Harris T. Kymbale fuhlte den Luftzug von einer Kugel, die seine Wange fast streifte und der er Schlag auf Schlag Antwort gegeben hatte.

Dann verloren sich beide Zuge schnell in der Ferne.

Man darf nicht etwa glauben, da? die Passagiere des Waggons sich, weil sie zwei Schusse horten, etwa aufgeregt. hatten – nein, das war dazu nicht angethan. Auch Harris T. Kymbale nahm, ohne zu wissen, ob der Commodore im Fluge getroffen worden war, ruhig seinen Platz wieder ein.

Dann ging die Fahrt weiter nach Nashville, der jetzigen Hauptstadt von Tennessee am Cumberland River, einer gewerb-und handelsthatigen Stadt von sechsundsiebzigtausend Seelen, ferner nach Chattanooga, ein Name, der in der Cherokesensprache »Das Rabennest« bedeutet – und es ist auch ein strategisches Nest erster Ordnung, am Eingang der Passe, durch die sich Sherman den Durchmarsch mit dem foderierten Heer erzwang. Von hier aus zog er damals durch den Staat Georgia, der seiner Lage wegen den Namen »Der Schlussel zum Suden«, wie Pennsylvanien den »Der Schlussel zum Norden«, erhalten hat.

Nach dem Secessionskriege ist Atlanta, zum Andenken an seinen langen Widerstand, zur Hauptstadt von Georgia erhoben worden. Die in mehr als hundertfunfzig Toisen Hohe und an der Mundung der gangbaren »Schluchten der Appalachen« gelegene Stadt erfreut sich des besten Gedeihens und ist jetzt auch die volkreichste des Staates.

Nachdem der Zug durch Georgia bis zur Stadt Augusta am Savannahflusse, wo sich gro?e Baumwollspinnereien befinden, dahingeeilt war, gelangte er nach dem Gebiet von Sudcarolina, voruber an der Augusta gegenuberliegenden Stadt Hamburg, und hielt endlich an seinem Ziele Charleston an.

Am Abend des 2. Juni war es, wo der Reporter diese weitbekannte Stadt erreichte, und zwar von Santa-Fe in Neumexiko nach einer Fahrt von etwa funfzehnhundert Meilen (2500 Kilometer) – einer Reise, bei der sich das feindliche Zusammentreffen mit Hodge Urrican abspielte.

Hier (in Charleston) berichteten die Zeitungen auch schon uber die Passage der beiden Unzertrennlichen, des Commodore und Turk’s, durch Ogden am 31. Mai, wo diese sich in gro?ter Eile nach den entlegenen Gebieten Californiens begaben.

»Wahrhaftig, so ist es ja am besten, sagte sich Kymbale. Ich bedauere es nicht, ihn gefehlt zu haben. Es ist ein Bar, sogar ein Seebar, doch immerhin ein Bar in Menschengestalt!«

Die Zeitungen enthielten ubrigens keine Andeutung uber das Duell auf der Bahnlinie, von dem nur die zwei Personen etwas wu?ten, die dabei eine Rolle gespielt hatten, und niemals wurde, wenn nicht einer der beiden davon sprach… freilich, auf die Verschwiegenheit eines Lieferanten von interessanten Vorfallen zu rechnen…!

Auf den nahe der Kuste von Sudcarolina gelegenen Inseln war es, wo sich die ersten franzosischen Ansiedler niedergelassen hatten. Nimmt dieser Staat bezuglich seiner Ausdehnung auch nur die neunundzwanzigste Stelle unter den Bundesstaaten ein, so hat er doch nicht weniger als elfhundertzweiundfunfzigtausend Einwohner. Er ist reich durch seine langstapelige, seine Baumwolle, durch seine Ernten an vortrefflichem Reis und er enthalt auch gro?e Phosphatlager. Leider war er durch den Burgerkrieg arg heimgesucht worden. Viele Eigenthumer mu?ten damals ihren Grund und Boden verkaufen, der damit judischen Wucherern in die Hande fiel. Man trifft hier noch recht viele Franzosen, Nachkommen jener Hugenotten, die nach der Aufhebung des Edicts von Nantes ihre Heimat verlassen mu?ten, doch sind, wie Elisee Reclus bemerkt, deren Namen im Laufe der Zeit meistentheils anglisiert worden.

Dieser Staat, in dem die Neger drei Funftel der Bevolkerung bildeten, war der erste gewesen, der die Secessionsacte proclamierte, so da? die Bundestruppen jener Zeit in seinem Gebiete nur das Fort Sumter bei Charleston besetzt halten konnten.

Seine Hauptstadt ist Columbia, ein hubsches Stadtchen mit funfzehntausend Einwohnern, das unter den Kronen von Magnolien und Eichen fast verborgen liegt. Beaufort auf den Sea Islands, mit seinen Hafenanlagen von Port Royal, halt als Ausfuhrplatz fur Baumwolle und Reis der Hauptstadt die Wage. Immerhin bleibt letztere die erste Stadt Sudcarolinas, das im Congre? durch zwei Senatoren und sechs Abgeordnete vertreten ist und sechsundvierzig Senatoren neben hundertvierundzwanzig Abgeordneten in der eigenen gesetzgebenden Versammlung zahlt.

