sich vorgestellt hatte.
Es war ein Massenmord!
Jetzt machte sie sich Vorwurfe, die Menschen von Molalla Spring genauso wenig gewarnt zu haben wie Martin und Urilla.
Aber es war zu spat.
Simon Mercer hatte das junge Paar gerade getraut. Aber war es ein Trost, im Bund der Ehe zu sterben?
»Was hat das zu bedeuten?« fragte der Missionar laut. »Seid ihr alle wahnsinnig geworden?«
»Kann schon sein«, antwortete John Bradden rauh. »Aber es spielt keine Rolle. Wichtig ist nur, da? ihr alle jetzt sterben werdet!«
Der Mann mit der Brille sah den Treck-Captain entgeistert an und brachte nur ein Wort uber die Lippen: »Warum?«
»Die Rothaute werden sterben, weil ihre Bruder und Schwestern uns mit dem Fieber angesteckt haben. Sie und Ihre Frau, Doc, mussen dran glauben, weil Sie unseren Freunden und Familien nicht geholfen haben.«
»Ich konnte doch nicht!« verteidigte sich der Missionar. »Der Schnee! Au?erdem haben sich die Nez Perce eher bei uns Wei?en mit dem Fieber angesteckt. Die Krankheit ist bei den Indianern noch nie vorgekommen.«
»Dummes Zeug!« beschied John Bradden.
Er wollte noch etwas sagen, aber er fiel vornuber. In seinem Rucken steckte ein Pfeil.
Die anderen Manner aus Greenbush drehten sich erschrocken um.
Weitere Pfeile sirrten heran, und Schusse krachten.
Lewis Bradden fiel uber die Leiche seines Vaters, nachdem ihm eine Kugel das halbe Gesicht weggerissen hatte.
In Sam Myers' Brust fuhren fast gleichzeitig zwei Pfeile, und er sackte zusammen.
Sein Bruder Pete konnte noch die doppellaufige Schrotflinte abfeuern. Dann traf ihn ein gefiederter Speer in den Bauch und ri? ihn zu Boden.
Frazer Bradden ri? den Kerr-Revolver aus dem Holster. Aber er lie? die Waffe fallen, als eine Kugel seine Hand zerfetzte.
Fred Myers blickte fassungslos auf seine toten Sohne. Eine gro?e Gestalt ritt heran, sprang vom Pferd und ri? ihn zu Boden. Ein Keulenschlag des Nez-Perce-Kriegers traf seinen Kopf und nahm ihm das Bewu?tsein.
Es ging alles rasend schnell.
Dann standen die siegreichen Indianer im Eingang der Kirche, etwa zehn Mann. Die Indianer der Mission begru?ten ihre Bruder mit lautem Geschrei.
Einer der Krieger schwang einen frischen, noch blutenden Skalp im Siegesrausch. Mit Entsetzen erkannte Irene das dunne graue Haar von Carol Owen.
Einige Indianer von der Mission verlie?en die Kirche und liefen zu ihrer Siedlung, um nach ihren Angehorigen zu sehen. Als sie zuruckkehrten und das Entsetzliche berichteten, konnten es die anderen erst nicht glauben.
Die wei?en Morder hatten niemanden verschont. Fast drei?ig Indianer waren in den Hutten abgeschlachtet worden.
Die allgemeine Wut richtete sich gegen die verbliebenen Wei?en. Nur ein paar besonnene Missionsindianer stellten sich vor Simon Mercer und die anderen.
»Meine Bruder mogen nicht unbedacht handeln«, sagte ein alterer Missionsindianer im dunklen Anzug. »Sonst werden sie zu ebensolchen Mordern wie die Wei?en. Vierauge und seine Squaw waren immer gut zu uns. Nicht alle Wei?en haben den Tod verdient!«
»Doch!« widersprach einer der Krieger, ein wahrer Hune von Mann. »Als wir unser zerstortes Dorf vorfanden, haben wir allen Wei?en den Tod geschworen.«
Allmahlich verstand Irene. Die Krieger mu?ten zu demselben Dorf gehoren wie jene, die in den Bergen den Treck angegriffen hatten. Vermutlich ein anderer Jagdtrupp, der spater heimgekehrt war.
Unter den Indianern entbrannte eine laute Diskussion, ob die uberlebenden Wei?en getotet werden sollten oder nicht. Man wollte es ausgiebig am Abend beraten und sperrte die Wei?en in der Kirche ein.
