Glaser einer gro?en Brille das Licht der tiefstehenden Sonne reflektierten. Er trug eine schwarze Hose und eine dazu passende Weste uber einem wei?en Hemd, dessen Kragen von einer schwarze Schleife geziert wurde.

»Wir wollen uns hier ausruhen, Dr. Mercer«, erwiderte der Treck-Captain und beugte sich im Sattel nach vorn, um dem Missionar ins Gesicht zu blicken. »Wir sind unterwegs zur Kuste.«

»Zur Kuste?« echote Mercer mit einem fragenden Gesicht, das Verstandnislosigkeit ausdruckte. »Weshalb?«

»Wir wollen nach Kalifornien. Dort ist in letzter Zeit eine Menge Gold gefunden worden. Warum sollen nur die anderen Gluck haben?«

Das Gesicht des Missionars verdusterte sich.

»Bruder John, es ist nicht Gottes Wille, da? der Mensch dem Gold nachjagt. Warum bleibt ihr nicht bei den anderen in Greenbush und bestellt euer Land, wie es dem Herrn gefallt?«

John Bradden beugte sich noch weiter nach vorn, als wolle er sein Gesicht in das des Missionars bohren. Ganz langsam, jede Silbe betonend, sagte er: »Es gibt keine anderen mehr in

Greenbush, Dr. Mercer!«

»Ich verstehe dich nicht, Bruder John.« Der Missionar schuttelte den Kopf. »Wo sind sie denn? Etwa auch nach Kalifornien?«

»Nein«, erwiderte der Mann mit dem Narbengesicht gedehnt und zeigte mit der Hand zur Erde. »Sie sind dort.«

Die verglasten Augen des Missionars waren eine ganze Weile auf den Treck-Captain gerichtet. Allmahlich zeichnete sich Verstehen auf Mercers Gesicht ab. Und mit dem Verstehen wuchs sein Erschrecken.

»War es. das Fieber?« fragte er fast tonlos.

Braddens einzige Antwort bestand in einem Nicken. Aber in seinem harten Gesicht mit den zusammengekniffenen Lippen und den brennenden Augen konnte man deutlich den unausgesprochenen Vorwurf lesen.

Die Frau des Missionars trat einen halben Schritt vor und bekreuzigte sich.

»Nur der Herr wei?, warum dies geschehen mu?te«, sagte sie leise. »Seine Wege sind unerforschlich.«

Narcissa Mercer war etwa zehn Jahre junger als ihr Mann und fruher bestimmt eine sehr schone Frau gewesen. Aber das Leben in der Wildnis nach den strengen Regeln, die dem Allmachtigen von den Menschen zugeschrieben wurden, hatte harte Zuge in ihr langliches Gesicht gepragt. Ihr braunliches Haar, das zu einem kunstvollen Knoten aufgeturmt war, ging ins Graue uber; die Frisur unterstrich noch die gewisse Strenge, die aus ihren herben Zugen sprach. Sie trug einen dunklen Wollrock, eine wei?e Leinenbluse und ein dunkles Wolltuch um die Schultern.

Ihr Mann ging zu dem Reiter und legte in mitfuhlender Geste eine Hand auf seinen Arm.

»Das tut mir so leid, Bruder John! Ich wollte zu euch kommen, um euch zu helfen. Aber der Schnee machte ein Durchkommen unmoglich. Jetzt, wo er geschmolzen ist, wollte ich das Versaumte nachholen. In den nachsten Tagen schon wollte ich nach Greenbush aufbrechen.«

»Zu spat«, seufzte der Treck-Captain. »Greenbush ist nur noch eine Geisterstadt.«

»Aber ihr konntet dort weitermachen«, wandte der Missionar ein. »Der Allgutige hat euch immer eine gute Ernte geschenkt. Andere Siedler wurden sich dort niederlassen. Greenbush wurde zu neuem Leben erbluhen!«

»Nein«, erwiderte Bradden matt und schuttelte langsam den Kopf.

»Du und deine Leute, Bruder John, ihr seid Farmer«, beschwor Mercer den Treck-Captain. »Eure Bestimmung ist es, das Land zu bestellen. Nicht, es aufzuwuhlen, um nach glanzenden Kornern zu suchen. Ich verstehe, da? ihr nicht in Greenbush bleiben wollt. Zu viele schreckliche Erinnerungen hangen an diesem Ort. Aber ihr konntet euch woanders niederlassen, zum Beispiel hier!« Der Missionar machte eine weit ausholende Armbewegung, die das ganze Tal zu umfassen schien. »Wir konnen in unserer Siedlung noch kraftige Hande gebrauchen. Und gottesfurchtige Menschen, die den Indianern ein Vorbild sind. Aber auch sonst ist hier fruchtbares Land im Uberflu?. Das ganze Molalla Valley steht euch zur Verfugung!«

»Wir haben uns anders entschieden«, blieb John Bradden hart.

