gebracht! Die Kriegsschiffe hatten uns um ein Haar versenkt.«

Er trank einen Schluck und fuhr fort: »Schelps alterer Bruder Robert war Maat auf der HENRIETTA. Er war ein guter Kerl, nicht so ein Schwein wie Arnold Schelp. Es ging ihm wie den meisten guten Kerlen: Er ist beim Untergang der HENRIETTA gestorben. Arnold Schelp tauchte bei den Prozessen gegen mich auf und sorgte dafur, da? in der Presse einige hochst unfeine Berichte uber mich erschienen. Ich schatze, da? ich nicht ins Zuchthaus gekommen bin, hat ihn schwer getroffen.«

»Und jetzt sind Sie beide Geschaftspartner?« fragte Irene unglaubig.

»Schelp hat Karriere gemacht, fur einen Mann seiner Herkunft eine sogar au?erordentliche Karriere. Da wiegen finanzielle Interessen schwerer als personliche Animositaten. Er betreibt eine Frachtvermittlungsagentur in Hamburg. Wie ich erfahren habe, vermittelt er hauptsachlich Geschafte am Rande oder jenseits der Legalitat. Der Burgerkrieg hier in Amerika hat ihm ein neues Betatigungsfeld eroffnet.«

»Waffenhandel«, sagte Jacob bitter.

»Ja, Waffenhandel. Wir trafen uns zufallig in Hamburg. Schelp war handeringend auf der Suche nach einem Schiff, das die Kanonen nach Texas bringen sollte. So kamen wir ins Geschaft.«

»Sie hatten ablehnen konnen!« meinte Irene.

»Ich hatte ablehnen sollen! Damals aber glaubte ich, es mir nicht leisten zu konnen, aus zwei Grunden. Grund eins war, da? Schelp drohte, meine Vergangenheit ans Licht zu bringen. Versteht ihr, was das bedeutet? Ich war als Schiffskapitan in Hamburg, obwohl ich doch niemals mehr ein Schiff fuhren durfte. Ware das herausgekommen, ware ich ohne Umschweife hinter Gitter gewandert!«

»Das ist kein schoner Grund, aber ein guter«, sah Jacob ein. »Und Grund zwei?«

»Grund zwei war das Geld, das es bei dieser Geschichte fur mich zu verdienen gibt. Es lohnt sich, die Blockade der Nordstaaten zu brechen. Ich habe von amerikanischen Kapitanen gehort, die sonst hundertfunfzig Dollar im Monat verdienen, da? sie es mit der Frachtfahrt fur die Konfoderierten auf funftausend bringen. Manche Reeder schaffen sich extra furs Blockadebrechen neue Schiffe an. Schon nach drei Fahrten sind die Anschaffungskosten eingebracht, und der uppige Gewinn beginnt zu flie?en.«

Jacob warf dem Seemann einen traurigen, enttauschten Blick zu. »Ich habe Sie nicht fur einen Mann gehalten, dessen Gotze das Geld ist, Piet.«

»Ich mich auch nicht«, lachelte Hansen dunn und unecht.

»Aber Josiah Haskin will die ALBANY verkaufen. Er macht es wohl nicht mehr lange und will seiner Tochter lieber Bargeld hinterlassen als ein so unsicheres Erbe, wie es dieser alte Segler ist. Der kann schlie?lich jederzeit in einen Orkan geraten und mit Mann und Maus untergehen, wie damals die HENRIETTA. Ich habe mich an das Kapitansleben gewohnt, die ALBANY ist meine Heimat geworden. Wer wei?, ob sich ein neuer Schiffseigner mit einem Mann wie mir zufriedengibt. Deshalb brauchte ich dringend Geld, um die ALBANY selbst zu kaufen. Was ich fur diese Fahrt bekommen hatte, ware fast die Halfte gewesen. Zusammen mit meinen Rucklagen hatte es Haskin als Anzahlung genugt. Den Rest hatte ich von den zukunftigen Gewinnen abbezahlt.«

Er hob langsam die breiten Schultern und lie? sie mutlos wieder sinken.

»Vorbei.«

Piet Hansen schien das Ungluck gepachtet zu haben.

Jacob und Irene blickten den Seemann betroffen an. Sie hatten ihm gern Mut zugesprochen. Aber ihnen fiel nichts ein, was nicht hohl und unglaubhaft geklungen hatte.

Bedruckendes Schweigen breitete sich in der Kapitanskajute aus.

*

Ungefahr drei Stunden spater.

Als auch der letzte Strick, von Arnold Schelps scharfer Stockklinge zerschnitten, auf den Kajutenboden fiel, rieben alle vier Gefangenen ihre schmerzenden Glieder.

Sie hatten mit ihrer Befreiung gewartet, bis der Wachtposten abgelost worden war. Jetzt hatten sie genugend Zeit und mu?ten nicht befurchten, da? ihre Flucht von einer Wachablosung gestort oder fruhzeitig entdeckt wurde.

