Es schien, als ob er nicht davon uberzeugt ware, dass ich einen ernsten Grund hatte, ihn in dieser Fruhe zu wecken, und er sich nur aus Hoflichkeit zuruckhielt. Vielleicht sprudelte es deshalb sofort aus mir heraus:

»Kapitan Stasj, ich habe die Beulenpest. Sie wissen doch bestimmt, was in diesem Fall zu tun ist!«

»Was erzahlst du fur einen Unsinn, Tikkirej?«, erwiderte der Kapitan entschieden.

»Das ist kein Unsinn!«, schrie ich, sprang auf und ging zuruck, damit er die roten Flecken auf meinem Korper sehen konnte. »Ich habe die Beulenpest! Das ist au?erst gefahrlich!«

»Woher kommst du?«, wollte der Kapitan nach kurzem Uberlegen wissen.

»Vom Karijer. Das ist ein Planet, auf dem Erz abgebaut wird. Ich bin als Modul auf dem Raumschiff Kljasma geflogen, dann landeten wir irgendwo, ohne dass ich ausstieg, kamen hierher, ich durfte den Vertrag losen, aber wir waren sicherlich auf dem Planeten, wo die Epidemie…«

»Halt fur eine Sekunde die Luft an«, erwiderte Stasj sehr ruhig. »Geh zum Bildschirm und sieh in die Kamera. Komm mit dem Gesicht ganz nahe.«

Das machte ich.

»Bleib in deinem Bungalow sitzen und geh nirgendwohin«, befahl Stasj nach einer Pause. »Ich komme gleich zu dir. Verstanden?«

»Ich bin sehr ansteckend«, meinte ich.

»Das habe ich schon gemerkt. Bleib, wo du bist.«

Kapitel 4

Der Kapitan kam nach rund funf Minuten. Ich hatte vorab die Tur geoffnet, und als die Klingel ertonte, rief ich laut: »Herein!«

Ich hatte erwartet, dass er einen Schutzanzug tragen wurde, aber Kapitan Stasj hatte nicht einmal eine Uniform an, sondern ganz gewohnliche Kleidung — Jeans und Hemd. Lediglich an seinem Gurtel befand sich eine Pistolentasche.

»Stell dich hin, Tikkirej«, sagte Stasj, als er neben der Tur stand.

Ich erhob mich.

»Dreh mir den Rucken zu. Gut. Setz dich…«

Vollig unbeeindruckt kam er zu mir, fasste mich ans Kinn, bewegte meinen Kopf und schaute mir aufmerksam in die Augen. Er fragte: »Hast du starken Schnupfen?«

»Ja…«

»Sag mir, Tikkirej, warst du bei eurem Arzt, bevor du das Raumschiff verlassen hast?«

»Nein.«

»Junge, was bist du dumm…«, meinte Stasj und begann zu lachen. Ich hatte nie gedachte, dass es unter Raumschiffkapitanen solche Sadisten geben wurde! Er lachte mir direkt ins Gesicht, mir, der ich an der Pest starb!

»Das ist unbegreiflich. Marsch, ins Bett!«

Ich verstand gar nichts.

Stasj aber holte aus seiner Tasche eine kleine Schachtel, nahm eine schon aufgezogene Einmalspritze heraus und wiederholte: »Leg dich jetzt hin und zieh die Hosen runter.«

»Beulenpest ist unheilbar…«, flusterte ich.

»Du hast doch gar nicht die Pest!« Er hob mich leicht an und schubste mich ins Bett.

»Na los. Wenn du dich schamst, dann halt die Hand davor, dann tut es aber doller weh.«

»Was wollen Sie mir spritzen?«

»Einen Immunmodulator.«

Es war ihm offensichtlich lastig, mit mir zu streiten. Also bestand er darauf, dass ich mich hinlegte und die Hosen herunterlie?, und stach mir die Spritze in die Pobacke.

Ich jammerte.

