verharrte Don Reba, wie um zuzuhoren, dann nahm er wieder Platz, zog eine Tischlade heraus, entnahm ihr einen Sto? Papiere und versenkte sich in die Lekture. Im Rucken Rumatas spuckte jemand aus, das Blasrohr verschwand. Alles war klar. Die Spinnen hatten ihre Losung gefunden. Rumata stand auf, stieg irgend jemandem auf die Fu?e und verlie? endlich das schauerliche Gemach mit den lila Vorhangen.

Der Konig speiste in einem riesigen, zwei Stockwerke hohen Saal. Der drei?ig Meter lange Tisch war fur hundert Personen gedeckt. An der Tafel sa?en der Konig selbst, Don Reba, Personen koniglichen Bluts (zwei Dutzend vollblutiger Personlichkeiten, Vielfra?e und gelernte Saufer), Hof- und Zeremonienminister, eine Reihe von bodenstandigen Adeligen, die aus Tradition eingeladen wurden (darunter auch Rumata), ein paar umherziehende Barone mit holzkopfigen Gattinnen, und ganz am unteren Ende des Tisches jeglicher Klein- und Kleinstadel, nach Privilegien oder auch ohne Privilegien zur koniglichen Tafel geladen. Jene letzteren erhielten zusammen mit der Einladung und ihrer Sitznummer eine Reihe von Verhaltensma?regeln: »Stillsitzen, der Konig hat es nicht gern, wenn man herumwetzt. Die Hande auf den Tisch, der Konig hat es nicht gern, wenn man die Hand unterm Tisch versteckt. Nicht umdrehen, der Konig liebt es nicht, wenn man sich umdreht.« – Bei jedem Essen dieser Art wurde eine ungeheure Menge auserlesenster Speisen verschlungen, ganze Seen alter Weine gesoffen und Berge von Tafelgeschirr aus dem beruhmten estorischen Porzellan zerschlagen. In einem seiner Berichte an den Konig prahlte der Finanzminister damit, da? ein einziges Mittagessen seiner Majestat ebensoviel koste wie der Unterhalt der soanischen Akademie der Wissenschaften fur ein halbes Jahr.

Wahrend er wartete, bis der Zeremonienminister unter dem Klang von Fanfaren dreimal »zu Tisch!« rief, stand Rumata in einer Gruppe von Hoflingen und horte zum zehntenmal Don Tameos Geschichte von dem koniglichen Mahl, an dem er, Don Tameo, vor einem halben Jahr die Ehre hatte, teilzunehmen. » … Ich komme an meinen Platz, wir stehen, kommt der Konig herein, er setzt sich, wir setzen uns auch, das Mahl nimmt seinen gewohnlichen Verlauf. Und plotzlich, stellen Sie sich vor, teure Dons, plotzlich spure ich, da? es unter mir na? ist … Na?! ich getraue mich weder, mich vom Fleck zu ruhren noch mich umzudrehen oder auch nur nach unten zu greifen. Dann aber passe ich einen gunstigen Augenblick ab und fahre mit der Hand nach unten. Und was glaubt ihr? Tatsachlich na?. Ich schnuffle an den Fingern – nein, riecht nicht nach irgendwas Besonderem. Welche Teufelei! Inzwischen geht das Essen zu Ende, alle erheben sich, mir aber, stellen Sie sich das vor, edle Dons, mir ist es irgendwie unheimlich, aufzustehen … Ich sehe, der Konig kommt auf mich zu – der Konig! Ich aber bleibe sitzen auf meinem Stuhl, wie ein Baron aus der tiefsten Provinz, der die Etikette nicht kennt. Seine Majestat tritt dicht an mich heran, lachelt huldvoll und legt mir eine Hand auf die Schulter. >Mein teurer Don Tameo<, sagt er, >wir sind schon alle aufgestanden und gehen uns das Ballett anschauen, Sie aber sitzen noch immer da. Was ist mit Ihnen, sind Sie vielleicht nicht satt geworden?< – >Eure Majestat<, sage ich, >lassen Sie mir den Kopf abschlagen, aber unter mir ist es feucht.< Seine Majestat geruhte zu lachen und befahl mir, aufzustehen. Ich erhob mich – und was glaubt ihr? Lautes Lachen ringsum. Edle Dons, ich bin das ganze Essen hindurch auf einer Rumtorte gesessen! Seine Majestat geruhte aus Leibeskraften zu lachen. >Reba, Reba!< sagte er schlie?lich. >Das sind alles Ihre Streiche! Machen Sie den edlen Don sauber, Sie haben ihm das Gesa? besudelt!< Don Reba biegt sich vor Lachen, zieht seinen Dolch und kratzt die Torte von meinem Hosenboden. Konnen Sie sich meine Lage vorstellen, edle Dons? Ich will es nicht verbergen, ich zitterte und bebte vor Furcht bei dem Gedanken, da? Don Reba, der vor allen erniedrigt worden war, sich an mir rachen wurde. Glucklicherweise fand sich aber alles zum Guten. Ich versichere Sie, edle Dons, das war das glucklichste Ereignis meines Lebens! Und wie der Konig gelacht hat! Und wie seine Majestat zufrieden waren!«