Als Don Emiliano, gepeinigt von den engen Fesseln, die in sein Fleisch schnitten, vor Schmerzen zu stohnen begann, zischte der Deutsche: »Seien Sie doch still, Senor! Denken Sie an die Wache vor der Tur!«

Der Mexikaner bi? auf seine Unterlippe und sah den Deutschen weniger schuldbewu?t als zornig an.

»Ja, die Wache«, flusterte Vivian Marquand. »Was machen wir mit ihr?«

»Folgendes«, antwortete Schelp und gab leise seine Anweisungen.

Stillschweigend hatte er sich zum Fuhrer der Gruppe aufgeschwungen.

Er, Don Emiliano und Captain McCord nahmen Aufstellung hinter der schmalen Tur, die zum Gang fuhrte.

Die Frau in Schwarz legte sich wieder auf den Boden und begann laut zu wimmern. Es klang wirklich herzzerrei?end. In das Wimmern mischte sich Stohnen.

Schlie?lich keuchte sie: »Hilfe! Bitte, ich brauche Hilfe!«

Wie erwartet, meldete sich die Stimme des Wachtpostens durch die geschlossene Tur: »Was ist denn da drinnen los?«

»Helfen Sir mir, bitte!« flehte die Stimme hinter dem schwarzen Schleier. »Ich bin krank!«

»Wohl seekrank, wie?« fragte der Wachter.

»Nein, das nicht.« Sie stohnte laut und heftig. »Ich brauche schnell Hilfe. So kommen Sie doch! Bitte!«

Der Seemann auf dem Gang murmelte etwas, das die Menschen in der Kajute nicht verstanden. Es war auch nicht wichtig. Wichtig war das kratzende Gerausch des Schlussels, den der Wachter in dem gro?en Turschlo? herumdrehte.

Die drei hinter der Tur verborgenen Manner hielten den Atem an, als sich die Tur mit leisem Quietschen bewegte. Der Wachter wollte besonders vorsichtig sein und streckte die Rechte mit dem Webley-Revolver vor.

Schelp nickte McCord zu.

Der gro?e, wuchtige Offizier der Konfoderierten packte den Arm des Wachters und ri? ihn mit solcher Kraft herum, da? der Seemann in die Kajute gezogen wurde. Gleichzeitig fiel die Waffe zu Boden.

Ein zweites Nicken Schelps galt dem Mexikaner.

Don Emiliano trat mit einer raschen, fast elegant wirkenden Bewegung hinter den Wachter und hielt ihn fest.

Als der uberraschte Mann endlich die Lippen aufri?, um einen Alarmschrei auszusto?en, war es bereits zu spat. Schelps Klinge durchschnitt seine Kehle, und nur ein leises Gurgeln kam aus dem geoffneten Mund. Als der Seemann auf den Kajutenboden sackte, war er tot.

McCord griff sich den Revolver und prufte ihn mit der Routine des erfahrenen Militars.

Sie lie?en den Toten in der Kajute und verschlossen die Tur. Der Gang war leer. Ebenso die steile, geschwungene Treppe, die aufs Deck fuhrte. Aber sie endete dicht hinter dem Unterstand des Steuermanns.

Vorsichtig schob Schelp seinen Kopf hinaus und erkannte die knochige Gestalt Georg Mollers.

»Moller, der Verrater!« flusterte er den anderen zu, die unter ihm auf der Treppe warteten. »Den ubernehme ich!«

Schelp strich sein Haar glatt und zupfte seine etwas ramponierte Stutzerkleidung zurecht. Im Halbdunkel des Sternenlichts und der wenigen auf Deck brennenden Laternen wurde man nicht bemerken, da? seine Aufmachung nicht ganz gesellschaftsfahig war. Nur der Chapeau claque fehlte, als er aufs Deck trat.

Den Stock hielt er lassig, in der Rechten. Die Klinge hatte er zuvor einfahren lassen.

»Na, Moller, liegt die alte ALBANY auf Kurs?« fragte Schelp im hoflichen Plauderton und mit ungedampfter Stimme.

In seinen Komplizen, die im Treppenaufgang warteten, krampfte sich alles zusammen. Der rotschopfige Deutsche trieb ein riskantes Spiel. Wenn er nicht die richtigen Karten hatte, wurde ihre Flucht auffliegen.

Uberrascht wandte sich Moller nach dem Geschaftemacher um. Auf dem Gesicht des Ersten Steuermanns zeichnete sich deutliche Verwirrung ab.

Schelp gehorte doch zu den Gefangenen, die Hansen in die Kajute gesperrt hatte. Aber wieso bewegte er sich dann offen auf Deck?

Hatte Hansen sich mit ihm ausgesohnt? Moglich war es, schlie?lich waren Schelp und der Kapitan Geschaftspartner gewesen. Aber der Kapten hatte doch zumindest seinen Ersten Steuermann daruber in Kenntnis

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