.

Hodge Urrican – die eine gute Seite mu?te man ihm lassen – war ein Mann des schnellen Entschlusses, der keiner langen Ueberlegung bedurfte und dann. ein Schwanken kannte. Am Morgen des 16. bestieg er also mit Turk aufs neue die Bahn und kam am Abend in Pensacola an.

Noch blieben ihm neun Tage, mehr Zeit, als es bedurfte, sogar mit einem Segelschiffe von Pensacola nach Key West uberzufahren.

Florida, eine in den Golf von Mexiko vorspringende Halbinsel, mi?t etwa vierhundert Meilen (644 Kilometer) in der Breite und dreihundertfunfzig Meilen (564 Kilometer) in der Lange. Diese gro?te Breite findet sich im nordlichen Theile am Fu?e der Halbinsel, wo diese dicht unterhalb Alabamas und Georgias bis zum Atlantischen Ocean reicht. Wenn Thallahassee die Hauptstadt, der Sitz der Regierung ist, so halt Pensacola wieder Jacksonville, der bedeutendsten Stadt, so ziemlich die Wage. Durch ein Netz von Schienenwegen mit dem Innern der Union verbunden, ist Pensacola mit seinen zwolftausend Einwohnern in erfreulichstem Aufschwunge begriffen. Von gro?ter Bedeutung fur den nach einer Fahrgelegenheit spahenden Commodore Urrican war es aber, da? hier im Jahre gegen zwolfhundert Seeschiffe verkehren.

Dennoch verfolgte ihn das Ungluck weiter. Ein Ausstand herrschte zwar in Pensacola nicht, dafur war aber kein einziges Schiff segelfertig, den Hafen – wenigstens nach Sudosten hin – weder nach den Antillen noch nach dem Atlantischen Ocean zu verlassen und folglich war auch an ein Anlaufen Key Wests nicht zu denken.

»Nein, murrte Hodge Urrican, die Lippen zusammenbei?end, nein, entschieden, das geht so nicht weiter!

– Und da ist keiner, den man dafur am Kragen nehmen konnte, antwortete sein Begleiter, der sich wuthend rings umsah.

– Wir konnen aber unmoglich hier eine Woche vor Anker liegen!

– Nein, wir mussen um jeden Preis absegeln, Herr Commodore!« erklarte Turk.

Ja, das war wohl richtig, doch wie war von Pensacola nach Key West zu kommen?

Hodge Urrican verlor keine Minute; er ging von Schiff zu Schiff, von Dampfer zu Segler, erhielt aber immer nur unbestimmte Versprechungen… Man werde ja abfahren… doch die Zeit, die Waaren einzuladen… alles regelrecht zu verstauen… u. s. w., also keine bestimmte Zusage, trotz des hohen Preises, den der Commodore fur die Ueberfahrt bot. Da konnte er sich nicht enthalten, den verwunschten Schiffern und sogar dem Hafencapitan – wie man sagt – den Kopf zurecht zu stutzen, selbst auf die Gefahr hin, hier regelrecht hinter geschlossene Thuren zu kommen.

Kurz, es verliefen zwei Tage, bis zum Abend des 18., und jetzt blieb nur noch ubrig, zu Lande zu versuchen, was sich zu Wasser nicht ausfuhren lie?. Doch welche Beschwerden – die mochten wohl noch angehen – welche Verzogerungen waren da zu furchten!

Man stelle sich die Verhaltnisse nur richtig vor. Erst galt es, Florida, naturlich mittelst Bahnzugs, fast in seiner ganzen Breite in westostlicher Richtung uber Tallahassee bis nach Live-Oak zu durchmessen, darauf wieder nach Suden zu fahren, um Tampa oder Punta Gorda am Meerbusen von Mexiko zu erreichen, das hei?t, etwa sechshundert Meilen (1000 Kilometer) mit Zugen zuruckzulegen, die nicht einmal uberall sofortigen Anschlu? haben. Und das mochte noch angegangen sein, wenn die Bahnlinien nur bis zum sudlichsten Punkte der Halb insel hinuntergereicht hatten. Das war aber auch nicht der Fall. Fand sich dann kein segelfertiges Fahrzeug vor, so blieb noch eine lange Strecke ubrig, die unter den mi?lichsten Umstanden uberwunden werden mu?te.

