der Turen zur Kanzlei befanden, verfolgten mit Schrecken und Verwirrung diesen schauerlichen Betrieb. In die Kanzlei wurden alle vorgelassen, manche aber holte man sogar im Konvoi. Rumata drangte sich bis ins Innere durch. Die Luft war dort so dumpf und stickig wie an der Mullgrube. Hinter einem machtigen, mit Papieren vollgehauften Tisch sa? ein Beamter mit einem gelblichgrauen Gesicht. Hinter seinem abstehenden rechten Ohr steckte eine riesige Gansefeder. Der Bittsteller, der gerade an der Reihe war, der edle Don Keu, zuckte hochmutig mit dem Schnurrbart, als er seinen Namen nannte.
»Den Hut abnehmen«, sagte der Beamte mit farbloser Stimme, ohne seinen Blick von den Papieren zu heben.
»Das Geschlecht der Keu hat das Privileg, selbst in Gegenwart des Konigs den Hut aufzubehalten«, erklarte Don Keu stolz. »Niemand hat ein Privileg vor dem Heiligen Orden«, sagte mit derselben farblosen Stimme der Beamte. Don Keu begann zu fauchen, wurde knallrot, nahm aber doch den Hut ab. Der Beamte fuhr mit einem langen gelben Finger uber das Papier. »Don Keu … Don Keu …«, murmelte er, »Don Keu … Konigstra?e Nummer zwolf?«
»Ja«, sagte Don Keu mit seiner fetten, gereizten Stimme. »Nummer vierhundertfunfundachtzig, Bruder Tibak.« Bruder Tibak, himbeerrot vor Fettsucht und Atemnot, sa? am Nachbartisch. Er stoberte in den Papieren, wischte sich den Schwei? von der Stirn, erhob sich und verlas mit monotoner Stimme:
»Nummer vierhundertfunfundachtzig, Don Keu, Konigstra?e zwolf, wegen Schmahung des Namens seiner Herrlichkeit des Bischofs von Arkanar, Don Reba, vor zwei Jahren beim Hofball, wird verfugt: Drei Dutzend Schlage auf die entblo?ten Weichteile und Kussen des Schuhs seiner Herrlichkeit.«
Bruder Tibak nahm wieder Platz. »Gehen Sie in diesen Korridor«, sagte der Beamte mit der farblosen Stimme, »die Schlage rechts, der Schuh links. Der nachste …«
Zu Rumatas gro?em Erstaunen versuchte Don Keu gar nicht zu protestieren. Offenbar hatte er schon so einiges gesehen, wahrend er in dieser Schlange gewartet hatte. Er krachzte nur einmal auf, strich sich mit Wurde seinen Schnurrbart zuruck und entfernte sich in den Korridor.
Der nachste war der vor Fett zitternde gigantische Don Pifa. Er trat bereits ohne Hut vor den Tisch. »Don Pifa … Don Pifa …«, quakte der Beamte und fuhr mit dem Finger uber das Papier. »Milchkrugstra?e Nummer zwei?« Don Pifa gab einen gurgelnden Laut von sich. »Nummer funfhundertvier, Bruder Tibak.« Bruder Tibak fuhr sich wieder uber die Glatze und stand auf. »Nummer funfhundertvier, Don Pifa, Milchkrugstra?e zwei, durch nichts aufgefallen vor seiner Herrlichkeit – folglich rein!«
»Don Pifa«, sagte der Beamte, »empfangen Sie das Zeichen der Reinigung.« Er buckte sich, zog aus einer Kiste neben seinem Stuhl einen eisernen Armreif und gab ihn dem edlen Pifa. »Zu tragen am linken Handgelenk, vorzuweisen auf die erste Aufforderung der Kampfer des Ordens. Der nachste …«
Don Pifa gab noch einmal einen gurgelnden Laut von sich und beaugte im Weggehen seinen Armreif. Der Beamte mit der farblosen Stimme quakte schon den nachsten Namen. Rumata betrachtete die Schlange der Wartenden. Es waren viele bekannte Gesichter dabei. Einige waren reich bekleidet wie immer, andere waren sichtbar verarmt, aber alle waren grundlich mit Dreck bespritzt. Irgendwo in der Mitte der Schlange erklarte Don Sera nun schon zum drittenmal in den letzten funf Minuten mit lauter Stimme, damit es alle horten: »Ich sehe nicht ein, warum nicht auch ein edler Don ein paar Schlage empfangen soll, im Namen seiner Herrlichkeit!«
Rumata wartete ab, bis sie den nachsten in den Korridor schickten (es war ein bekannter Fischhandler, sie verfugten ihm funf Schlage ohne Schuhkussen wegen unerlaubter Gedankengange), rempelte sich bis zum Tisch vor und legte ohne viele Umstande seine Hand auf die Papiere der Beamten.
»Ich bitte um Verzeihung«, sagte er. »Ich brauche einen Erla? zur Befreiung Doktor Budachs. Ich bin Don Rumata.« Der Beamte hob nicht den Kopf.
»Don Rumata … Don Rumata …«, murmelte er, schob Rumatas Hand beiseite und fuhr mit dem Finger uber das Papier. »Was tust du da, du altes Tintenfa??« sagte Rumata. »Ich brauche einen Befreiungserla?!«
»Don Rumata … Don Rumata …«, diesen Automaten zu stoppen war wohl unmoglich. »Spenglerstra?e acht. Nummer sechzehn, Bruder Tibak.« Rumata spurte, wie hinter seinem Rucken alle den Atem anhielten. Aber auch ihm selbst, wenn er ehrlich sein wollte, war nicht ganz geheuer. Der himbeerfarbene, schwei?uberstromte Bruder Tibak erhob sich:
»Nummer sechzehn, Don Rumata, Spenglerstra?e acht, fur spezielle Verdienste um den Heiligen Orden des besonderen Dankes Seiner Herrlichkeit wurdig. Seine Herrlichkeit geruhen also, ihm einen Erla? zur Befreiung des Doktor Budach auszustellen, mit welchem besagten Mann er nach eigenem Ermessen verfahren moge, siehe Blatt 6/17/11.«
Der Beamte zog dieses Blatt sogleich aus dem Papiersto? und ubergab es Rumata.
»Durch die gelbe Tur, in den zweiten Stock, Zimmer sechs, geradeaus durch den Korridor, zuerst rechts und dann links«, sagte er, ohne eine Miene zu verziehen. »Der nachste …« Rumata uberflog das Blatt. Es war nicht der Erla? zur Befreiung Budachs. Es war blo?