Sudcarolina ist seiner Gro?e nach, wie erwahnt, der neunundzwanzigste, seiner Volkszahl nach der zweiundzwanzigste Bundesstaat. Im sudlichen Theile von den letzten Verzweigungen der Blauen Berge erfullt, erfreut es sich eines sehr gefunden und gema?igten Klimas.

Sein Boden erzeugt im Ueberflu? Weizen, Hanf und Tabak, der dem von Virginia mindestens gleichkommt. In der Mitte des Landes eignet es sich mehr fur die Maiscultur und im Suden fur den Anbau von Baumwolle und Reis. Abgesehen von der Ausbeutung seiner ungeheueren Walder, bieten hier Eisen-und Bleibergwerke, Marmorbruche, Goldadern und Ockerlager der Industrie lebhafte Beschaftigung. Wahrend der Winter au?erordentlich mild auftritt, herrscht im Juni oft eine sehr starke Warme. Schon vom Februar an erwacht gewohnlich die Vegetation, und die Sprossen der Ahornbaume zeigen dann bereits die Spitzen ihrer rothen Bluthen.

Harris T. Kymbale kannte Charleston noch nicht, die Stadt, der der traurige Ruf, der Hauptsitz der Sclavereifreunde zu sein, anhaftet. Ihre Lebenszahigkeit ist so stark, da? sie trotz einer Reihe furchtbarer Katastrophen, trotz der Verwustungen, denen sie mehrfach durch Feuer, Wasser und Erdsto?e und nicht wenig auch durch das Gelbe Fieber ausgesetzt war, ihrer Zerstorung oder ihrem Niedergange immer hartnackig widerstanden hat.

Auf einer niedrigen Halbinsel zwischen den seichten Mundungen des Ashtley und des Cooper und im Hintergrunde eines Hafens mit zwei Eingangen erheben sich, zwischen Alleen und Quaianlagen, das Handelsviertel Charlestons und seine Wohnhauser, die alle mit Veranden versehen und von Magnolien, Granat-und uppig grunen Zedrachbaumen beschattet sind. Etwas au?erhalb, auf Eilanden und vorspringenden Landspitzen, liegen mehrere Festungswerke, darunter das Fort Moultrie, das eines der Arsenale der Union und Sudcarolinas bildet.

Der Quais von Charleston.

Der Hauptberichterstatter der »Tribune« war und blieb das gehatschelte Gluckskind. Keine Ueberschwemmung, keine Feuersbrunst, kein Erdbeben suchte Charleston heim, als er hier angekommen war, nicht einmal eine Epidemie von Vomito negro machte sich bemerkbar. Die wegen der Vornehmheit ihrer Sitten und der Hoflichkeit ihrer Bewohner allgemein bekannte und geschatzte Stadt zeigte sich ihm also im vollen Glanze. Gewi? sollten die wenigen Tage, die das Geschick ihm hier zu verweilen erlaubte, seinem Gedachtnisse niemals entschwinden.

Wollte man sagen, da? Harris T. Kymbale hier mit Begeisterung empfangen worden ware, so bliebe das hinter der Wahrheit zuruck, es verband sich damit vielmehr eine Art Delirium bezuglich des Partners, den die Stadt als den Auserkorenen von den »Sieben« ansah. Die anderen zahlten gar nicht mit. Fur die Charlestoner gab es nur einen einzigen… den, den der Wurf von zehn Augen ihnen zugesendet hatte. Was die Millionen des seligen Hypperbone betraf, so war es so gut, als hatte er sie bereits in der Tasche.

Achtundvierzig Stunden lang drangte eine Einladung die andere, ohne da? der populare Reporter sie ablehnen konnte, ebensowenig wie kleine Ausfluge in die Umgebung, wo die Orangen im Freien wachsen. An den von auffallenden Placaten bedeckten Mauern prangte der Name Harris T. Kymbale’s in leuchtender Schrift und am Abend in gro?en, durch elektrische Gluhlampen gebildeten Buchstaben.

Ein so ausgezeichnet aufgenommener Gast nahm gegen die Stadt eine gro?e Schuld der Dankbarkeit auf sich. Er beabsichtigte auch, wenn er die Partie gewonne – so erklarte er – in Charleston ein Hospiz fur arme Leute ohne Familie zu grunden. Hier ist auch einzufugen, da? eine Menge von Bedurftigen bei der zustandigen Behorde ihre Namen vormerken lie?, um sich die ersten Platze in jener wohlthatigen Anstalt zu sichern. Man sieht, der zukunftige Gewinner zeigte sich in Charleston in Sudcarolina noch freigebiger und edler als in Denver in Colorado.

Inmitten aller jener Festlichkeiten kam der Abend des 3. Juni heran. Vermittelst freiwilliger Zeichnung war ein glanzendes Bankett vorbereitet worden. Es sollte unter dem prachtigen Baumschatten etwas vor der Stadt nach der Mundung des Ashtley zu stattfinden. Die Menge der Theilnehmer begab sich dahin in gro?artigem Aufzuge mit flatternden Fahnen, die die Farben unseres Helden des Tages zeigten. Wir konnen hier nicht naher auf diese Schmauserei eingehen, da es doch unmoglich ware, eine richtige Vorstellung von der Mannigfaltigkeit der Speisen oder von dem Prunk der Tafelausstattung zu erwecken.

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