Ein gemischter Trupp aus drei Kriegern und drei Missionsindianern blieb als Bewachung bei ihnen.
*
Die Uberlebenden waren Simon und Narcissa Mercer, Martin und seine frischangetraute Frau Urilla, Eliza Bradden und Anne Myers, Frazer Bradden und Fred Myers sowie Irene und Jamie.
Bei der ersten Gelegenheit hatte Irene ihren Sohn an sich gerissen. Sie weinte vor Gluck, weil Jamie endlich wieder bei ihr war. Und vor Angst daruber, da? sie alle bald sterben mu?ten.
Die beiden anderen Frauen sa?en bei ihren toten Angehorigen. Eliza Bradden war stumm und reglos. Anne Myers weinte laut um ihre Sohne.
Unter den wachsamen Augen der Bewacher kummerte sich Simon Mercer um die beiden Verletzten, Frazer Bradden und Fred Myers.
»Ich brauche Instrumente, Medikamente und Verbandszeug«, sagte er und wollte die Kirche verlassen.
Einer der Krieger druckte die Eisenspitze seines Speers gegen Mercers Brust und sagte: »Nein!«
»Aber die Manner haben ein Recht auf Hilfe!« beharrte der Missionar.
»Sie sind Morder«, erwiderte der Krieger mit dem Speer im gebrochenen Englisch.
»Auch Mordern mu? man helfen!«
Der Nez Perce schuttelte nur den Kopf.
Hilflos ballte Mercer die Hande zu Fausten.
»Was hat das alles zu bedeuten?« fragte Martin.
»So genau wei? ich das auch nicht«, antwortete der Missionar.
»Aber ich«, sagte Irene zur Uberraschung Martins, Urillas und der Mercers.
Sie erzahlte ihre Geschichte. Sie hatte viel Zeit dazu. Die Indianer kamen erst am nachsten Morgen, um ihre Entscheidung zu verkunden.
*
Als die Sonne aufging, war Jacob schon wieder unterwegs. Das abschussige Gelande sagte ihm, da? er sich bereits in den westlichen Auslaufern der Cascade Mountains befand. Molalla Spring konnte nicht mehr weit entfernt sein. Das spornte den jungen Auswanderer an.
Und als die Sonne uber den Bergen in seinem Rucken erstrahlte, schien sie auf das fruchtbare Molalla Valley, das sich vor Jacob ausbreitete wie eine paradiesische Verhei?ung. Er lie? sich von dem erhebenden Anblick nicht tauschen. Er spurte, da? etwas nicht in Ordnung war mit diesem scheinbaren Paradies.
Vielleicht waren es nur die wirren Traume der Nacht, die ihn verunsicherten.
Traume von einem weinenden Jamie und von Irene, der die Todesangst ins Gesicht geschrieben stand.
Aber vielleicht waren es mehr als Traume.
Vielleicht Vorahnungen.
Oder schlimme Nachrichten von Dingen, die sich bereits ereignet hatten?
Er kletterte durch steile Hugel nach unten, als er hinter sich Hufschlag vernahm. Sofort ging er hinter einem kegelformigen Felsen in Deckung und zog sein Messer.
Der Hufschlag wurde lauter. Ein Pferd kam in sein Blickfeld. Ein Appaloosa. Aber der Indianersattel war leer.
»Wenn Sandhaar ein Feind von Riding Bear ware, ware der wei?e Mann jetzt tot!«
Jacob wirbelte herum.
Uber ihm kauerte Riding Bear zwischen den Felsen und senkte gerade Pfeil und Bogen.
»Wie.«, fragte Jacob verwirrt.
»Eine alte List meines Volkes«, grinste Riding Bear. »La? den Gegner auf dein Pferd warten, dann wartet er nicht auf dich.«
Er stie? einen schrillen Pfiff aus, und der braunwei?e Appaloosa trottete heran.
»Ich bin uberrascht, dich zu sehen, Riding Bear. Da? du schon wieder reiten kannst!«
»Riding Bear sagte doch, die Krauter sind gut«, antwortete der Nez Perce und kletterte aus den Felsen herab. »Au?erdem hatte ich es eilig, als ich Spuren anderer Kaminu fand, die nach Westen ritten. Dann fand ich auch noch deine Spuren, das tote Pferd und die erlegten Wolfe. Sandhaar ist ein gro?er Krieger!«
»Nein«, widersprach Jacob kopfschuttelnd. »Ich lasse mich nur nicht gern von wilden Bestien