– Da zu ankern… um bei diesem Winde nicht wieder herauszukommen!« rief Turk.
Hodge Urrican schwieg.
»Wenn wir hier nicht Schutz suchen, fuhr der Schiffer fort, und wenn uns der Wind auf der Hohe des Cap Sable in die Meerenge treibt, dann werden wir nicht in Key West, sondern an den Bahamainseln im offenen Ocean ankommen!«
Der Commodore schwieg noch immer; vielleicht hatte er, da ihm die Kehle zugeschnurt zu sein schien und die Lippen sich krampfhaft auf einander pre?ten, auch kein Wort herausbringen konnen.
Der Schiffer wu?te recht gut, da? die »Chicola«, wenn er jetzt in die Bai von Whitewater einlief, darin wenigstens drei Tage festgehalten werden wurde. Schon war es aber der 23. Mai, und vor Ablauf von achtundvierzig Stunden mu?ten seine Passagiere in Key West eingetroffen sein.
Die Mannschaft uberbot sich nun in Eifer und Geschicklichkeit, das kleine Fahrzeug gegen den Wogenschwall des Meeres im richtigen Curs zu halten, selbst auf die Gefahr hin, den Mast brechen zu sehen oder mit den letzten Segeln zu kentern. So versuchten sie, mit Hilfe eines Kluver-und eines Bugsegels in ihrer Fahrtrichtung zu bleiben. Trotzdem verlor die Goelette im Laufe des Tages und in der folgenden Nacht davon noch etwa zehn Meilen. Drehte der Wind nicht nach Norden oder Suden, so konnte sie nicht widerstehen und lag am nachsten Tage an der Kuste.
Das wurde noch wahrscheinlicher, als sich in den Morgenstunden des 24. das von Felsen eingerahmte und von Rissen bekranzte Land kaum funf Meilen von der gefahrlichen Spitze am Cap Sable zeigte. Nur noch wenige Stunden, und die Goelette mu?te in die Meerenge von Florida hineingetrieben sein.
Mit einiger Muhe und unter Benutzung der eingetretenen Fluth ware es jetzt noch moglich gewesen, sich in die Bai von Whitewater zu fluchten.
»Es geht nicht anders… wir mussen… erklarte Huelcar.
– Nein! entgegnete Hodge Urrican.
– Ich habe keine Lust, mein Schiff einzubu?en und selbst mit zu Grunde zu gehen, wenn wir dabei beharren, noch weiter zu fahren!
– Dein Schiff?… Das kauf’ ich Dir ab…
– Es ist nicht verkauflich!
– Ein Schiff ist stets zu verkaufen, wenn man es uber seinen Werth bezahlt.
– Wieviel bieten Sie?
– Zweitausend Piaster.
– Top, es gilt, antwortete Huelcar, erfreut uber einen so vortheilhaften Handel.
– Das ist das Doppelte seines Werthes, sagte der Commodore Urrican. Tausend sind dabei auf den Kasten gerechnet und tausend fur Dich und Deine Leute.
– Zahlbar wann?…
– Ohne Aufschub, mit einem Check, den ich Dir in Key West ausstelle.
– Einverstanden, Herr Commodore.
– Und nun, Huelcar, hinaus ins Meer!«
Den ganzen Tag uber kampfte die »Chicola« sehr schwer. Wiederholt brachen Sturzseen uber sie herein, ihre Schanzkleidung stand unter Wasser und oft war sie nahe daran zu kentern. Turk regierte sie aber mit starker Hand und die beiden Matrosen arbeiteten mit ebensoviel Muth wie Geschicklichkeit.
Der Goelette war es, dank einer leichten Veranderung des mehr nach Norden umgelaufenen Windes, gelungen, etwas von der Kuste abzukommen. Als die Nacht aber hereinbrach, fing der Wind an schwacher zu werden und die Luft fullte sich mit undurchsichtigen Dunsten.
Das machte die Lage noch unheimlicher. Am Tage war keine Ortsbestimmung moglich gewesen. Befand sich die Goelette nun auf der Hohe des Cap Sable oder war sie schon uber das Gewirr von Klippen, die sich vom Ende der Landzunge bis nach den Markesas-und den Tortugasinseln hinziehen, glucklich hinausgekommen?
Der Schatzung des Schiffers Huelcar nach mu?te die »Chicola« sehr nahe dieser Kette von Eilanden sein, hinter der sich die uberaus schnelle Stromung der Stra?e oder Meerenge von Florida mit dem warmen Wasser des Golfstromes vermischt.
»Ohne die abscheulichen Dunste, sagte er, sahen wir bestimmt schon den Leuchtthurm von Key West, und nun hei?t es, vorsichtig sein, um nicht auf die Felsen zu gerathen. Meiner Ansicht nach ware es besser, den Tag abzuwarten, und wenn sich dann der Nebel zerstreut…
– Ich kann und werde nicht warten!« erklarte der Commodore.
