Die Angreifer boten einen schrecklichen Anblick. Struppiges Fell, grau, manchmal mit rotlichgelbem Einschlag. Kraftige Korper, teilweise nicht kurzer als der hochgewachsene Deutsche. Langgestreckte Kopfe mit sehr kurzen Ohren und spitzen Schnauzen, aus denen lange Fangzahne ragten. Zahne, die gro?e Stucke Fleisch aus den Opfern rei?en konnten. Und Augen, deren katzenartige Pupillen das Licht der aufgehenden Sonne auffingen und reflektierten. Ein boser Schimmer lag in diesen Augen, die ihre Beute keine Sekunde au?er acht lie?en.

Aus den Kehlen der Bestien drang ein grollendes Knurren, das allein gereicht hatte, einem Menschen Todesangst einzujagen.

Auch Jacob hatte Angst. Aber er lie? sich von ihr nicht unterkriegen.

Wie immer in gefahrlichen Situationen war sein Geist mit der Suche nach einem Ausweg beschaftigt. Die beste Art, die eigene Angst zu bekampfen. Und die sinnvollste.

Nur - diesmal schien es keinen Ausweg zu geben! Die Falle war langst zugeschnappt und Hilfe weder in Sicht noch zu erwarten.

Wolfe waren eigentlich Nachttiere, uberlegte Jacob. Das Rudel mu?te gro?en Hunger haben, da? es auch am Tag auf Beute ging.

Der Appaloosa hatte sie gewittert, als sie sich dem Lager naherten. Sie mu?ten die ganze Zeit, wahrend der Auswanderer fruhstuckte, in der Nahe gewesen sein. Vermutlich hatte das Feuer sie zuruckgehalten.

Und als Jacob es loschte, griffen sie an. Nein, es gab keinen Ausweg. Er konnte nur kampfen und sein Leben so teuer wie moglich verkaufen. Schon ein Wolf war ein gefahrlicher Gegner fur einen Mann. Aber sechs?

Noch wahrend Jacob der erschreckende Gedanke an die erdruckende Ubermacht des Gegners durch den Kopf scho?, sprangen die Raubtiere ihre beiden Opfer an.

Ein gro?er dunkler Korper fullte Jacobs Gesichtsfeld aus. Dicht vor sich sah er die langliche Schnauze, weit aufgerissen, und die scharfen Zahne in den zum Zupacken bereiten Kiefern.

Er wehrte den dichtbehaarten Korper mit der Linken ab und stie? gleichzeitig die Rechte mit dem Messer vor. Die Klinge fra? sich tief in den Hals der Bestie.

Der Wolf fiel vor dem Menschen auf den Boden und sackte nach einem letzten Aufjaulen kraftlos zusammen. Rasch bildete sich eine Blutlache um Jacobs Stiefel.

Das sah der Auswanderer noch.

Und auch noch, wie der Appaloosa wild hin und her sprang. Seine Hufe wirbelten durch die Luft und versuchten die Raubtiere zu treffen. Ihr wutendes Knurren vermischte sich mit dem angsterfullten Wiehern des Grauen.

Dann wurde Jacob durch einen heftigen Aufprall zu Boden gerissen. Er fiel auf den Rucken. Fur ein, zwei Sekunden bekam er keine Luft.

Ein Wolf stand mit den Vorderlaufen auf seiner Brust und schnappte nach seinem Hals. Jacob ri? in einer instinktiven Abwehrhandlung den linken Arm hoch.

Die spitzen Zahne der Bestie schlossen sich um den Arm. Sie durchdrangen den Stoff von Jacke, Hemd und Unterhemd und bohrten sich schmerzhaft in Jacobs Fleisch.

Gleichzeitig rammte der Mann das Messer in die Seite der Bestie. Die lie? von ihm ab und heulte auf.

Aus dem Heulen wurde ein Rocheln, als Jacob die Klinge aus der Seite des Wolfs zog und sie eine Sekunde spater, wie bei dem anderen Tier, tief in den Hals stie?, bis zum Heft. Dann drehte er die Klinge mit aller Kraft herum.

Und der zweite Wolf verendete.

Als Jacob sich taumelnd erhob, sah er, da? auch der Appaloosa einen der Angreifer mit dem Hinterhuf voll erwischte. Das Raubtier wurde durch die Luft geschleudert und krachte mit dem Rucken gegen einen Pappelstamm.

Knochen knackten vernehmlich. Wahrscheinlich war es das Ruckgrat gewesen. Das Tier rutschte an dem Baumstamm zu Boden und ruhrte sich dort nicht mehr.

Nur noch drei Gegner!

