»Chicola« zu Grunde gegangen war, hinweg zu gelangen, und mu?te hier also einfach warten, bis zufallig ein Boot voruberkam, das die Schiffbruchigen nach Key West beforderte.

Eine traurige Lage fur die armen Leute, hier auf diesem einem Beinhause ahnlichen Haufen wei?er Felsblocke zu sitzen, die kaum funf bis sechs Fu? uber das Wasser bei Hochfluth emporragten. Rings um sie schwammen neben vielfarbigem Beerentang riesige Phyceen und kleinere Algen umher, die der machtige Golfstrom vom Meeresgrunde abgerissen hatte.

In den Buchten wimmelte es von hunderterlei Fischarten jeder Gro?e und Gestalt; da tummelten sich Sprotten, Rochen, Lippfische, Wolfsbarsche, Elephtiken von wunderbarer Farbung, Silberfische und Karpfenforellen mit bunten Ringstreifen umher, und dazwischen schlichen noch Mollusken, gro?e und kleine Garneelen, Krebse, Hummern, Krabben und Langusten hin.

Von allen Seiten schwammen freilich auch, durch den Schiffbruch angelockt, zwischen den Klippen gefra?ige Haifische heran, vorzuglich jene sechs bis sieben Fu? langen Hammerfische mit ungeheuerem Rachen, die auch fur Menschen sehr gefahrlich sind.

Sie et warteten den Commodore Urrican… (S. 220.)

Vogel schwarmten in zahllosen Scharen umher, wie graue und Silberreiher, Krabbentaucher, Moven, Stei?su?er und Cormorans. Einige gro?e, halb im Wasser stehende Pelikane fischten mit ebensoviel Ernst aber gro?erem Erfolge wie menschliche Fischer und schrien dazu mit »Hohlenstimme«, wie ein franzosischer Reisender sich ausgedruckt hat, ihr widerliches »Hornkorr« hinaus. Von allem, was hatte zum Essen dienen konnen, fand sich auf der Klippe nichts als Unmassen von Schildkroten, die man im Wasser selbst oder auf dem da und dort vorhandenen schmalen Strande hatte erlegen konnen.

Inzwischen verstrich die Zeit, doch trotz der Pflege, an der man es ihm nicht fehlen lie?, schien der ungluckliche Commodore nicht wieder zu sich kommen zu wollen. Die Fortdauer dieses Zustandes versetzte Turk in die gro?te Unruhe. Hatte er seinen Herrn nach Key West schaffen und ihn dort einem Arzte ubergeben konnen, so ware dieser, bei seiner kraftigen Seemannsnatur, wahrscheinlich gerettet worden.

Leider konnten jedoch noch so manche Tage vergehen, ehe sich den Schiffbruchigen Gelegenheit bot, das Eiland zu verlassen, denn die Goelette war unmoglich wieder flott zu machen, da ihr Boden eingeschlagen war, und jedenfalls zerstreute der nachste Sturm ihre Trummer nach allen Seiten.

Selbstverstandlich uberlie? sich Turk gar keiner falschen Hoffnung mehr uber den moglichen Ausgang des Match Hypperbone. Fur Hodge Urrican war die Partie verloren. Wie mu?te er zornig aufbrausen, wenn ihm das Bewu?tsein zuruckkehrte, und diesmal hatte man ihm, gegenuber einem so abscheulichen Ungluck, das wohl verzeihen konnen.

Es war ein wenig uber zehn Uhr, als einer der Matrosen der »Chicola«, der auf den au?ersten Felsstucken Ausguck hielt, einen Ausruf horen lie?.

»Ein Boot… ein Boot!« rief er laut.

In der That naherte sich, von einem leichten Ostwinde getrieben, ein Fischerboot dem Eilande.

Sofort gab Huelcar ein Signal, das von den Leuten im Boote bemerkt wurde, und eine halbe Stunde spater steuerte dieses mit den Schiffbruchigen schon auf Key West zu.

Jetzt dammerte in Turk wieder ein Hoffnungsschimmer auf, und vielleicht hatte auch Hodge Urrican wieder zu hoffen angefangen, wenn er jetzt aus dieser Umnachtung erwacht ware, die ihn fur alle au?eren Vorgange unempfindlich machte.

Von der Brise begunstigt, legte das Boot die vier Meilen recht schnell zuruck, und ein Viertel auf zwolf lag es schon vor Anker im Hafen.

