setzen konnen!
Als Moller den Mund zu einer Frage offnete, wirbelte Schelp den Stock auch schon nach oben. Die Klinge sprang heraus und bereitete dem Leben des Steuermanns auf dieselbe Weise ein Ende wie wenige Minuten zuvor dem des Wachtpostens.
Schelp sprang vor und griff unter Mollers Achseln, um ihn aufzufangen, bevor der Korper des Sterbenden gerauschvoll auf die Planken schlug. Vorsichtig legte er den reglosen Leib uber das Steuerrad.
Er wischte die blutige Klinge an Mollers Jacke ab und zog sie in den Stockschaft zuruck.
Der Rothaarige durchsuchte den toten Steuermann, fand einen Webley bei ihm und lie? den Revolver in einer Tasche seines dunklen Stutzerrocks verschwinden.
McCord, Don Emiliano und Vivian Marquand traten an Deck.
»Helft mir!« zischte Schelp und zeigte auf ein zusammengerolltes Tau, das in der Nahe lag. »Wir binden den Kerl am Steuerrad fest! Wenn jemand hersieht, sieht es in der Dunkelheit so aus, als sei alles in Ordnung.«
Nachdem das erledigt war, schlichen sie zu einem der beiden Rettungsboote, die neben dem Besanmast in den Davits hingen.
»Wir sind keine Seeleute«, jammerte der Mexikaner. »Wir werden das Boot niemals heil ins Wasser kriegen!«
»Wenn ich reise, pflege ich das mit offenen Augen und Ohren zu tun«, belehrte Schelp den Sonderbeauftragten der mexikanischen Exilregierung. »Ich habe aufgepa?t, wie die Boote gewassert werden. Aber alle mussen mit anpacken, auch Sie Mrs.
Er betonte den Namen der Frau, um ihr klar zu machen, da? sie nicht nur ihr Geheimnis verloren hatte, sondern auch ihre befehlende Stellung.
Ohne eine Erwiderung abzuwarten, gab Schelp seine Anweisungen und fugte hinzu: »Wir mussen uns beeilen und im Wasser sein, ehe jemand von der Bordwache nachsehen kommt, was hier hinten los ist!«
Erst schien auch alles gutzugehen, wenn auch die vier Menschen bei jedem lauten Knarren des Holzes zusammenzuckten.
Aber dann schwenkte der Davit plotzlich zuruck. Der Bootsrumpf schrammte laut an der Reling entlang und streifte McCords Schulter. Das rauhe Holz zerri? die Kleidung des Offiziers und hinterlie? eine blutige Furche.
Der Sudstaatler stohnte kurz auf, bi? dann aber die Zahne zusammen.
»Was passiert?« fragte Schelp leise.
»Nicht so schlimm«, antwortete McCord im selben Flusterton.
»Gut«, nickte der Deutsche. »Dann auf ein neues. Wir mussen versuchen.«
Er wurde von einer lauten Stimme unterbrochen, die auf englisch ubers Deck rief: »He, was ist denn auf dem Achterdeck los? Stimmt etwas nicht, Mr. Moller?«
»Alles in Ordnung«, erwiderte Schelp laut. Er sprach das Englische mit demselben Akzent wie Moller und bemuhte sich, den heiseren Tonfall des Ersten Steuermanns nachzuahmen. »War nur eine Werkzeugkiste, die ubers Deck gerutscht ist.«
»Aye, Sir«, gab sich der in der Dunkelheit verborgene Seemann, der wahrscheinlich irgendwo auf der Back stand, zufrieden.
Die entsprungenen Gefangenen nahmen ihre Arbeit wieder auf. Doch es zeigte sich, da? Arnold Schelp seine seemannischen Fahigkeiten ein wenig uberschatzt hatte. Es wollte einfach nicht gelingen, das Beiboot ganz bis zur Wasserlinie hinunterzulassen.
Dann naherten sich Schritte in der Dunkelheit.
»Was jetzt?« fragte Don Emiliano mit einem Anflug von Panik in der Stimme.
»Wir klinken das Boot einfach aus und springen hinterher!« sagte Schelp.
»Ins Wasser?« fragte der Mexikaner.
»Milch ist es nicht«, knurrte der Deutsche, wahrend er die Vorbereitungen zum Ausklinken traf.
»Aber ich kann nicht schwimmen, Senor!«
Schelp grinste gemein.