»Es wird ein bisschen brennen, aber das ist nicht zu andern«, sagte Stasj und injizierte die Flussigkeit. »Nimm es als Bezahlung fur die eigene Dummheit.«

»Und was habe ich?«

»Eine Allergie. Eine ganz gewohnliche Allergie auf einen neuen Planeten. Du bist ein wunderlicher Mensch, hast wohl keine Bucher gelesen, bist nie im Kino gewesen, hast den Unterricht geschwanzt? Bevor ein beliebiger Planet betreten werden kann, auch wenn es das Paradies ware — und dann gerade, weil dort viel Grunzeug ist -, muss ein Immunmodulator eingenommen werden. Hier gibt es Blutenstaub, Staubpartikel, Sporen, Samen, Teilchen der fremden Biosphare — dein Immunsystem spielt verruckt, verstehst du das?«

Was bin ich nur fur ein Idiot!

Ich versteckte meinen Kopf im Kopfkissen, zog die Jeans hoch und schwieg. Am meisten auf der Welt wunschte ich mir jetzt, dass Kapitan Stasj gehen wurde. Selbst wenn ich an dieser damlichen Allergie sterben wurde.

Aber der Kapitan ging nicht weg.

»Peinlich?«, wollte er wissen.

Unwillkurlich nickte ich, obwohl das schwer ist, wenn man liegt und seinen Kopf im Kopfkissen vergrabt.

»Ist schon gut, das kann jedem passieren«, sagte der Kapitan. »In einem historischen Roman las ich von einem fast identischen Vorfall. Nur dass dort ein Erwachsener zu viele Erdbeeren gegessen hatte, worauf sich sein Korper mit allergischem Ausschlag bedeckte. Er selber hielt es fur eine spontane bedingt positive Mutation… Ubrigens, du hattest wirklich sterben konnen. Wenn du noch langer gezogert hattest und es zu einem Lungenodem oder einem anaphylaktischen Schock gekommen ware. Unangenehm, oder? Wegen irgendwelcher dummer Blutenstaub- oder Samenkorner!«

»Verzeihen Sie mir…«, flusterte ich.

»Erzahl mir lieber von deinem Leben, Tikkirej vom Raumschiff Kljasma.«

»Ich bin nicht von der Kljasma, ich bin nur zwei Wochen da mitgeflogen.«

»Als Modul, hast du schon gesagt. Erzahl mal, wie du da hineingeraten bist und dich wieder herausgewunden hast.«

Ich setzte mich auf das Bett. Die Spritze tat, ehrlich gesagt, gehorig weh, aber ich lie? mir nichts anmerken. Kapitan Stasj sah mich lachelnd an.

Vielleicht fuhlen das alle, vielleicht nur einige, aber ich wusste immer, ob sich ein Mensch wirklich fur mich interessiert oder ob er sich nur aus Hoflichkeit mit mir beschaftigt. Unsere Psychologielehrerin, bei der es immer interessant war, erklarte, dass es sich beim Erspuren der Stimmung eines Gesprachspartners um eine kompensatorische Verteidigungsfahigkeit der kindlichen Psyche handeln wurde. Mit zunehmendem Alter verliere sich diese bei fast allen.

Fur Kapitan Stasj war es interessant. Der Kapitan der Kljasma, dessen Namen ich nicht einmal kannte, hatte mir auch eine Spritze gegeben, um mich zu retten, und ware dann gegangen. Der Alteste der Kljasma hatte mir noch meine Fehler erlautert. Der Arzt Anton hatte mir sicher zugehort.

Aber Stasj wollte sich mit mir unterhalten, obwohl er ziemlich sauer war, dass ich ihn so zeitig geweckt hatte.

Und ich begann zu erzahlen. Von Anfang an — also ab dem Zeitpunkt, als Papa entlassen wurde.

Als ich Stasj das verfassungsma?ige Sterberecht eines jeden Burgers erklarte, fluchte er, nahm eine Zigarette und begann zu rauchen. Bei uns auf Karijer rauchte kaum jemand: Dazu musste ein Zusatzbetrag fur die Lebenserhaltung gezahlt werden.

Bis zum Ende meines Berichts rauchte Stasj drei Zigaretten. Es sah so aus, als hatte ihn meine Erzahlung sehr stark mitgenommen.

»Wei?t du, Tikkirej, anfangs dachte ich, dass es eine Falle ware«, sagte er endlich.

»Was fur eine Falle?«

»Dein Anruf. Wegen der Beulenpest. Es war klar, dass du keine Pest hast — die Pupillen waren nicht geweitet, du hattest keinen Ausschlag uber den Augenbrauen… also, Angst vor Ansteckung hatte ich nicht. Und

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