wieso hast du einen Unbekannten angerufen?«

»Ich dachte mir, dass Sie als Raumschiffkapitan…«

Stasj nickte. »Ja, naturlich. Aber das alles ahnelte sehr einer Falle oder einer Provokation. Ist schon gut, Tikkirej, lassen wir das. Es sieht ganz danach aus, als ob ich nach den letzten Tagen ziemlich ausgepowert bin und jetzt Angst vor meinem eigenen Schatten habe. Sag, was hast du nun vor?«

Interessant, wer, und warum, sollte dem Kapitan eines Raumschiffs eine Falle stellen? Ich hatte davon noch nie gehort, entschied mich aber, nicht zu fragen.

»Ich werde auf meine Aufenthaltsgenehmigung warten.«

Er nickte.

»Wissen Sie«, erlauterte ich, »wenn die Regierung von Neu- Kuweit wirklich an Einwanderern interessiert ist, dann musste sie doch jeden Einzelfall differenziert betrachten? Stimmt’s? Und ich bin jung, gesund, habe einen guten Neuroshunt…«

»Welchen hast du?«

»Kreativ-Gigabit.«

»Chipversion?«

»Eins null eins.«

»Tja…«, Stasj lachelte, »in eurem Schlangennest — du musst schon entschuldigen, mein Freund — kann es vielleicht als gut gelten. Das hier ist ein reicher Planet, der schon seit langem auf modernere Module umgestiegen ist. Ich habe auch einen Kreativ, aber Version eins null vier.«

»Ist das die Wahrheit?«

»Die absolute Wahrheit. Ich bin dagegen, den Schrott jedes Jahr auszuwechseln. Aber auf eine bevorzugte Bearbeitung deines Antrags wurde ich nicht eben setzen, Tikkirej.«

»Aber was soll ich machen, Kapitan Stasj?«

Irgendwie spurte ich, dass ich ihm gegenuber vollig offen sein und um Rat fragen konnte, ohne mich schamen zu mussen.

»Ich uberlege, Tikkirej. Ich wurde dir gern helfen, wei? aber im Augenblick noch nicht, wie sich meine eigenen Sachen entwickeln.« Er lachelte. »Hat sich das Jucken gelegt?«

Uberrascht stellte ich fest, dass es wirklich aufgehort hatte.

»Ja!«

»Gut. Ich muss jetzt los, Tikkirej. Wenn du mir Gesellschaft leisten mochtest, konnen wir gemeinsam fruhstucken.« Er lachelte wieder. »Ich lade dich ein.«

Ich lehnte naturlich nicht ab. Ich musste jetzt eisern sparen. Nach einer Stunde, Kapitan Stasj hatte das Motel bereits in eigener Sache verlassen, sa? ich mit einer Tasse Kaffee auf der offenen Terrasse des Restaurants und beobachtete den Sonnenaufgang. Der Kapitan hatte mir empfohlen, einige Tage auf Safte und frisches Obst zu verzichten. Selbstverstandlich hielt ich mich daran. Au?erdem schmeckten Tee und Kaffee hier besonders gut.

Und zudem gab es keine Kuppel uber dem Kopf…

Den eigentlichen Sonnenaufgang konnte ich nicht sehen, der Wald storte.

Es war aber trotzdem beeindruckend, wie der Himmel hell wurde, sich von Schwarz in Tiefblau farbte, wie die Sterne verblassten — alle au?er den zwei, drei hellsten, die auch tagsuber zu sehen waren, wenn man genau hinschaute.

Ab und an flogen Linienflugzeuge oder winzige Flyer in gro?er Hohe voruber. Raumschiffe starteten mindestens einmal pro halbe Stunde. Ich hatte mich noch niemals so wohl gefuhlt. Und die Hauptsache war, dass ich jetzt endgultig davon uberzeugt war, dass ich immer und uberall guten Menschen begegnen wurde. Solchen, wie der Mannschaft der Kljasma oder Kapitan Stasj.

Wie sollte ich da nicht mit meinen Problemen fertig werden?

»He, kann ich mich zu dir setzen?«

Ich wandte mich um und erblickte einen Jungen meines Alters, vielleicht etwas alter. Er stand da mit irgendeinem Getrank und schaute mich recht unfreundlich an.

