voraussichtlich ebenso gleichgiltig auf der Fahrt durch das mittlere Californien. Er sagte sich, es sei genug, eigentlich schon zuviel, die Gegenden zwischen Keeler und dem Thale des Todes durchmessen zu haben.

Das von Sacramento gesendete Automobil erwies sich als ein vorzugliches Gefahrt. Es war mit den neuesten Verbesserungen versehen und nach dem in Amerika fast allgemein eingefuhrten Adamson’schen System gebaut. Seine Triebkraft lieferte das Petroleum, von dem es Vorrath fur eine ganze Woche mitfuhren konnte. Selbst in dem Falle, da? unterwegs kein Ersatz fur das verbrauchte Mineralol zu finden war, mu?te das Automobil die vierhundertachtzig Kilometer des Hin-und Ruckweges also ohne Schwierigkeiten zurucklegen konnen.

Jetzt sa?en beide, Hodge Urrican und Turk, auf dem Rucksitze eines bequemen Wagens mit Halbverdeck, der Fuhrer mit einem Gehilfen auf einem Vordersitze, von dem aus sie die Arbeit der Maschine und die Lenkung des Gefahrtes uberwachten. Ganz aus seiner Gewohnheit gerissen, zog sich der Commodore sozusagen vollig in sich selbst zuruck, und Turk vermochte ihm nicht ein einziges Wort zu entlocken. Er dachte an nichts als an die Erreichung seines Zieles, immer gleichsam hypnotisiert von dem jetzt so fernen dreiundsechzigsten Felde, dem er doch schon so nahe gewesen war. Es handelte sich fur ihn nicht um das Geld, das ihm der letzte Wurfelfall kostete, nicht um die Ausgaben fur den Sonderzug und die Automobilfahrt, von dem dreifachen Einsatze, den in Chicago zu erlegenden dreitausend Dollars, ganz zu schweigen, nein, es war fur ihn eine Sache der Eigenliebe und der Ehre… es war die Scham, sich von den sechs anderen Partnern uberholt zu wissen und – gestehen wir es nur ein – die Befurchtung, an der Hinterlassenschaft William I. Hypperbone’s »vorbeizuschie?en«.

Schnell und regelrecht rollte das Automobil von Keeler aus ins Land hinaus, anfanglich auch auf ziemlich guter Stra?e, die der Fuhrer bis zum Death Valley bereits befahren hatte. Sie verlief durch mehr einsam liegende Flecken nahe den letzten Auslaufern der Sierra Nevada, unter denen hier der Whineyberg mit seinem fast vierzehntausend Fu? (4267 Meter) hohen Gipfel aufragte. Nachdem es mehrere Creeks an seichten Stellen passiert hatte, lenkte das Automobil nach Sudosten ein und uberschritt den Chay-o-poo-vapahflu?, wonach es am Ausgang der Walkerpasse das Dorf der Indian Wells erreichte.

Bis hierher war das Land nicht ganz menschenleer gewesen, wenn die darauf verstreuten Farmen auch recht weit von einander lagen. Man begegnete noch zuweilen Landleuten auf dem Wege von einer Ansiedlung zur anderen, oder auch Gruppen von Mohaw-Indianern, denen das Gebiet fruher gehorte. Als Leute, die uber nichts mehr erstaunten, betrachteten diese ruhig das mechanische Gefahrt, das ihnen sicherlich zum erstenmale vor Augen kam. Dem Erdboden fehlte es ebenfalls noch nicht ganzlich an Vegetation; er trug da und dort Gebusche von Creozoten, Gruppen von Mezquiten, Bouquets von Yuccas und Riesencacteen, von denen manche bis acht Toisen (15•60 Meter) ma?en, kurz, Vertreter aller Pflanzenfamilien der Walder Nevadas.

Freilich war das hier nicht das beruhmte Gebiet von Calaveras und von Mariposa, das mit den Baumwundern, dem »Vater des Waldes« und der »Mutter des Waldes«, jenen Riesen, die eine Hohe von mehr als dreihundert Fu? (91 1/2, Meter) haben.

Ware Hodge Urrican, statt nach dem Death Valley gewiesen zu sein, nach dem Yosemitethal im Osten von San Francisco, nach dem mittleren Theile der Sierra Nevada zu, geschickt worden, oder war’ es vielmehr Max Real gewesen, den ein gutiges Geschick dahin gefuhrt hatte, welch herrliche Erinnerungen hatte er – selbst nach den Wundern des Nationalparks von Wyoming – davon mit nach Hause genommen, Erinnerungen an diesen zweiten Park, der noch uber dem zweitausend Toisen (3900 Meter) hohen Syellberge liegt, an dessen Naturschonheiten mit den charakteristischen Namen, wie dem der »Gro?en Cascade« von funfhundert Fu? (152 Meter), dem »Wasserfall des Fruhlings«, des »Spiegelsees«, der »Konigsbogen«, der »Kathedrale«, der »Washingtonsaule« u. a., die alljahrlich von Tausenden von Lustreisenden bewundert werden.

