und die verschleierte Frau zu informieren.
Obwohl Piet Hansen ihr Gesicht nicht sehen konnte, hatte er schworen mogen, da? sie ihm einen durchdringenden Blick zuwarf. Bei dem Gedanken uberfiel ihn ein eisiges Frosteln.
*
Es mu?te Nacht sein, dachte Irene. Sie erkannte es nur an der offenen Eingangstur oberhalb der Treppe. Kein bi?chen Licht drang durch sie ins Halbdunkel des Schiffes.
Die blonde Frau legte eine Hand auf Jacobs Mund, um sein jetzt fast pausenloses Stohnen zu dampfen.
Wenn die Wachablosung erfuhr, da? der junge Deutsche noch am Leben war, und es der unheimlichen Frau in Schwarz berichtete, konnten Irenes samtliche Muhen um Jacob sehr schnell zunichte gemacht werden.
Rasch zog sie ihren provisorischen Verband von seinem Kopf und versteckte das blutgetrankte Tuch unter ihrem graubraunen Baumwollkleid.
Leider konnte sie dem Freund nicht sagen, er solle sich still verhalten. Er wurde sie nicht verstehen; vielleicht horte er sie nicht einmal. Er dammerte in einem Zustand zwischen Bewu?tlosigkeit und Wachsein dahin, aber noch blieb jede Erkenntnis seinem Geist verschlossen.
Die Wunde war ziemlich schlimm, obgleich es nur ein Streifschu? war. Das verfluchte Weichbleigescho? aus dem Derringer dieser verfluchten schwarzen Frau !
Wer war sie blo??
Irenes Gedanken kehrten zu Jacob zuruck. Ein weniger robuster Mann als er ware der Verletzung vielleicht erlegen. Schon der Schock, als das Blei den Kopf traf, mu?te ungeheuerlich gewesen sein.
Die Manner der Wachablosung, deren Schritte Irene alarmiert hatten, kamen die Treppe herunter.
Die Frau war froh, da? ihr kleiner Jamie neben Jacob lag und friedlich schlief. So konnte sein Geschrei nicht die Aufmerksamkeit der Seeleute auf den verwundeten Zimmermann lenken.
Sie schuttelte diesen Gedanken ab. Er war unsinnig, selbst wenn sie es sich wunschte.
Jamies Vater hie? Carl Dilger. Carl, der ein Leben als Sohn des reichen Reeders Wilhelm Dilger fur Irene geopfert hatte. Der nach Amerika gefahren war, um fur sich und seine Familie eine neue Zukunft aufzubauen. Der jetzt auf den kalifornischen Goldfeldern sein Gluck zu machen hoffte.
Ihm hatte sie ihr Herz versprochen.
Nicht Jacob!
Irene horte zur ihrer gro?en Verwunderung eine Stimme, die sie kannte. Piet Hansen fuhrte die Wachablosung an.
Der Kapitan des Schiffes selbst?
Das war seltsam.
Aber hatte er ihr nicht versprochen, von sich horen zu lassen?
Die junge Frau schopfte neue Hoffnung. Sie verlie? den dunklen Winkel, in den sie sich zuruckgezogen hatte, und spahte zu der Treppe nach achtern.
Was sie sah, verwirrte sie noch mehr. Nur Piet Hansens vertraute Gestalt trat ins Licht der Ollampe. Seine Begleiter schienen sich absichtlich im Schatten verborgen zu halten.
Ein anderer Mann trat auf Hansen zu, ein knochiger Kerl -Georg Moller.
»Gehen Sie mit Ihren Leuten rauf, was essen und dann mal 'ne Mutze voll Schlaf nehmen, Moller«, brummte der Kapitan und zeigte mit dem Daumen nach oben. »Sie haben es sich verdient.«
»Wollen Sie selbst die Nachtwache hier unten ubernehmen, Kapten?« fragte verwundert der Erste Steuermann.
»Ja, ich kann nicht schlafen. Da kann ich ebenso gut hier unten hocken und daruber bruten, wie wir die vermaledeiten Yankee-Schiffe ausmanovrieren, falls sie uns noch einmal in die Quere kommen.«
»Schon«, meinte Moller und rief seine Manner zusammen, um endlich das muffige Zwischendeck zu verlassen. »Hier ist alles ruhig, Kapten. Schelps Kugel und Ihre Ansprache haben dem Pack den Wind aus den Segeln genommen.«
»In Ordnung«, nickte Hansen. »Schlafen Sie gut.«
Moller tippte in der Andeutung eines Gru?es an seine Seemannsmutze und fuhrte seine Manner zum Decksaufgang. Als sie den unteren Treppenabsatz erreicht hatten, losten sich Hansens Begleiter aus den Schatten.
