seine Knie und strich uber ihr Haar.
»Das Schlimmste ist schon vorbei«, sagte er. »Und dann, wir wollten doch wegfahren von hier …«
Sie beruhigte sich und druckte sich an ihn. Muga stand mit wackelndem Kopf gelassen neben ihnen und hielt die Hose mit den goldenen Schellen bereit.
»Aber vorher habe ich hier noch viel zu tun«, fuhr Rumata fort. »Heute nacht wurden zahllose Menschen umgebracht. Ich mu? herausfinden, wer noch lebt und wer erschlagen ist. Und ich mu? jenen beistehen, die man noch toten will.«
»Und dir, wer wird dir helfen?«
»Glucklich, der an andre denkt … Und au?erdem wird uns beiden von machtigen Leuten Hilfe zuteil.«
»Ich kann nicht an andre denken«, sagte sie. »Du bist halbtot zuruckgekommen. Ich sehe doch: Man hat dich geschlagen. Und Uno haben sie ganz erschlagen. Wohin haben denn deine machtigen Leute da geschaut? Warum haben sie das Morden nicht verhindert? Ich glaube dir nicht … Ich glaube nicht …«
Sie wollte sich aus seinen Armen befreien, aber er hatte sie fest umfa?t.
»Was soll man machen«, sagte er. »Diesmal sind sie ein wenig zu spat gekommen. Jetzt aber beobachten sie uns wieder und werden uns beschutzen. Warum glaubst du mir heute nicht? Du hast mir doch immer geglaubt. Du hast doch selbst gesehen: Ich bin halbtot zuruckgekommen, und schau mich jetzt an …!«
»Ich will dich nicht anschauen«, sagte sie und versteckte ihr Gesicht. »Ich will nicht wieder weinen.«
»Aber, aber! Diese paar Kratzer? Nicht der Rede wert …! Das Schlimmste ist schon vorbei. Zumindest fur uns beide. Aber es gibt ganz hervorragende, gute Menschen, fur die der Greuel noch nicht zu Ende ist. Und ich mu? ihnen helfen.«
Sie seufzte tief, ku?te ihn auf den Hals und befreite sich vorsichtig. »Komm heute abend«, bat sie ihn. »Kommst du?«
»Auf jeden Fall«, sagte er mit fester Stimme und lachelte. »Ich werde schon fruher kommen und wahrscheinlich nicht allein. Erwarte mich zum Abendessen.«
Sie trat zur Seite, setzte sich in einen Lehnstuhl, umfa?te ein Knie mit beiden Handen und schaute Rumata zu, wie er sich anzog. Wahrend er die Hose mit den Schellen anzog, murmelte er auf russisch vor sich hin (Muga lie? sich sogleich im Turkensitz vor ihm nieder und machte sich daran, die unzahligen Knopfe und Spangen zu schlie?en), zog dann uber sein sauberes Unterhemd wieder das Metalloplasthemd und sagte schlie?lich mit Verzweiflung in der Stimme: »So versteh mich doch, du meine Kleine, ich mu? gehen! Was soll ich denn tun?! Ich kann einfach nicht hierbleiben!« Plotzlich sagte sie nachdenklich: »Manchmal verstehe ich nicht, warum du mich nicht schlagst.«
Rumata knopfte gerade sein Ruschenhemd zu und erstarrte. »Was hei?t das, warum ich dich nicht schlage?« fragte er verwirrt. »Kann man dich denn schlagen?«
»Du bist nicht nur ein guter, ein sehr guter Mensch«, fuhr sie fort, ohne ihm zuzuhoren, »sondern du bist auch ein merkwurdiger Mensch, beinahe wie ein Erzengel … Wenn du bei mir bist, fuhle ich mich stark. Jetzt zum Beispiel bin ich stark … Irgendwann werde ich dich einmal um etwas bitten. Wirst du mir einmal – nicht jetzt, sondern dann, wenn schon alles vorbei ist – von dir erzahlen?« Rumata gab lange keine Antwort. Muga reichte ihm die orangefarbene Weste mit den roten Bandern. Rumata zog sie mit Verachtung an und schnallte den Gurtel fest.
»Ja«, sagte er schlie?lich. »Einmal werde ich dir alles erzahlen, meine Kleine.«
»Ich werde warten«, sagte sie ernst. »Jetzt aber geh, la? dich nicht von mir ablenken.«
Rumata trat zu ihr hin und ku?te sie mit seinen zerschlagenen Lippen fest auf den Mund. Dann zog er den Eisenreif von seinem Handgelenk und hielt ihn ihr hin.
»Steck dir das auf den linken Arm«, sagte er. »Heute wird wohl niemand mehr unser Haus beehren, wenn sie aber trotzdem kommen, zeigst du ihnen diesen eisernen Reif.«
Sie blickte ihm nach, und er fuhlte, da? sie ihm in Gedanken etwas nachrief. – Ich wei?, sie denkt: Ich wei? nicht, vielleicht bist du der Teufel oder der Sohn Gottes oder ein Mensch aus uberseeischen Marchenlandern, aber wenn du nicht zuruckkehrst, mu? ich sterben. Er war ihr aber unendlich dankbar, da? sie schwieg, denn das Weggehen wurde ihm ohnehin ganz ungewohnlich schwer – es war wie ein Kopfsprung von einem smaragdblauen, sonnigen Ufer in eine ubelriechende Pfutze.
8
Zur Kanzlei des Bischofs von Arkanar wollte Rumata auf Umwegen gelangen. Auf leisen Sohlen schlich er sich durch