Endlich erreichte das Automobil die Grenze der Wustenei, von der die Erdsenkungen des Death Valley ausstrahlen. Hier herrschte die Stille des Todes. Menschen oder Thiere waren nicht mehr zu erblicken, nur der Sonnenbrand lag auf der endlosen Ebene, die kaum noch Spuren halb abgestorbener Vegetation zeigte. Weder Pferde noch Maulesel hatten hier Futter finden konnen. und es war ein Gluck, da? die Maschine des Wagens nur Petroleumgas brauchte, um diesen fortzubewegen. Da und dort erhoben sich hochstens vereinzelte Foot-hills, Hugel von sehr ma?iger Hohe und umgeben von Chapparals, das sind Dickichte durrer Pflanzenarten. Der druckenden Tageshitze folgten die trockenen und kalten californischen Nachte, deren Rauheit durch keine Thaubildung gemildert wird.

In dieser Weise erreichte der Commodore Urrican am 3. Juni das Ende der Teleskope Ranges, die das Death Valley im Westen umschlie?en.

Es war gegen drei Uhr des Nachmittags. Die Fahrt hatte, ohne jede Rast und jeden Unfall, funfzig Stunden gedauert.

Mit vollem Rechte hat die ode Gegend mit ihrem thonigen Boden, der stellenweise mit salzigen Ausschwitzungen bedeckt ist, den Namen »Land des Todes« bekommen. Das Thal, womit dieses nahe an der Grenze von Nevada endigt, ist im Ganzen weiter nichts als ein neunzehn Meilen (30 1/2 Kilometer) breiter und hundertzwanzig Meilen (193 Kilometer) langer Canon (eigentlich Felsenspalt), dessen Boden von Vertiefungen durchlochert ist, die bis zu drei?ig Toisen (58 1/2 Meter) unter die Meeresflache hinabreichen. An seinen Randern stehen, wie uberhaupt in der ganzen trostlosen Landschaft, nur durftige Pappeln, krankhaft blasse Weidenbaume, durre und sprode Yuccas mit zugespitzten Blattern, ha?liche Beifu?krauter und Tausende von Exemplaren jener blatterlosen Cactusarten, die in Californien Petalinas genannt werden und nur aus Zweigen bestehen, wirkliche Trauercandelaber, die auf dem Felde des Todes aufragen.

Das Death Valley war, nach der Ansicht Elisee Reclus’, in einer fruheren geologischen Epoche zweifellos das Bett eines Flusses, der sich heutigen Tages schon im Soda Lake verliert, und das jetzt nur noch durch den Creek von Amargoza bewassert wird. Die steilen Thalwande starren von Salznadeln, in ihrer Aushohlung lagern Massen von Borax, und von einigen Dunen wird durch die Luftstromungen, die hier zuweilen sehr heftig auftreten, staubiger Sand ins Thal getrieben.

Ja, dieses Thal des Todes war von dem excentrischen Testator vortrefflich ausgewahlt fur den unglucklichen Partner, der im vollen Gange hier aufgehalten wurde.

Der Commodore Urrican war also am Ziele der beschwerlichen Fahrt angelangt. Er machte am Fu?e des Kammes der Funeral Mounts Halt, die ihren Namen zum Andenken an die Karawanen erhalten haben, welche an dieser Unglucksstelle den Untergang gefunden hatten. An der namlichen Stelle gebrauchte Urrican die Vorsicht, eine Urkunde aufzusetzen, die seine Anwesenheit im Death Valley am 3. Juni bescheinigte, ein Schriftstuck, das, nachdem es von Turk und den beiden Fuhrern des Automobils gegengezeichnet war, unter einem Felsblock verscharrt wurde.

Hodge Urrican verweilte kaum eine Stunde an der Schwelle dieses Thales des Todes. Er mu?te diese traurige Gegend auch in der That schnellstens wieder verlassen, um auf dem schon einmal befahrenen Wege nach Keeler zuruckzukommen. Da that er zum erstenmale den Mund wieder auf.

»Abfahren!« war das einzige Wort, das er hervorstie?.

Immer von der Witterung begunstigt, rollte das Automobil uber den hoheren Theil der Wuste der Mohaws, dann durch die Passe von Nevada hinunter und erreichte nach achtundvierzig Stunden, am 5. Juni, elf Uhr vormittags, ohne Unfall die Station Keeler.

Mit drei Worten, doch drei sehr kraftigen Worten, erstattete Urrican seinen Dank dem Wagenfuhrer und dessen Gehilfen, die bei der Erfullung ihrer anstrengenden Aufgabe so viel Eifer und Geschicklichkeit bewiesen hatten. Darauf wendete er sich wieder an Turk.

»Abfahren!« rief er.

Der Sonderzug stand zur Abfahrt bereit im Bahnhofe und wartete nur auf die Ruckkehr des Commodore. Hodge Urrican ging sofort auf den Locomotivfuhrer zu.

»Abfahren!« wiederholte er.

Ein schriller Pfiff und die Locomotive flog uber die Schienen bald mit gro?ter Schnelligkeit dahin. Sieben Stunden spater machte sie in Reno Halt.

San Francisco. – Die Chinesenstadt.

Die Union Pacific benahm sich unter den vorliegenden Verhaltnissen in wunschenswerthester Weise. An ihren streng einzuhaltenden Fahrplan gebunden, hatte sie ihre Fahrzeiten auch nicht um eine Minute verkurzen oder verlangern konnen. Der Zug brauste uber die Felsenberge, durch Wyoming, Nebraska, Yowa, nebst einem

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