– Hier!« antwortete Turk im Namen seines Herrn, an dem der Arzt auch jetzt noch kein Zeichen der wiedergekehrten Besinnung entdecken konnte.
Die Depesche hatte folgenden Wortlaut:
»Chicago, Illinois, 8 Uhr 13 morgens, 25. Mai.
Funf, durch drei und zwei, achtundfunfzigstes Feld, Staat Californien, Death Valley.
Tornbrock.«
Der Staat Californien, am anderen Ende des Bundesgebietes, das von Sudost nach Nordwest in seiner ganzen Lange durchmessen werden mu?te!…
Und nicht nur eine Entfernung von mehr als zweitausend Meilen (3200 Kilometer) trennt Californien von Florida, jenes achtundfunfzigste Feld des Edlen Gansespiels war auch das, das mit dem Todtenkopfe bezeichnet war. Wenn der Spieler aber nach diesem gelangte, war er obendrein genothigt, nach dem ersten Felde zuruckzukehren und die Partie von vorn anzufangen!
»O, rief Turk, mochte mein armer Herr lieber gar nicht mehr zu sich kommen, denn von einem solchen Schlage wurde er sich nicht wieder erholen!.
Funfzehntes Capitel.
Der Stand der Partie am 27. Mai.
Der Leser erinnert sich gewi?, da? ursprunglich laut dem Testamente William I. Hypperbone’s die Zahl der Theilnehmer an dem Edlen Vereinigte Staatenspiele auf sechs, durch das Los erwahlte Personen festgesetzt war. Diese »Sechs« hatten sich, der Aufforderung des Meister Tornbrock entsprechend, an dem Leichenzuge betheiligt und waren dicht neben dem Wagen, der jene excentrische Personlichkeit zum Grabe fuhrte, einhergeschritten.
Er hat wohl auch nicht vergessen, da? bei der Versammlung am 15. April, wo der Notar im Saale des Auditoriums den Inhalt des Testamentes verkundigte, unerwartet ein Codicill zum Vorschein kam, das jenen sechs Auserwahlten einen siebenten, nur als X. K. Z. bezeichneten Partner zugesellte. Ob dieser Neuling, beim Losen ebenfalls aus der Urne hervorgezogen oder nur nach Wahl des Verstorbenen bestimmt war… das wu?te kein Mensch. Die so zweifellose Klausel des Codicills konnte naturlich nicht au?er Acht gelassen werden. Jener Herr X. K. Z. – der Mann mit der Maske – geno? dieselben Rechte wie die alten »Sechs«, und wenn er die ungeheure Nachlassenschaft gewann, konnte es niemand einfallen. sie ihm streitig zu machen.
In Beachtung jener Klausel hatte Meister Tornbrock also am 13. dieses Monats um acht Uhr morgens zum siebentenmale offentlich gewurfelt und dabei, man vergesse das nicht, durch sechs und drei Augen neun Punkte erhalten, die dem Herrn X. K. Z. auferlegten, sich nach Wisconsin zu begeben. Erfreute sich dieser siebente Partner auch keiner so ungezugelten Reiselust, wie der Berichterstatter der »Tribune«, fehlte ihm jede Leidenschaft fur eine Ortsveranderung, so konnte er mit jener Entscheidung doch recht zufrieden sein. Mit einer Bahnfahrt von wenigen Stunden erreichte er Milwaukee, und wenn sich Lissy Wag bei seinem Eintreffen noch immer hier aufhielt, mu?te diese ihm weichen und die Partie von vorn an wieder beginnen.
Ob der Mann mit der Maske sich nun beeilt hatte, sofort nachdem ihm der Ausfall des Wurfelns bekannt geworden war, nach Wisconsin zu fahren, obgleich ihm dazu noch volle vierzehn Tag Zeit blieben, das wu?te niemand.
Anfanglich hatte sich das Publicum uber den neuen Theilnehmer am Match vielfach den Kopf zerbrochen. Wer mochte er sein? Jedenfalls ein Chicagoer, da der Testator nur Kinder der Stadt zugelassen hatte. Etwas weiteres wu?te man aber nicht und die Leute blieben deshalb um so neugieriger.
Am 13. dieses Monats, dem Tage des siebenten Wurfelns, stromte denn auch zu allen von Chicago nach Milwaukee verkehrenden Zugen eine gewaltige Menschenmenge auf dem Bahnhofe zusammen.
