Genuge es zu wissen, da? das Hauptgericht aus einer ungeheueren, achttausend Pfund schweren Pastete bestand, die in einem riesigen Ofen gebacken worden war und auf einem von zwolf Pferden gezogenen Wagen nach dem Festplatze gebracht wurde. Die Herstellung dieser Pastete erforderte zweitausend vierhundert Pfund Rindfleisch, vierhundert Pfund Kalb-und ebensoviel Lammfleisch, funfhundertsechzig Pfund Schweinefleisch, hundertzwanzig Pfund Butter, dreihundertsechzig Pfund Speck, sechsundsiebzig Kaninchen, hundertachtundachtzig Huhner, zweihundert Tauben, zweitausendachthundert Pfund Mehl und zweihundertvierzig Stuck Wildpret. Das riesige Backwerk ma? vierzehn Fu? in der Breite, vierundzwanzig Fu? in der Lange und sechs Fu? in der Hohe. Mit funf Fu? langen Messern zerlegten es zwanzig Koche, um damit mehrere tausend Personen zu befriedigen, denen daneben noch funftausend Wurstchen aufgetragen worden waren.
Dann brauste der Jubel los, den der Westwind weit aufs Meer hinaus trug:
»Hurrah fur Harris T. Kymbale!… Hurrah fur den vierten Partner!… Hurrah fur die grune Flagge!… Hurrah fur den gro?en Favoriten des Match Hypperbone!«
Funftes Capitel.
Die Hohlen von Kentucky.
Am 26. Mai war Lissy Wag auf dem Markte von Chicago – und die anderen Platze folgten diesem nach – sehr lebhaft »gefragt« und stieg im Curs sogar bis auf drei gegen sieben. Kam anfanglich keine Hausse zu ihren Gunsten zum Durchbruch, so lag das an der vielfach verbreiteten Befurchtung, da? ein junges Madchen nicht hinlangliche Ausdauer besitzen werde, die Beschwerden der einander schnell folgenden Ortsveranderungen auszuhalten, und uberdies verminderte ihre Erkrankung noch das wenige Zutrauen, das sie den Leuten einflo?te.
Zur Zeit lie? die Gesundheit der funften Partnerin inde? nichts zu wunschen ubrig. Au?erdem war der zweite Wurf von sechs Augen, die doppelt zu rechnen waren und womit sie nach Kentucky gewiesen wurde, fur sie recht gunstig gewesen. Einerseits belief sich die Fahrt dahin nur auf wenige hundert Meilen, und andererseits nahm Kentucky auf der Karte das achtunddrei?igste Feld ein. Lissy Wag hatte in zwei Sprungen also mehr als die Halfte der dreiundsechzig Felder uberschritten. Es wird darum niemand wundernehmen, da? Jovita Foley triumphierend die ihrer Freundin zugetheilte gelbe Flagge schwenkte und da? sie diese schon auf den Millionen William I. Hypperbone’s aufgepflanzt sah.
Angenommen, da? Lissy Wag sich dafur interessierte, was man sich von ihren Aussichten versprach, fur die Sinnesanderung, die ihr die Gunst der gro?en Menge zugewendet hatte, so hatte sie wenigstens seit ihrer vorubergehenden Ruckkehr nach Chicago nicht wenig stolz sein konnen.
Bekanntlich hatten Lissy Wag und Jovita Foley sich am 23. beeilt, aus Milwaukee wegzukommen, um da nicht mit dem geheimni?vollen X. K. Z. zusammenzutreffen, was sie ja genothigt hatte, erstens den einfachen Einsatz zu erlegen und zweitens, ihren Platz dem siebenten Partner abzutreten, selbst aber die Partie von vorn anzufangen.
Die beiden Freundinnen trafen namlich in der Hauptstadt von Illinois in bluhendster Gesundheit ein, und da ihre Ruckkehr von den Tageszeitungen gleich gemeldet worden war, stellten sich sofort auch einige Reporter in dem Hause der Sheridan Street ein.
Die Folge dieses Besuches war, da? der »Chicago Herald« noch am namlichen Abend ein Interview veroffentlichte, aus dem hervorging, da? die zwei jungen Madchen sich »in bester Form« befanden, denn jetzt verstand man meist beide unter der gelben Flagge, eine Anschauung, die der kleinen Narrin Jovita Foley naturlich nicht wenig gefiel. Trotz des Drangens Jovitas blieben sie volle funf Tage in Chicago. Es ware ja nutzlos gewesen, viele Hotelausgaben zu machen, und erschien jedenfalls richtiger, im eigenen Hause zu verweilen. Ja, es ware sogar am klugsten gewesen, ebenda bis zu dem Tage vorher zu warten, wo das Telegramm des Meister Tornbrock in Kentucky eintreffen sollte. Am 27. konnte sich Jovita Foley aber nicht mehr halten.
»Wann reisen wir denn ab? fragte sie erregt.
– O, wir haben ja Zeit genug, antwortete Lissy Wag. Bedenke doch. Zeit bis zum 6. Juni, und heute ist, erst der 27. Mai. Das sind volle zehn Tage, und Du wei?t doch, da? man nach Kentucky in vierundzwanzig Stunden kommen kann.