Dieser Theil von Florida, den die Gewasser des Golfes von Cedar West aus bespulen, ist eine traurige, kaum bewohnbare und wenig bewohnte Gegend. Es war sehr fraglich, ob hier Beforderungsmittel, Post-oder Karrenwagen oder wenigstens Pferde zu beschaffen sein wurden, mit denen man in einigen Tagen bis zur Sudspitze des Landes gelangen konnte. Doch vorausgesetzt auch, da? solche fur hohen Preis zu erhalten waren, wie langsam, muhsam und selbst gefahrlich mu?te die Fahrt vorwarts gehen inmitten der grenzenlosen Urwalder, unter dem dichten Dache der dusteren Cypressenhaine, die oft undurchdringlich und von dem stagnierenden Wasser der Bayous halb uberschwemmt sind, durch die schwankenden Prairien mit Pistiagrasern, wo einem der Boden unter den Fu?en zu schwinden scheint, durch die Dickichte riesiger Champignons, die bei jeder Beruhrung wie Feuerwerkskorper knallen, und durch das Labyrinth sumpfiger Strecken und kleiner Su?wasserseen, worin es von Alligatoren und Lamantins wimmelt und worin die furchtbarsten Vertreter der Familie der Schlangen, jene Trigonocephalen hausen, deren Bi? stets todlich ist! Das ist das schreckliche Gebiet der Evergladen, nach dem sich die letzten Stamme der schonen, aber wilden Seminolen gefluchtet haben, die einst unter ihrem Hauptling Oiseola so unerschrocken gegen die Streitkrafte der Union kampften. Nur diese Eingeborenen vermogen hier genug zu finden, in dem hei?en und feuchten Klima zu leben oder doch zu vegetieren, einem Klima, das der Entwickelung von Sumpffiebern so gunstig ist, die binnen wenigen Stunden die kraftigsten Menschen hinstrecken – und waren es selbst Commodore von dem Schlage eines Hodge Urrican!

Ja, ware dieser Theil Floridas zu vergleichen gewesen mit dem, der sich im Osten bis zum neunundzwanzigsten Breitengrade hinzieht, hatte es sich nur darum gehandelt, von Fernandina nach Jacksonville und nach St. Augustin zu gehen, wo es weder an Flecken und Dorfern, noch an Verkehrswegen fehlt. Aber von Punta Gorda bis zum Cap Salle hinunterzuziehen…

Jetzt war der 19. Mai herangekommen, nur sechs volle Tage waren noch ubrig. Daran, diesen Landweg einzuschlagen, konnte gar nicht gedacht werden.

An diesem Morgen wurde da der Commodore Urrican von einem jener halb amerikanischen, halb spanischen Schiffer angesprochen, die die Kustenfahrt langs der Halbinsel Florida betreiben.

Dieser Schiffer, namens Huelcar, legte, als er zu sprechen begann, die Hand an die Mutze.

»Nun, Herr Commodore, noch immer kein Schiff nach dem Suden Floridas?…

– Nein, antwortete Hodge Urrican, wenn Sie eines wissen, erhalten Sie zehn Piaster als Belohnung.

– Ich wei? eines.

– Welches?

– Mein eigenes.

– Ihr kleines Fahrzeug?

– Ja, die »Chicola«, eine hubsche Goelette von funfundvierzig Tonnen, die bei gunstigem Winde ihre neun Knoten lauft und…

– Ist es ein amerikanisches Schiff?

– Gewi?!

– Und bereit abzufahren?

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