Alles ging sehr schnell. Die bisher im Halbdunkel verborgenen Seeleute schwangen schwere Knuppel und lie?en sie auf die Kopfe ihrer Kameraden niedersausen.
Mehrere der so uberraschend Getroffenen stohnten dumpf auf. Zu mehr waren sie nicht mehr fahig. Sie sackten zu Boden wie schwere, trage Sacke.
Nur Moller stand noch aufrecht und zog den, Revolver aus seinem Hosenbund.
»Fallen lassen!« bellte Piet Hansen. Der sechsschussige Kerr-Revolver Kaliber .442 in seiner Rechten unterstutzte den Befehl.
Dennoch zogerte Moller, ihm nachzukommen. Er brachte seine eigene Waffe nicht in Anschlag, aber er lie? sie auch nicht los.
Erst als der Kapitan drohend den Hahn spannte, anderte der Erste Steuermann seine Meinung. Polternd fiel sein sechsschussiger Webley auf die holzernen Planken.
»Sehr vernunftig«, nickte Piet Hansen zufrieden. Er lie? den Hahn langsam zuruckgleiten, behielt die Waffe aber in der Hand. »Und jetzt haben Sie die Wahl, Moller. Wollen Sie mein Gefangener sein? Ich verburge mich dann dafur, da? Ihnen nichts geschieht, bis ich Sie den Behorden in San Francisco ubergebe. Oder stellen Sie sich auf meine Seite, bedingungslos?«
»Was geschieht dann?« fragte der Knochige vorsichtig.
»Dann bringen wir die ALBANY gemeinsam nach Frisco.«
»Und stellen uns dort etwa den Behorden?«
Hansen nickte wieder. »Ja, so habe ich mich entschieden. Ich will reinen Tisch machen. Der Krieg zwischen dem Norden und dem Suden ist nicht meine Sache, ich bin Deutscher. Aber schon weil ich kein Freund der Sklaverei bin, mochte ich die Konfoderierten nicht unterstutzen. Au?erdem fahrt die ALBANY immer noch unter der Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika. Ware irgendwie nicht richtig, mit ihr konfoderiertes Kriegsgut zu schmuggeln.«
»Wo ist da fur mich der Unterschied?« wollte Moller wissen. »Ich komme so oder so in die Hande der Yankee-Behorden.«
»Der Unterschied liegt doch auf der Hand. Wenn ich Sie als Gefangenen abliefere, sind Sie ein uberwaltigter Blockadebrecher. Wenn Sie Frisco aber als freier Mann und Schiffsoffizier der ALBANY betreten, gehoren Sie zu den Mannern, die den Yankees die Schurken ausliefern. Meinen Sie nicht, da? das die Blaurocke irgendwie beeindruckt?«
Uberlegend rieb Mollers Rechte uber das hervorspringende Kinn, so heftig, als wolle sie den Knochen des Unterkiefers freilegen.
»Kapten!« stie? er endlich hervor. »Ich stehe auf Ihrer Seite!«
»Gut.« Zufrieden steckte Hansen den Kerr zuruck in seine Jacke. »Dann heben Sie endlich Ihren Revolver auf.«
»Einfach so?« fragte Moller erstaunt. »Sie. vertrauen mir?«
»Irgendwann mu? man damit anfangen«, antwortete der Kapitan freimutig. »Falls Sie ein falsches Spiel treiben, mochte ich es so fruh wie moglich wissen. Am besten jetzt!«
»Ich meine es ehrlich«, sagte Moller und buckte sich langsam nach dem Webley.
Dabei beaugte er skeptisch den Kapitan, als befurchte der Steuermann, Hansen wolle ihm eine Falle stellen.
Der Knochige hob seine Waffe auf, hielt sie einen Augenblick zogernd in der Rechten und steckte sie dann in den Gurtel.
»Was ist mit Ihren Leuten?« fragte der Kapitan den Steuermann und sah auf die funf Seeleute hinab, die so unsanft schlafen gelegt worden waren. »Konnten sie wieder zu
»Aye, Kapten, wenn ich ihnen die Sache auseinanderklamusere.«
»Dann fangen Sie gleich damit an, Moller! Oben liegen noch welche. Die richtige Wachablosung. Sie hat