– Sofort bereit. wenn Sie es befehlen,« antwortete Huelcar.
Etwa funfhundert Meilen (800 Kilometer) von Pensacola nach Key West – freilich in gerader Linie – bei einer mittleren Geschwindigkeit von nur funf Knoten, da man Umwege oder ungunstige Winde in Anschlag bringen mu?te, die lie?en sich ja in sechs Tagen recht gut zurucklegen.
Zehn Minuten spater befanden sich Hodge Urrican und Turk schon an Bord der »Chicola«, die sie mit Kennerblicken musterten. Es war ein kleiner, flach gehender Kustenfahrer, eigentlich nur bestimmt, zwischen den Untiefen in der Nahe des Landes hinzusegeln, aber doch mit hinreichend breitem Rumpfe, um eine ziemlich gro?e Segelflache fuhren zu konnen.
Zwei Manner wie der Commodore und der alte Bootsmann waren nicht die Leute dazu, sich vor den Gefahren des Meeres zu furchten. Ueberdies hatte der Schiffer Huelcar diese Gewasser mit seiner Goelette befahren, war vielfach von Mobile durch die Stra?e von Florida nach den Bahamainseln gesegelt und hatte haufig in Key West angelegt.
»Wieviel verlangen Sie fur die Ueberfahrt? fragte der Commodore. – Fur den Tag je hundert Piaster.
– Mit Verpflegung?…
– Ja, naturlich!«
Das war immerhin theuer; Huelcar wu?te die Sachlage auszunutzen.
»Wir fahren sofort ab, befahl der Commodore.
– Sobald Ihr Koffer an Bord ist.
– Wann tritt die Ebbe ein?
– Eben jetzt; in einer Stunde sind wir auf offener See.«
Sich auf der »Chicola« einzuschiffen, war das einzige Mittel, nach Key West zu gelangen, wo der sechste Partner spatestens am Vormittage des 25 eingetroffen sein mu?te.
Um acht Uhr schiffte sich Hodge Urrican nach Begleichung der Hotelrechnung schon ein. Funfzig Minuten spater glitt die Goelette aus der Bai hinaus, und zwar zwischen den Forts Mac Rae und Pickens, die einst von Spaniern und Franzosen errichtet worden waren. Von hier aus steuerte sie aufs hohe Meer hinaus.
Vergeblich das Rufen, vergeblich das Suchen. (S. 215)
Vierzehntes Capitel.
Die weiteren Abenteuer des Commodore Urrican.
Die Witterung war unsicher; von Osten her blies ein frischer Wind. Das von der Halbinsel Florida geschutzte Meer zeigte noch nicht die machtige Wogenbildung des Atlantischen Oceans, und die »Chicola« hielt sich gut unter Segel.
Von der Seekrankheit, die Tom Crabbe so elend mitgespielt hatte, hatte weder der Commodore noch Turk etwas zu furchten. Was die Segelmanover der Goelette anging, waren beide sogar bereit, den Schiffer Huelcar und seine zwei Leute zu unterstutzen, wenn ein plotzlicher Windsto? das etwa nothig machte.
Scharf am Winde liegend, lavierte die »Chicola«, um sich immer unter dem Schutze des Landes zu halten. Hierdurch erlitt die Fahrt zwar eine Verzogerung, uber dem Golf entfesseln sich aber zuweilen furchtbare Sturme, und ein leichtes Fahrzeug darf sich deshalb nicht zu weit hinauswagen, sondern mu? stets in der Nahe der vielen Hafen, Buchten und Flu?mundungen der Halbinsel bleiben, in die Schiffe von geringem Tonnengehalt bequem einlaufen konnen. Bei der jetzt eingehaltenen Fahrt fand die »Chicola« stets eine Einbuchtung, worin sie fur einige Stunden Zuflucht suchen konnte. Freilich ging damit etwas Zeit verloren, und Hodge Urrican hatte, wie wir wissen, nicht viel ubrig.
Der Wind hielt den ganzen Tag und die Nacht uber an, zeigte aber Neigung abzuflauen. Lief er nach der entgegengesetzten Richtung uber, so hatte das die Fahrt in wunschenswerther Weise begunstigt. Leider legte er sich am nachsten Tage fast ganz, und die »Chicola« kam, obwohl sie ihr volles Segelwerk trug, kaum um zwanzig Meilen nach Sudosten weiter. Es mu?ten sogar die Ruder mithelfen, um nicht hinaus nach dem offenen Meerbusen getrieben zu werden. In den nachsten achtundvierzig Stunden kam das Fahrzeug kaum von der Stelle. Der Commodore verzehrte sich vor Ungeduld, lie? aber gegen niemand, nicht einmal gegen Turk, ein Wort daruber fallen.