Narcissa Mercer versuchte sich an einem Lacheln und sagte: »Bleibt ein paar Tage hier und ruht euch aus. Vielleicht gefallt es euch so gut, da? ihr es euch anders uberlegt.« Sie hob den Kopf zu dem Treck-Captain. »Was meinst du, Bruder John?«

»Das Angebot, uns hier auszuruhen, nehmen wir dankend an, Mrs. Mercer. Zumal wir zwei Verletzte haben, die der arztlichen Hilfe Ihres Mannes bedurfen. Aber selbst wenn es uns hier gefallt, werden wir bestimmt nicht hierbleiben.«

Braddens Blick verdusterte sich, als er uber die roten Manner, Frauen und Kinder glitt.

Dann sagte er: »Zu viele Rothaute hier, Ma'am. Ich wei? nicht, ob die Roten noch nach Christi Gebot handeln, wenn der Aufstand auf den Westen der Cascades ubergreift.«

»Was fur ein Aufstand?« erkundigte sich der Missionar.

John Bradden senkte seine Stimme, als er antwortete: »Die Nez Perce, Doc. Sie haben uns in den Bergen uberfallen. Wir konnten uns gerade noch retten. Aber Bill Myers und Fred Myers' Sohn Rob haben es nicht uberlebt. Und da hinten im Wagen liegen Ebenezer Owen und seine Frau. Beide wurden von den roten Kerlen verwundet. Das Wundfieber hat Carol Owen befallen. Wenn Sie ihr nicht helfen konnen, Doc, ist es mit ihr bald vorbei.«

»Die Nez Perce?« fragte der Missionar unglaubig und zeigte auf die Indianer, die den Treck umstanden. »Fast alle meine Leute sind Nez Perce!«

»Deswegen mache ich mir ja so gro?e Sorgen um Molalla Spring«, erwiderte Bradden. »Ich furchte, hier wird es nicht mehr lange so friedlich zugehen.«

Immer wieder schuttelte der Missionar seinen grauen Schadel und murmelte: »Das ist einfach unglaublich! Wir haben mit den Nez Perce immer Freundschaft und Frieden gehalten. Auch mit denen, die nicht in Molalla Spring leben. Ich habe ihnen gegen das Fieber geholfen. Weshalb sollten sie auf einmal das Kriegsbeil ausgraben?«

»Das wei? ich nicht«, log der Mann mit der roten Narbe. »Wer kann schon sagen, was in den Kopfen der Roten vorgeht? Brauchen die Wilden uberhaupt einen Grund zum Morden?«

Irene horte alles mit an und war emport uber Braddens dreiste Lugen. Sie mu?te stark an sich halten, um nicht vom Wagen zu springen, zu den Mercers zu laufen und ihnen die Wahrheit zu sagen.

Nur der Gedanke daran, was dann mit Jamie geschehen wurde, hielt sie zuruck.

Als hatte Simon Mercer ihre Unruhe bemerkt, richteten sich seine bebrillten Augen auf sie.

»Wer ist die junge Frau dort neben deinem Sohn, Bruder John? Ich kenne sie nicht. Deine Schwiegertochter?«

»Nein, sie ist auch ein Opfer der Nez Perce. Sie war mit einem Begleiter und ihrem kleinen Kind auf dem Weg nach Westen, als sie uberraschend von den Wilden angegriffen wurden. Ihr Begleiter wurde niedergemetzelt. Waren wir nicht dazwischengekommen, hatten die Roten sich auch an der Frau und ihrem Kind vergriffen.«

John Bradden warf Irene einen langen Blick zu. Fur einen Au?enstehenden mochte es wie eine Mitleidsbekundung aussehen. Irene verstand es als das, was es war: eine Warnung!

»Die Arme ist ganz verstort, bringt kaum ein vernunftiges Wort heraus«, erklarte Bradden mit aufgesetztem Bedauern. »Meine Frau kummert sich um das Kind.«

»Eine schlimme Geschichte, klingt ziemlich ubel«, brummte der Missionar, das spitze Kinn grublerisch in die Hand gestutzt.

Dann blickte er wieder zu dem Treck-Captain hoch und fragte: »Glaubst du wirklich, da? der Indianeraufstand auch das Molalla Valley erfa?t, Bruder John?«

»Ich befurchte es. In den Cascades wimmelt es nur so von Roten. Sie haben uns ein ganzes Stuck verfolgt.«

Der alte Mann, Walt Hickly, trat neben Mercer. Er war klein und wirkte fast schmachtig, was daran liegen mochte, da? sein Rucken etwas gebeugt war. Sein genaues Alter war durch einen wild wuchernden Vollbart im schmutzigen Grauwei? nicht zu bestimmen. Aber die leuchtenden Augen verrieten die Energie, die noch in dem Mann steckte.

»Wir sollten die Zuverlassigsten unserer Indianer bewaffnen und Tag und Nacht Posten aufstellen«, schlug

Вы читаете Der Speer der Vergeltung
Добавить отзыв
ВСЕ ОТЗЫВЫ О КНИГЕ В ИЗБРАННОЕ

0

Вы можете отметить интересные вам фрагменты текста, которые будут доступны по уникальной ссылке в адресной строке браузера.

Отметить Добавить цитату