Die auf der zwei Lieues (7•8 Kilometer) langen und halb so breiten Insel Key West gelegene Stadt ist ebenso emporgewachsen, wie etwa Pflanzen bei intensivster Cultur in die Hohe schie?en. Sie bildet schon ein ziemlich bedeutendes Gemeinwesen, das durch Telegraphenlinien mit den ubrigen Staaten des Bundes und mit Havanna durch ein Unterseekabel in Verbindung steht. Der Stadt winkt noch eine gro?e Zukunft, sie wachst auffallend schnell, dank einem Schiffsverkehre, der jahrlich bereits dreihunderttausend Tonnen erreicht. Uebrigens gewahren ihre dunklen Haine von Magnolien und anderen prachtigen Gewachsen der Tropenzone einen hochst anmuthigen Anblick.

Das Boot hatte kaum im Hintergrunde des Hafens angelegt, da sammelten sich schon – Key West hatte jener Zeit achtzehntausend Einwohner – einige hundert Leute um die Schiffbruchigen. Sie erwarteten den Commodore Urrican – und in welch traurigem Zustande zeigte er sich jetzt ihren Augen!

Offenbar war das Meer kein Freund der Partner des Match Hypperbone – denn Tom Crabbe war in Texas als willenlose Masse eingetroffen und der Commodore hier als Leiche, oder doch nahezu als solche, angelangt.

Hodge Urrican wurde nach einem Bureau des Hafens geschafft, wo ein Arzt ihm die erste Hilfe angedeihen lie?.

Der Bewu?tlose athmete noch, und wenn sein Herz auch nur sehr leise schlug, so schien er doch keine Verletzung innerer Organe erlitten zu haben. Als er aus der Goelette gesturzt war, hatte er freilich durch das Aufschlagen an eine Felskante einen Schadelbruch davongetragen und viel Blut verloren, so da? die Annahme einer Gehirnverletzung nicht ausgeschlossen war.

Trotz der gro?ten Sorgfalt, trotz der kraftigsten Massierung, die Turk – und man kann sich wohl vorstellen, mit welchem Eifer – ausfuhrte, kam der Commodore, obwohl er zwei-oder dreimal schwach aufseufzte, doch noch nicht wieder zur Besinnung.

Der Arzt empfahl nun, ihn nach dem Zimmer eines guten Hotels zu schaffen, wenn man nicht vorzoge, ihn dem Krankenhause von Key West zu ubergeben, wo er besser als irgendwo anders gepflegt werden konnte.

»Nein, erklarte Turk bestimmt, weder ins Krankenhaus, noch in ein Hotel…

– Wohin denn?

– Nach dem Postamte!«

Dem wackeren Turk war ein Gedanke gekommen, ein Gedanke, den alle Anwesenden begriffen und fur richtig hielten. Da Hodge Urrican heute am 25. Mai noch des Vormittags – und gegen Wind und Fluth, konnte man sagen – in Key West angekommen war, erschien es ja geboten, da? seine Anwesenheit an dem Orte, wo er am genannten Datum sein sollte, auch officiell bestatigt wurde.

Man besorgte also eine Tragbahre, legte eine Matratze daruber und streckte den Commodore vorsichtig darauf aus. Dann setzte sich der Zug, von einer immer anwachsenden Volksmenge begleitet, langsam in Bewegung.

Die Postbeamten erstaunten nicht wenig uber den Anblick, der sich ihnen darbot, und glaubten an einen Irrthum. Hielten die Leute das Postgebaude denn fur ein Leichenschauhaus?… Als sie aber horten, da? der regungslose Korper der des Commodore Urrican, eines der Partner im Match Hypperbone sei, da verwandelte sich ihr Erstaunen in eine Art mitleidiger Ruhrung. Er war also doch zur Stelle, hier vor dem Telegraphenschalter, wohin ihn die funf und vier Augen der Wurfel aus so gro?er Ferne verwiesen hatten… doch in welch bejammernswerthem Zustande!

Turk trat sofort an das Schalterfenster.

»Findet sich hier eine Depesche fur den Commodore Hodge Urrican? fragte er mit so lauter Stimme, da? ihn alle verstehen mu?ten.

– Bis jetzt noch nicht, antwortete der Beamte.

– Schon, mein Herr, erwiderte Turk, dann bitte ich Sie nur, uns zu bestatigen, da? wir vor deren Eingang hier gewesen sind.«

Diese Thatsache wurde sofort und vor vielen Zeugen auf einem Stempelbogen amtlich bescheinigt.

Es war jetzt dreiviertel auf zwolf Uhr, und es galt nur, das Telegramm abzuwarten, das diesen Morgen doch ohne Zweifel in Chicago aufgegeben war.

Das Warten sollte nicht lange wahren.

Um elf Uhr dreiundfunfzig Minuten erklang die Glocke des Telegraphenapparates, sein Mechanismus trat in Thatigkeit und der bekannte Papierstreif rollte langsam ab.

Sobald der Beamte ihn herausgezogen hatte, las er die Adresse und sagte:

»Eine Depesche fur den Commodore Hodge Urrican.

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