– Ja freilich, Lissy. Wir haben uns aber nicht allein nach Kentucky zu begeben, auch nicht nach seiner Hauptstadt Frankfort, sondern nach den Mammuthhohlen, einem der Wunder der Vereinigten Staaten und vielleicht aller funf Erdtheile. Welch schone Gelegenheit, diese Grotten zu besuchen, und welch ein herrlicher Gedanke des wackeren Herrn Hypperbone, uns dahin zu schicken…
– Das hat er nicht gethan, Jovita, sondern die Wurfel mit ihren als zwolf geltenden Augen…
– Ich bitte Dich… er war’ es also nicht gewesen, der die Mammuthhohlen im Staate Kentucky ausgewahlt hatte? Ich wurde ihm dafur Dank wissen, mein Leben lang, und auch so lange er immer leben mochte, wenn er nicht schon im Oakswoods-Friedhofe schlummerte! Freilich, ware er nicht in der anderen Welt, so konnten wir jetzt nicht um seine Hinterlassenschaft wettlaufen. Doch nochmals, wann reisen wir ab?
– Sobald Du willst…
– Also… morgen fruh…
– Einverstanden… inde?, setzte Lissy Wag hinzu, wir sollten doch wohl Herrn Marshall Field erst noch einen Besuch abstatten…
– Ja, da hast Du recht, Lissy.«
Bei Gelegenheit dieses Besuches uberbot sich Marshall Field ebenso wie das Personal seiner Magazine fast in Gluckwunschen und ermunternden Worten fur die funfte Partnerin und deren von ihr unzertrennliche Gefahrtin.
Am folgenden Morgen entfuhrte ein Schnellzug, auf einer Fahrt von hundertdrei?ig Meilen (209 Kilometer), die beiden Reisenden durch Illinois nach Danville, nahe der Westgrenze von Indiana. Am Nachmittag uberschritten sie diese Grenze und verlie?en den Zug zur Zeit des Mittagsessens in Indianopolis, der hundertzwanzigtausend Bewohner zahlenden Hauptstadt des Staates.
An Stelle Jovita Foley’s und ihrer Gefahrtin hatte Harris T. Kymbale sicherlich einige Zeit darauf verwendet, diesen Staat etwas naher kennen zu lernen, wo man die Ausrottung der Eingeborenen schon seit dem letzten Jahrhundert anfing und in dem franzosische Colonisten mehrfach Niederlassungen gegrundet haben. Jovita Foley glaubte sich aber auf Indianopolis beschranken zu sollen, das der White River durchstromt, ehe er sich in den Wabash ergie?t. Indianopolis ist ubrigens eine der bestverwalteten Stadte der Union, die sich vor allem durch gro?te Sauberkeit auszeichnet.
In dem recht guten Hotel, das die beiden Reisenden bezogen, verwechselte man sie, als sie ihre Namen angegeben hatten, haufig miteinander, jedenfalls weil in dem gro?en, im Gange befindlichen Spiele Jovita Foley weit mehr eine Rolle zu spielen geschaffen schien, als die bescheidene Lissy Wag.
Am 29. um acht Uhr funfzehn fuhren sie mit dem ersten Zuge nach Louisville, das am linken Ufer des Ohio an der Grenze zwischen Indiana und Kentucky, d. h. des Staates liegt, der am eifrigsten fur die Aufhebung der Sclaverei eingetreten war. Um elf Uhr neunundfunfzig war ihre Reise beendigt.
Man hatte Jovita Foley nun getrost sagen konnen, da? Kentucky einen Besuch verdiene, weil es, vorzuglich seit Louisiana ihm die Mundungen des Mississippi abgetreten hat, einer der reichsten Staaten der Union sei, ihre Antwort hatte doch nur gelautet: Mammuthhohlen! – da? es fur Ackerbau und Viehzucht ganz besonders geeignet sei, die besten Pferde in ganz Amerika und den dritten Theil des Tabaks der Vereinigten Staaten liefere, sie hatte doch nur: Mammuthhohlen! geantwortet, – da? es die gro?ten Industriestadte langs des Ohio und Kohlengruben im Gebiet der Alleghanyberge besitze, sie hatte unverandert nur das Wort: Mammuthhohlen! darauf erwidert. Vollig gefangen genommen von jenen beruhmten Grotten, dachte Jovita Foley nicht einmal mehr an Covington und Newport,. die beiden zu Kentucky gehorigen Vororte von Cincinnati, die schon Tom Crabbe und John Milner besucht hatten, nicht an Middlesborough, das auf bestem Wege ist, eine gro?e Stadt zu werden, auch nicht an Frankfort, die heutige, oder an Lexington, die ehemalige Hauptstadt des Staates. Und doch ist die letztere so schon mit ihrem Netze breiter Stra?en, ihrem grunen Laubwerk mit der kostlichen Kuhle darunter, mit ihrer im ganzen Suden beruhmten Universitat und ihrem im besten Rufe stehenden Hippodrom, auf dem das erlesenste Pferdematerial der Neuen Welt zu starten pflegt. Was bedeutete freilich dieses Hippodrom bei seinem beschrankten Umfang gegenuber dem ungeheueren Rennplane der amerikanischen Republik, auf dem jetzt die