Von der Stromung im Golfe fortgetragen, befand sich die »Chicola« am 22. doch wenigstens in der Hohe von Tampa, einem Hafenplatze mit funf-bis sechstausend Einwohnern, von dem aus Schiffe mit begrenztem Tonnengehalt in ziemlicher Sicherheit langs der Kuste hinsegeln konnen, obwohl das Fahrwasser von Rissen und Schlammgrunden unterbrochen ist. Die Goelette war von diesem aber gegen funfzig Meilen entfernt und hatte nicht ohne gro?en Zeitverlust dahin steuern konnen, um langs der Kuste Floridas bis zu dessen Sudspitze hinunterzusegeln.
Ueberdies war nach der Windstille des vorigen Tages dem Aussehen des Himmels nach ein bevorstehender Umschlag im Zustande der Atmosphare zu erwarten.
Der Commodore Urrican und Turk tauschten sich daruber ebensowenig, wie die Matrosen der Goelette.
»Wahrscheinlich kommt bald ein Umschlag des Wetters, begann an diesem Morgen der Commodore Urrican.
– Nun, uns konnte es ja nur von Nutzen sein, wenn der Wind nach Westen umliefe, antwortete Turk.
– Ja, das Meer, fuhlt etwas’, bestatigte der Schiffer Huelcar. Sehen Sie dort die langen schweren Wellen und die Dunung, die da drau?en lauft.«
Nachdem er dann den Horizont aufmerksam betrachtet hatte, setzte er, den Kopf schuttelnd, hinzu:
»Ich hab’ es nicht gern, da? es von dieser Seite her weht…
– Uns ist’s aber grade recht, bemerkte Turk, und wenn wir auch ein Hundewetter bekommen… wenn’s uns nur dahin jagt, wohin wir wollen!«
Hodge Urrican schwieg, offenbar beunruhigt durch die Vorzeichen, die zwischen Westen und Sudwesten immer deutlicher hervortreten. So vortheilhaft es ist, eine steife Brise zu bekommen, mu? man dazu doch in der Lage sein, das Meer halten zu konnen – mit diesem Fahrzeug von einigen vierzig Tonnen aber, das auch nur ein halbes Deck hatte… Nein, niemand konnte wissen, was jetzt in der unruhigen Seele des Commodore vorging, und wenn drau?en auf dem offenen Meere schlechtes Wetter herrschte, so herrschte gewi? auch schlechtes Wetter im Innern Hodge Urrican’s.
Am Nachmittage meldete sich der vollig nach Westen umgeschlagene Wind schon durch einzelne heftige Sto?e, denen kurze Windstillen folgten. Die oberen Segel mu?ten gereest werden, und auf dem arg bewegten Wasser tanzte die Goelette wie eine Feder auf und ab.
Noch schlimmer wurde es in der Nacht, so da? man die Segelflache weiter verkleinern mu?te.
Jetzt wurde die »Chicola« mehr als wunschenswerth nach der Kuste von Florida getrieben. Da es an Zeit gebrach, hier Schutz zu suchen, mu?te der Curs nach Sudosten auf die Spitze der Halbinsel zu um jeden Preis beibehalten werden.
Der Schiffer erwies sich als erprobter Seemann, und Turk sicherte, die Hand am Ruder, soviel wie moglich das Abtreiben der Goelette durch die seitlich heranrollenden Wogen.
Der Commodore half der Mannschaft, das Mars-und das Gro?segel mehrmals zu reesen, und man lie? nur ein Kluversegel unverandert stehen. Trotzdem blieb es sehr schwierig, gegen Wind und Stromung, die nach dem Lande zu standen, einigerma?en aufzukommen.
Und in der That, am Morgen des 23. wurde die Kuste, so niedrig sie auch war, durch die am Horizonte wogenden Dunstmassen sichtbar.
Huelcar und seine Leute erkannten sie nicht ohne eine gewisse Unruhe.
»Das ist die Bai von Whitewater,« sagten sie…
Diese tief ins Land einschneidende Bai ist von der Stra?e von Florida nur durch eine Landzunge getrennt, die ganz drau?en auf dem Cap Sable das Fort Poinsett tragt.
Noch zehn Meilen in gleicher Richtung und die Goelette mu?te daneben liegen.
»Ich furchte, wir werden gezwungen sein, in der Bai vor Anker zu gehen, sagte der Schiffer Huelcar.