Die Halfte der Angreifer ausgeschaltet, das war kein schlechtes Ergebnis. Aber es bedeutete noch langst nicht den Sieg.

Da? die drei verbliebenen Wolfe keineswegs entmutigt waren, bewies ihr nachster Angriff. Zwei sturzten sich auf den Grauen, und der dritte der gro?te Wolf des ganzen Rudels flog mit einem gewaltigen Sprung auf Jacob zu.

Der gro?e Wolf war so schnell, da? der Auswanderer sein Messer nicht mehr rechtzeitig hochrei?en konnte. Die Klinge ritzte nur das dichte Fell.

Der Aufprall des schweren Tiers ri? den Mann abermals zu Boden. Seine Rechte schlug auf einen spitzen Stein. Ein Schmerz durchzuckte die Hand, und der Messergriff entglitt ihr.

Als hatte die Bestie das mitbekommen, verstarkte sie die Wut ihres Angriffs.

Jacob ri? beide Hande hoch und umklammerte den kraftigen Hals. Nur so konnte er im letzten Augenblick verhindern, da? der Angreifer die spitzen Zahne in seine Kehle schlug. Der uble Atem der Bestie schlug ihm ins Gesicht.

Zwischen Mensch und Tier entspann sich eine Kraftprobe.

Je langer sie wahrte, desto sicherer erschien Jacob, da? er unterlag. Seine Rechte schmerzte von dem Aufschlag und der linke Arm vom Bi? des anderen Wolfs. Hinzu kam seine verletzte Schulter.

Die Bestie dagegen war durch das Messer kaum verletzt worden. Jedenfalls nicht so, da? ihre Kampfkraft beeintrachtigt wurde.

Mit jedem noch so winzigen Stuck, das die Rei?zahne Jacobs Kehle naher kamen, verstarkte der Wolf noch seine Anstrengungen. Er schien zu spuren, da? der Widerstand des Menschen kurz vor dem Erlahmen war.

Und dann lie? die Kraft in Jacobs Armen nach.

*

»Mochtest du, da? dein Bastard am Leben bleibt?«

John Bradden stellte diese Frage. Er stand breitbeinig vor Irene. Sein Narbengesicht blickte die Frau kalt an.

»Ja!« keuchte sie ohne zu uberlegen. Welche Mutter, die ihre Sinne beisammen hatte, hatte etwas anderes geantwortet?

»Tu alles, was wir von dir verlangen!« sagte der Treck-Captain im befehlsgewohnten Ton. »Und vor allen Dingen tu nichts, was uns verraten konnte! Nur dann wirst du deinen kleinen Schatz zuruckbekommen, lebend und wohlbehalten.«

»Ich soll Sie nicht verraten?« fragte Irene verwirrt. »Was meinen Sie damit, Bradden?« Sie pre?te die Hande gegen ihren Kopf, als konne sie dadurch den Alptraum bannen, der sie gefangen hielt.

»Wir erreichen heute Molalla Spring«, erklarte der Mann mit dem Narbengesicht ruhig. »Dort darfst du nichts von unserem Uberfall auf das Dorf der Nez Perce erzahlen. Wir werden den Leuten in der Mission sagen, die Rothaute hatten uns grundlos angegriffen. Und dein Indianerfreund wurde von den Roten umgebracht. Kapiert?«

»Ja«, murmelte Irene und nickte schwach.

»Gut«, brummte der Treck-Captain zufrieden. »Wenn du brav bist, kriegst du den Kleinen zuruck, sobald wir Molalla Spring wieder verlassen.«

»Das verstehe ich nicht«, stammelte die Frau. Ihr verzweifelter, hilfloser Blick war auf den heftig weinenden Sohn gerichtet.

»Meine Frau Eliza wird sich um deinen Sohn kummern. Als kleine Sicherheit, da? du keine Dummheiten machst.«

»Nein«, schluchzte Irene auf. »Nehmt mir nicht meinen Sohn, bitte!«

»Reg dich nicht auf!« schnappte John Bradden. »Denk daran, da? wir euch beide auch ganz einfach umbringen konnten.«

»Aber Jamie braucht mich. Ich. mu? ihn doch stillen!«

»Right«, brummte der Treck-Captain. »Das darfst du. Aber sonst bleibt Jamie bei meiner Frau - und bei meinem Bruder. Vergi? nicht, Dutch-Lady, da? Frazer noch eine Rechnung mit dir offen hat!«

Frazer Bradden nickte zur Bestatigung.

»Ich werde alles tun, was Sie verlangen«, versprach Irene. »Aber bitte, tun Sie Jamie nichts!«

»Das ist doch ein guter Handel«, befand ein zufriedener John Bradden und drehte sich zu seinem Bruder um.

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