Es ertonten die Fanfaren, der Zeremonienminister rief mit lauter melodischer Stimme zu Tisch, den einen Fu? ein wenig nachziehend, kam der Konig herein, und alle nahmen ihre Platze ein. In den Ecken des Saales war die wachhabende Garde postiert, unbeweglich auf ihre beidhandigen Schwerter gestutzt. Rumata hatte schweigsame Sitznachbarn. Rechts von ihm fullte den Sessel der bebende Schmerbauch des dusteren Vielfra?es Don Pifa, des Gatten einer beruhmten Schonheit, und zu seiner Linken stierte der Dichter Gur ausdruckslos in seinen leeren Teller. Die Gaste blickten angespannt auf den Konig. Der Konig band sich eine mehr graue als wei?e Serviette vor, fuhr mit einem raschen Blick uber alle Schusseln und langte nach einem Huhnerbein. Kaum hatten sich seine Zahne darin festgebissen, als auch schon hundert Messer mit Geklirr auf die Teller niedersausten und sich hundert Hande uber die Schusseln hermachten. Der Saal fullte sich mit Geschlurf und Geschmatz, der Wein rann in Stromen. Die Schnurrbarte der unbeweglich auf ihre beidhandigen Schwerter gestutzten Gardisten gerieten in gierige Zuckungen. In fruheren Zeiten war es Rumata bei solchen Anlassen ubel geworden. Jetzt hatte er sich schon daran gewohnt. Wahrend er mit seinem Dolch den Schenkel eines Widders zerlegte, schielte er nach rechts und wandte sich aber gleich wieder ab: Don Pifa hing mit seinem Oberkorper uber einem im ganzen gebratenen Eber und arbeitete sich hinein wie ein Bulldozzer. Hinter ihm blieben nicht einmal die Knochen zuruck. Rumata hielt den Atem an und leerte auf einen Zug ein Glas Irukanischen. Dann wandte er sich leicht nach links. Der Dichter Gur stocherte lustlos mit einem Loffel in einer Schussel Fleischsalat. »Schreibt Er etwas Neues?« fragte Rumata halblaut. Gur fuhr zusammen.

»Ich schreibe etwas …? Ich? Ich wei? nicht … ja, ja, vielerlei …«

»Gedichte?«

»Ja, ja … Gedichte …«

»Er schreibt abscheuliche Gedichte, Vater Gur.« Gur blickte ganz seltsam zu ihm auf. »Ja, ja, Er ist kein Poet!«

»Kein Poet … Manchmal denke ich daruber nach, was ich eigentlich bin, und wovor ich mich furchte. Ich wei? nicht …«

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