»Ich bin sicher, der Sonderbeauftragte der mexikanischen Exilregierung wird sich auch in diesen ungewohnte Gewassern mit der ihn auszeichnenden Kontenance bewahren.«
Dann fiel das Boot auch schon mit einem lauten Platschen ins Meer. Es schwankte heftig hin und her. Einen Augenblick sah es so aus, als wurde es kentern.
Aber dann beruhigte es sich und trieb fast friedlich auf den Wellen. Diese reflektierten das sparliche Licht der Gestirne, das durch die Wolkendecke drang, mit einem unwirklichen Schimmer.
Ohne sich um die anderen zu kummern, sprang Schelp hinterher. Er wu?te, da? sich die ALBANY schnell von dem Boot entfernte. Wer zu lange zogerte, wurde weit schwimmen mussen.
Als das Wasser uber ihm zusammenschlug, dachte er daran, ob es in dieser Gegend Haie gab. Mit kraftigen Sto?en kam er wieder an die Oberflache, hielt auf das Boot zu und bekam es endlich zu fassen. Mit einem Ruck zog er sich an Bord.
Dann erst sah er die anderen. Auch sie waren gesprungen, alle drei.
Don Emiliano war am weitesten vom Boot entfernt, schlug in wilder Panik um sich und krakeelte wie ein kleines Kind.
McCord erbarmte sich seiner. Der kraftige Sudstaatler war ein guter Schwimmer und erreichte den gegen ihn fast zierlich wirkenden Mexikaner mit wenigen Zugen.
Schelp verlor die beiden aus den Augen, weil die schwarze Gestalt der Frau dicht beim Boot erschien. Sie streckte eine Hand aus, die der Deutsche ergriff.
Dann zogerte er.
»Ziehen Sie mich doch an Bord!« forderte Vivian Marquand.
Arnold Schelp uberlegte. War es nicht gunstiger, die Frau einfach ersaufen zu lassen?
Vielleicht konnte er sich allein, ohne lastige Mitwisser, leichter durchschlagen.
Aber dann dachte er wieder an das Bombengeschaft, das die Fracht der ALBANY versprach.
Ohne die Hilfe der anderen wurde er es vielleicht nicht schaffen, sich des Schiffes wieder zu bemachtigen. Sie waren mit den hiesigen Sitten und Gebrauchen vertrauter als er. Und mit ihrer Unterstutzung wurde es auch leichter gelingen, die Fracht an ihren Bestimmungsort zu bringen.
»Was ist denn?« rief halb erstickt die Frau, die sich nur noch muhsam uber Wasser hielt. Ihre vollgesogene Kleidung zog sie erbarmungslos in die Tiefe.
Bis Schelp sich entschlossen hatte. Seine kraftigen Armen hievten sie ins Boot. Und kurz danach auch Don Emiliano und McCord.
Die ALBANY war in der Zwischenzeit an den vier Menschen vorbeigefahren. Ihre Silhouette, der dunkle Rumpf und die im Sternenlicht hell glanzenden Segel, schwamm aber noch gro? und drohend in der Nahe.
Schreie drangen zu den Menschen im Ruderboot heruber, manchmal nur als vom starken Nachtwind zerstuckelte Wortfetzen:
»Mann uber Bord!«
».Beiboot. fehlt.«
».Steuermann. tot!«
»Beidrehen!«
Schelp blickte skeptisch zur ALBANY und fluchte: »Verdammt, sie suchen nach uns! Los, alles an die Riemen!«
Sie losten die Ruder aus den eisernen Spangen und legten sie in die Dollen. Als sie die holzernen Ruderblatter ins Wasser tauchten, bewegte sich das Boot sehr ungelenk auf den Wellen.
»Wir fahren ja im Kreis!« stie? Schelp wutend hervor.
Die Ursache war schnell gefunden. Schelp und McCord sa?en auf der einen und Vivian Marquand und Don Emiliano auf der anderen Seite. Die beiden letzteren verstanden sich nicht besonders auf das viel Kraft erfordernde Rudern, weshalb sich ihre Bemuhungen beim Antreiben des Bootes nicht so sehr auswirkten.
Auf Schelps Befehl tauschten die Frau und der Sudstaatler die Platze. Danach bewegte sich das Boot gleichma?iger und damit schneller.
»Wohin fahren wir uberhaupt?« erkundigte sich zwischen zwei Ruderschlagen keuchend der Mexikaner.