Die Leute hofften, jenen X. K. Z. an seinem Gange, seiner Haltung, irgend einer Einzelheit oder Originalitat zu erkennen, tauschten sich aber grundlich. Man sah hier weiter nichts als die gewohnten Gestalten von Reisenden aus allen Gesellschaftsschichten, die sich durch nichts von dem gemeinen Sterblichen unterscheiden. Im Augenblicke der Abfahrt wurde aber doch ein wackerer Mann, der es sehr eilig zu haben schien, fur den mit der Maske gehalten und ihm eine ganz unverdiente Huldigung dargebracht.
Am nachsten Tage stellten sich auch noch recht viele Neugierige ein, am zweitfolgenden schon weniger und an den weiteren Tagen nur ein winziges Hauflein, keiner bemerkte aber eine Personlichkeit, die so aussah, als ob sie sich um den Gro?en Preis im Match Hypperbone bewurbe.
Alle, die nun ihr Vertrauen gerade auf den geheimni?vollen X. K. Z. setzten und bereit waren, auf ihn gro?e Summen zu verwetten, thaten nun, was ihnen zu thun allein ubrig blieb, das hei?t, sie suchten bei Meister Tornbrock Auskunft zu erhalten. Dieser wurde denn auch mit Fragen uber jene Personlichkeit fast uberschwemmt.
»Sie mussen doch wissen, woran man sich bezuglich jenes X. K. Z. zu halten hat, behauptete der eine.
– Ich wei? nicht das geringste, versicherte der Notar.
»Sie mussen doch wissen, woran man sich zu halten hat…« (S. 225)
– Sie kennen ihn aber jedenfalls…
– Ich kenne ihn nicht, und wenn es der Fall ware, wurde mir wohl kaum das Recht zustehen, sein Incognito zu luften.
Sofort ergreift der siebente Partner die Depesche… (S. 230.)
– Sie mussen aber mindestens wissen, wo er sich aufhalt, erklarte ein anderer, ob er seinen Wohnsitz in Chicago oder anderswo hat, da Sie ihm doch das Ergebni? des Wurfelns mitgetheilt haben…
– Nichts hab’ ich ihm mitgetheilt. Entweder hat er den Ausfall durch die Tageszeitungen und die Maueranschlage erfahren, oder er hat es selbst mit gehort, als ich im Saale des Auditoriums die Anzahl der Augen verkundigte.
– Sie sind doch aber gezwungen, ihm ein Telegramm uber das ihn betreffende Ergebni? des nachsten Wurfelns am 27. dieses Monates zugehen zu lassen.
– Das werde ich selbstverstandlich absenden.
– Doch wohin?
– Dahin, wo er dann sein wird oder doch sein soll… nach Milwaukee… Wisconsin.
– Und unter welcher Adresse?
– Poste restante, unter den Buchstaben X. K. Z.
– Wenn er aber nicht dort ist?
– Wenn er nicht dort ist, desto schlimmer fur ihn, da geht er aller seiner Rechte verlustig.«
Auf alle »Aber« der Anfragenden hatte Meister Tornbrock immer nur dieselbe Antwort: er wu?te nichts und konnte nichts sagen.
So erlahmte nach und nach das Interesse an dem Mann, den das Codicill erst auf die Buhne gebracht hatte, und man uberlie? es der Zukunft, zu enthullen, wer jener X. K. Z. eigentlich ware. Sollte er das Spiel gewinnen und damit der einzige Erbe der Millionen William I. Hypperbone’s werden, so hallte sein Name doch in allen funf Erdtheilen nach. Gewann er aber nicht, welchen Werth hatte es dann zu wissen, ob er alt oder jung, gro? oder klein, dick oder hager, blond oder braun, reich oder arm und unter welchem Familiennamen er in das Kirchenbuch der Gemeinde eingetragen sei?
Der Verlauf des Spieles wurde nichtsdestoweniger von »der Welt, in der man speculiert«, von den Wettlustigen, den Verehrern des Boom mit gespannter Aufmerksamkeit verfolgt. Die finanziellen Theile der Zeitungen enthielten alltaglich Berichte uber den Stand des Spieles ebenso wie uber die Curse an der Borse. Nicht