»Na sicher, setz dich.« Ich ruckte sogar etwas meinen Stuhl, um ihm am Tisch Platz zu schaffen.

»Hier ist der beste Platz, um den Sonnenaufgang zu beobachten«, erklarte der Junge, »hast du dich deshalb hierher gesetzt?«

»Ja. Das ist also dein Platz?«

»Meiner. Okay, bleib sitzen, ich habe ihn ja nicht gepachtet.«

Wir beaugten uns vorsichtig. Bei Erwachsenen ist es einfach, herauszufinden, ob sie gut oder schlecht sind. Er jedoch war mein Altersgenosse und ahnelte uberhaupt keinem meiner Freunde. Er war dunkel, dunn und sicher floss eine gro?e Portion asiatischen Bluts in seinen Adern.

Seine Frisur war sehr eigenartig, seitlich verschoben, sodass der Neuroshunt uber dem rechten Ohr unbedeckt war. Bei uns war es umgekehrt: Alle verdeckten den Shunt mit den Haaren. Er trug einen wei?en Anzug, als ob er gerade auf dem Weg ins Theater oder zu einer Versammlung ware.

»Wie hei?t du?«, fragte der Junge.

»Tikkirej. Oder Tik, oder manchmal Kir. Aber das ist fur Freunde.«

Er dachte einen Moment lang nach.

Dann sagte er: »Ich hei?e Lion. Nicht Leon, sondern Lion. Kapiert?«

»Kapiert.«

Wir verstummten. Die Kellnerin ahnte, dass wir nichts mehr bestellen wurden und verschwand in den Tiefen des Restaurants.

»Kommst du von hier?«, wollte Lion wissen.

»Nein, ich bin erst gestern gelandet. Ich komme vom Karijer. Das ist ein Erzplanet.«

Lion sagte lachelnd: »Und ich bin schon seit einer Woche hier. Wir kommen von Service-7, das ist eigentlich gar kein Planet, sondern eine Raumstation im offenen intergalaktischen Raum. Dort gibt es eine bequeme Zeittunnelkreuzung, und deshalb wurde beschlossen, eine Raumstation zu bauen! Die nachste Kolonie von uns ist Dshabber in acht Lichtjahren Entfernung.«

»Oho!«, rief ich aus.

»Meine Eltern haben beschlossen, dass es an der Zeit ware, auf einen Planeten umzuziehen und nicht weiter als Kosmonauten zu leben. Ich habe noch eine jungere Schwester und einen Bruder. Wenn du sie argerst, poliere ich dir die Fresse!«

»Aber ich habe doch gar nicht vor, sie zu argern!«

»Ich sage das fur den Fall der Falle«, teilte Lion mit, »damit du Bescheid wei?t. Hast du Geschwister?«

»Nein.«

»Und was sind deine Eltern? Mein Vater ist Ingenieur, meine Mutter Programmiererin.«

»Meine Eltern sind gestorben.« Ich ging nicht ins Detail.

»Oh, entschuldige«, Lion anderte sofort seinen Ton. »Und mit wem bist du hier?«

»Allein.«

»Hast du etwa eine Staatsburgerschaft?«

»Ja, die des Imperiums.«

Es sah ganz so aus, als ob er mich ein wenig beneidete. Nur warum? Bei uns erhalt man die Staatsburgerschaft, sobald der Verbrauch von Sauerstoff und Nahrungsmitteln die Halfte der Erwachsenenration betragt.

»Und du mochtest nach Neu-Kuweit umziehen?«

»Ja.«

»Prima«, Lion streckte mir seine Hand entgegen. »Wir verzichten darauf, uns zu schlagen, Tikkirej, einverstanden?«

»Einverstanden.« Ich war verwirrt. »Ware das notig gewesen?«

»Na, zum Kennenlernen. Bei uns ist das so ublich… war das so ublich. Aber wir sind ja auf einem neuen Planeten.«

Wir fingen beide an zu lacheln. Lion war sicher kein Schlagertyp und die Aussicht auf eine Schlagerei wegen einer Bekanntschaft bedruckte ihn.

»Hier ist es schon, stimmt’s«, fragte er.

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