wahres Gluck nennen, da? Turk sich jetzt nicht in den Streit, der dann in schlimmster Weise ausgeartet ware, einmengen konnte.

Hodge Urrican hatte also nicht nur den Schiffbruch der »Chicola« uberlebt, sondern auch Gelegenheit gefunden, Key West wieder zu verlassen. Doch wie?… Jedenfalls mu?te er seine Reise ungemein beschleunigt haben, da er sich am 25. ja noch in Florida befand. Wahrlich, eine richtige Auferstehung vom Tode, denn nach seiner in so hoffnungslosem Zustande erfolgten Landung in Key West mu?ten seine Partner glauben, da? der Match der »Sieben« nur noch unter sechs Theilnehmern zum Austrag kommen werde.

Kurz, Hodge Urrican war in Saint-Louis, und zwar mit Fleisch und Bein, wovon sich sein Mitbewerber eben bei dem Zusammenprall uberzeugt hatte, doch mit noch schlechterer Laune als je. Das erscheint begreiflich; befand er sich doch auf dem Wege nach Californien mit der Verpflichtung, nach Chicago zuruckzukehren und die Partie unter Erlegung des dreifachen Einsatzes wieder von vorn anzufangen.

Harris T. Kymbale, eine gutmuthige Natur, glaubte etwas einlenken zu sollen.

»Meine besten Gluckwunsche, Commodore Urrican, sagte er, denn ich sehe, da? Sie ja nicht todt sind…

– Nein, mein Herr, auch nicht getodtet durch die Rempelei eines Tolpels und vollig im Stande, die unter die Erde zu bringen, die sich ohne Zweifel schon freuten, mich nie wieder auftauchen zu sehen!

– Und das sagen Sie mir? fragte der Reporter, die Stirn runzelnd.

– Ja, Herr, erwiderte Hodge Urrican, der seinem Gegner scharf ins Auge sah, ja, Sie Herr gro?er Favorit!«

Es horte sich an, als ob er das Wort kaute, es zwischen den Backzahnen zermalmte.

Harris T. Kymbale, der auch nicht allzuviel ertrug und allmahlich warm wurde, antwortete:

»Mir scheint, nach Californien zu fahren, um nach Chicago zuruckzukehren, das lehrt die Leute wenig hoflich zu sein!«

Damit beruhrte er beim Commodore den wundesten Punkt.

»Sie beleidigen mich, Herr! rief er.

– Nehmen Sie es auf, wie Sie wollen!

– Nun, ich nehme es schlecht auf, und Sie werden mir fur Ihre Unverschamtheit Genugthuung geben!

– Auf der Stelle, wenn Sie wollen!

– Ja, wenn ich Zeit hatte, knurrte Hodge Urrican, doch ich habe keine.

– So nehmen Sie sich welche!

– Nehmen?… Jetzt nehme ich nur den eben abgehenden Zug, den ich nicht verpassen darf!«

In der That pfiff schon die Locomotive und der in Dampfwolken eingehullte Zug begann sich in Bewegung zu setzen. Es war keine Secunde mehr zu verlieren. Der Commodore schwang sich auf das Trittbrett zwischen zwei Wagen.

»Herr Journalist, rief er mit Donnerstimme noch herunter, Sie werden von mir horen… werden Nachricht erhalten…

– Wann denn?

– Noch heute Abend… im European Hotel.

– Ich werde zur Stelle sein, antwortete Harris T. Kymbale.

– Ah… schon, fuhr er fur sich fort, als der Zug die Halle verlassen hatte, da hat sich der Querkopf aber grundlich getauscht… er ist ja gar nicht in den nach Omaha gehenden Zug gestiegen! Jetzt fahrt er dahin, wo er gar nichts zu suchen hat! Doch gleichgiltig… das geht ja ihn allein an!«

Thatsachlich rollte der Zug in ostlicher Richtung hinaus, in der, die Harris T. Kymbale einzuschlagen hatte, um nach Charleston zu kommen.

Dennoch hatte sich Hodge Urrican nicht geirrt… er kehrte namlich nur nach der nachsten Station, Herculanum, zuruck, wo Turk ihn erwartete. Wegen seines zuruckgebliebenen Koffers war es namlich zwischen dem Commodore und dem Bahnhofsvorsteher von Herculanum zu einer erregten Auseinandersetzung gekommen, zu einem Wortwechsel, in dessen Verlaufe Turk genanntem Vorsteher drohte, ihn in die Feuerbuchse einer seiner Locomotiven zu stecken. Sein Herr hatte ihn beruhigt; sofort benutzte dieser aber einen eben abgehenden Zug, um im Bahnhofe von Saint-Louis seine Reclamation personlich anzubringen. Die Sache war leicht genug zu ordnen; der Koffer sollte telegraphisch verlangt und sofort nach Herculanum befordert werden, und in dem Augenblick, wo Hodge Urrican das Vorstandsbureau verlie?, um auch nach Herculanum zuruckzukehren, war es zu jenem Zusammensto? mit dem Berichterstatter gekommen.