Das war ja auch richtig; er konnte nicht warten, wenn er morgen Vormittag in Key West sein wollte.
Die »Chicola« setzte also ihre Fahrt nach Suden fort und segelte auf dem fast ruhig gewordenen Meere durch den Nebel weiter, als gegen funf Uhr morgens ein harter Sto? und gleich darauf ein zweiter erfolgte.
Die Goelette hatte eine Unterwasserklippe angefahren.
Noch ein drittesmal von der unwiderstehlichen Dunung emporgehoben und iedergeschleudert, wurde sie halb zerstort, und mit eingedrucktem Vordertheil sank sie nach Backbord auf die Seite.
Da erscholl ein lauter Aufschrei.
Turk erkannte die Stimme des Commodore.
Er rief ihn an, erhielt aber keine Antwort.
Der Nebel war jetzt so dicht, da? man die Felsen rings um die Goelette nicht sehen konnte.
Dem Schiffer und seinen Leuten war es gelungen, auf der Klippe Fu? zu fassen.
Vereint mit ihnen suchte und rief Turk in voller Verzweiflung nach seinem Herrn.
Vergeblich das Rufen, vergeblich das Suchen.
Vielleicht zerstreute sich aber der Nebel und vielleicht fand Turk seinen Herrn doch noch lebend wieder?… Er wagte es kaum zu hoffen. Dicke Thranen rollten ihm uber die gebraunten Wangen.
Gegen sieben Uhr begann der Nebel in den unteren Lagen sich aufzulosen und das Meer war nun auf einige Kabellangen zu ubersehen.
Da zeigte sich ein Haufen wei?licher Felsen, gegen die die »Chicola« angelaufen und woran sie geborsten war. Ihr fast ganz zertrummertes Boot war vollig unbrauchbar geworden. Etwa eine Viertelmeile weit dehnte sich von Westen nach Osten die von Wasserarmen unterbrochene Felsenbank aus, an der die Brandung wuthend aufschaumte.
Sofort wurden die Nachsuchungen wieder aufgenommen, und einem der Matrosen gluckte es, den zwischen zwei Riffspitzen eingeklemmten Korper des Commodore Urrican zu entdecken.
Turk eilte herbei, warf sich auf seinen Herrn, schlang die Arme um ihn und hob ihn empor. Er sprach auf den Commodore ein, erhielt aber keine Antwort.
Ein leichter Hauch entfloh aber noch den Lippen Hodge Urrican’s und sein Herzschlag war deutlich fuhlbar.
»Er lebt!… Er lebt!« jubelte Turk.
Hodge Urrican erschien freilich ubel zugerichtet. Beim Fallen war er mit dem Kopfe auf eine Steinkante aufgeschlagen. Blut lief aus der Wunde aber nicht mehr. Sie hatte sich schon von selbst fast geschlossen und wurde nun mit etwas Leinwand verbunden, nachdem man sie sorgfaltig mit aus der Goelette geholtem Su?wasser ausgewaschen hatte. Dann wurde der noch immer bewu?tlose Commodore nach einem hoheren Theile des Eilands getragen, den keine Fluth und keine Welle erreichen konnte.
Der Himmel war jetzt ganz klar geworden, so da? man mehrere Meilen weit deutlich sehen konnte.
Es war neun Uhr zwanzig Minuten, da wies Huelcar plotzlich mit dem Arm nach Westen hin.
»Dort… der Leuchtthurm von Key West,« rief er.
Wirklich lag Key West in dieser Richtung kaum vier Meilen (6•4 Kilometer) von hier entfernt. Ware die Nacht klar gewesen, so hatte man sein Leuchtfeuer rechtzeitig peilen konnen und die Goelette ware nicht zwischen diesen gefahrlichen Klippen gescheitert.
Die Gewasser bei Niederflorida stehen bei den Seeleuten allgemein in ublem Rufe, und es erscheint sehr wunschenswerth, da? die Bundesregierung einen schon allseitig erwogenen Plan zur Ausfuhrung bringe, die Anlage eines Canals, der die Halbinsel zwischen Ferdinandina und Cedar West durchschnitte. Dieser Canal wurde vielen Schiffern zwischen dem Meerbusen von Mexico und dem Oceane gegen funfhundert Meilen (800 Kilometer) Fahrt durch eine der schwierigsten Meerengen der Erde ersparen.
Fur den sechsten Partner im Match Hypperbone schien das Spiel unter den vorliegenden Umstanden wohl so gut wie verloren. Er hatte ja kein Mittel zur Hand, uber die letzte Wasserflache von dem Eiland aus, auf dem die