Da sein Gegner jedoch abgefahren war, schlug sich Harris T. Kymbale den ganzen Zwischenfall aus dem Sinne. Er begab sich nach dem European Hotel zuruck, in dem er zufallig selbst abgestiegen war. Nach der Tafel unternahm er einen langeren Spaziergang durch die Stadt, und als er davon zuruckkehrte, handigte man ihm einen Brief ein, der mit dem letzten Zuge von Herculanum gekommen war.

Wahrlich, es bedurfte eines chemisch zusammengesetzten Gehirnes wie dessen, das unter dem Schadeldache Hodge Urrican’s gluhte, eine Epistel wie die nachfolgende aufzusetzen:

»Herr vierter Partner – Sie besitzen ohne Zweifel einen Revolver, so gut wie ich. Ich werde morgen fruh um sieben den Zug benutzen, der von Herculanum nach Saint-Louis abgeht. Ich fordere Sie auf, zu gleicher Stunde den von Saint-Louis nach Herculanum gehenden Zug zu benutzen. Das andert nichts weder an Ihrer Reiseroute noch an der meinigen.

Diese beiden Zuge kreuzen sich um sieben Uhr siebzehn Minuten. Wenn Sie nicht der Mann sind, andere Leute nur zu sto?en, sie zu insultieren, ohne ihnen Genugthuung zu geben, so stehen Sie zum angegebenen Zeitpunkte, und zwar allein, auf dem hinteren Trittbrett des letzten Personenwagens vor dem Gepackwagen, sowie ich mich auf dem Trittbrett des letzten Wagens meines Zuges befinden werde – da werden wir Gelegenheit haben, ein paar Kugeln zu wechseln.

Commodore Hodge Urrican.«

Man sieht es, immer der schreckliche Mann, und noch hatte er Turk nichts von dem vorliegenden Streite, noch von der Herausforderung gesagt, aus Furcht, die Sachlage weiter zu verschlimmern.

Um aber einen seiner wurdigen Gegner zu finden, hatte er sich an keinen Besseren als an den Berichterstatter der »Tribune« wenden konnen. Dieser fuhlte sich ganz auf der Hohe der Situation.

»Nun, wenn dieser Salzharing sich etwa einbildet, da? ich vor ihm zu Kreuze krieche, rief er, so tauscht er sich gewaltig!… Ich werde zur angegebenen Zeit auf meinem Trittbrett ebenso stehen, wie er auf dem seinigen! Die grune Flagge eines Journalisten senkt sich nicht vor der orangefarbenen Flagge eines Commodore!«

Man beachte hierzu wohl, da? in Amerika alle Dinge moglich sind und da? man uber diesen seltsamen Zweikampf deshalb gar nicht zu staunen braucht.

Am folgenden Tage kurz vor sieben Uhr begab sich Harris T. Kymbale also nach dem Bahnhofe, um den Zug zu benutzen, der uber Herculanum nach Columbus an der Grenze von Tennessee geht. Nachdem er einen Platz im letzten Personenwagen, der durch ein Trittbrett mit dem Gepackwagen in Verbindung stand, gewahlt hatte, setzte er sich hier seelenruhig zurecht. Siebzehn Minuten sollten ja noch verstreichen, ehe er sich nach dem Kampfplatz zu begeben hatte.

Die Luft war frisch, der Wind ziemlich stark, und so kam jedenfalls niemand der Gedanke, sich wahrend der schnellen Fahrt au?erhalb der Wagen aufzuhalten.

Der Waggon, worin Harris T. Kymbale sa?, zahlte nur zwolf Passagiere.

Als der Reporter zum erstenmale nach der Uhr sah, wies sie auf funf Minuten nach sieben. Er brauchte also nur noch zwolf Minuten zu warten, und er wartete mit einer Ruhe, die seinem Gegner jedenfalls abging.

Um sieben Uhr vierzehn Minuten stand er auf, nahm auf dem Trittbrette Platz, zog den Revolver aus der Hosentasche, uberzeugte sich, da? alle Kammern geladen waren und wartete nun der Dinge, die da kommen sollten.

Sechzehn Minuten nach sieben Uhr vernahm man vom anderen Geleise her ein zunehmendes Rollen – es kam von dem Zuge, der unter Volldampf von Herculanum heranbrauste.

Harris T. Kymbale erhob den Revolver bis zur Stirnhohe, bereit, ihn in die Horizontale zu senken.

Die Locomotiven flogen aneinander voruber und schleppten dichte Wolken wei?en Dampfes hinter sich her.

Eine halbe Secunde spater krachten gleichzeitig zwei Schusse.

Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату