»Gut«, erwiderte Ben. »Dann kann uns ja nichts mehr aufhalten. Jeder, der noch eine andere Meinung dazu hat, sollte sich jetzt besser entscheiden. Falls das wirklich der Schlüssel sein sollte, dann haben wir das große Los gezogen - aber für den Fall, daß der Schlüssel doch nicht paßt, sollten wir trotzdem noch ein Brecheisen mitnehmen. Außerdem ist dieses Brecheisen auch 'ne gute Waffe für den, der mich begleitet. Vor allem aber will ich nicht die ganze Tour durchziehen und dann feststellen müssen, daß wir die Zapfsäule nicht zum Funktionieren bringen können.«
»Ich werde mitkommen«, sagte Tom. »Sie und ich, wir können uns bis zur Säule durchkämpfen. Die Frauen können im Keller bleiben und sich um das Mädchen kümmern. Wir brauchen auch eine Tragbahre - vielleicht können Helen und Judy eine improvisieren.«
Ben wandte sich an Harry und erklärte mit ernster Stimme, wobei er jedes einzelne Wort nachdrücklich betonte: »Harry, Sie werden oben Wache schieben müssen. Wenn wir erst einmal die Bretter von der Vordertür gerissen haben, dann können diese Zombies mühelos hier eindringen. Aber die Tür muß unverschlossen bleiben, damit Tom und ich wieder reinkommen können, wenn wir den Transporter hergebracht haben. Sie müssen die Tür bewachen und sie für uns aufmachen, weil wir wahrscheinlich wie die Blöden rennen müssen, denn man kann getrost davon ausgehen, daß ein paar von diesen Kreaturen uns auf den Fersen sein werden. Wenn wir erst mal wieder in Sicherheit sind, also im Haus, werden wir die Tür so schnell wie möglich verrammeln. Falls wir nicht zurückkommen sollten, tja, dann werden Sie das ja von oben mit ansehen können. Sie müssen dann die Tür wieder verbarrikadieren und in den Keller gehen - Sie und die anderen können sich dann dort verkriechen und auf einen Rettungstrupp warten.«
Harry hatte Ben die ganze Zeit unverwandt angeschaut. Jetzt meldete er sich zu Wort: »Dann will ich das Gewehr. Das ist für mich die beste Waffe. Sie werden nicht die Zeit haben, stehenzubleiben und zu zielen -«
Ben schnitt ihm das Wort gleich ab. Sein Standpunkt war eindeutig:
»Ich behalte diese Waffe. Niemand anderer kriegt sie. Ich habe sie gefunden, und sie gehört mir.«
Harry fragte: »Wie sollen wir eigentlich wissen, daß Sie und Tom nicht einfach den Transporter auftanken und dann abhauen?«
Ben warf ihm einen finsteren Blick zu. Es kostete ihn Anstrengung, seine Wut im Zaum zu halten. »Das ist nun mal das Risiko, das Sie eingehen müssen«, sagte er gelassen. »Falls wir abhauen sollten, dann haben Sie doch noch Ihren gottverdammten Keller. Den haben Sie ja oft genug ins Spiel gebracht.«
»Wir werden hier sterben«, sagte Helen flehend, »wenn wir nicht alle zusammenarbeiten.«
Ben schaute sie prüfend an. Er hatte sich schon eine Meinung über sie gebildet: Sie war im Gegensatz zu ihrem Ehemann nicht feige. Es wäre ihm fast lieber gewesen, wenn sie die Vordertür bewachte, aber sie war lange nicht so stark wie Harry, falls man davon ausgehen konnte, daß er nicht kniff.
Dann wandte sich Ben noch einmal an alle. Er hatte jetzt einen Befehlston angeschlagen.
»Dann lassen Sie uns mal in die Startlöcher gehen. Die da draußen werden mit jeder Minute mehr. Und wir haben eine ganze Menge zu erledigen, wenn wir dort hinaus wollen. Falls alles gutgeht, werden wir in zwei oder drei Stunden in Willard im Hotel unter der Dusche stehen.«
Keiner lachte.
Sie gingen auseinander, und jeder wandte sich seiner Aufgabe zu.
Ben schaltete wieder das Radiogerät ein. Die aufgezeichnete Nachricht wurde wiederholt. Es war jetzt genau 23 Uhr 30. Noch eine halbe Stunde bis Mitternacht, und dann würde wieder eine neue Nachrichtensendung übertragen werden.
Die würde mitten in ihre Fluchtvorbereitungen fallen. Aber sie konnten ja eine Pause machen und die Sendung im Fernsehen anschauen. Es war gut möglich, daß sich die neusten Informationen noch als hilfreich erwiesen.
In der Zwischenzeit konnten sie nichts anderes tun... als hart arbeiten... und hoffen.
Helen und Harry stiegen in den Keller hinunter und sahen, wie Judy sich um ihre kranke Tochter bemühte, die jetzt in einem leichten Delirium zu sein schien. Karen warf sich auf dem selbstgezimmerten Arbeitstisch hin und her, drehte sich fortwährend und stöhnte dann und wann leise auf.
»Hat sie nach mir gefragt?« erkundigte Helen sich eifrig. »Hat sie überhaupt etwas gesagt?«
Harry streckte die Hand aus und deckte seine Tochter wieder zu. In ihrem Delirium hatte Karen den Mantel, der über sie gebreitet war, wieder abgeschüttelt.
»Sie hat die ganze Zeit über gestöhnt und immer wieder aufgeschrien«, sagte Judy. Auf ihrem Gesicht spiegelten sich Angst und Besorgnis um das Kind wider.
»Armes Baby!« seufzte Helen. Sie legte die Hand auf Karens Stirn und fühlte, daß das Fieber weiter gestiegen war.
»Schnell, hol noch ein feuchtes Tuch«, sagte Harry. »Ich werde anfangen, eine Tragbahre zu bauen. Judy, zuerst werde ich dir mit der Kiste mit den Einmachgläsern dort drüben helfen, und die bringst du gleich zu Toni hoch. Er wird mit nach unten kommen müssen, um den Kanister da zu holen. Wir wollen Molotowcocktails herstellen.«
Die Vorstellung, so etwas zu machen, war für Judy ein bißchen merkwürdig. Es erinnerte sie an Filmszenen, die sie gesehen und nur zur Hälfte verstanden hatte. Sie wußte, daß ein Molotowcocktail etwas war, das Feuer fing, wenn man es auf einen Panzer warf, aber sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie man einen machte. Doch sie stand geduldig da und wartete, während Harry die alte, verstaubte Kiste mit den Gläsern herausfischte und sie ihr auf den Arm hob. Sie war nicht schwer, aber sie war zu sperrig, als daß sie noch etwas anderes hätte
tragen können.
»Du mußt unbedingt daran denken, daß du Tom wegen des Kanisters hier runterschickst«, wiederholte Harry. »Helen und ich werden uns um Karen kümmern und anfangen, eine Trage zu bauen. Sag Tom, daß er uns ein paar alte Laken oder Decken mitbringen soll.«
Harry schaute ihr hinterher, als sie die Kellertreppe hochstieg, so als wäre es unwahrscheinlich, daß sie alles richtig machte, wenn er nicht zusah. »Wir müssen schon verdammtes Glück haben, wenn wir es schaffen wollen«, sagte er zu Helen. »Es wäre schon für ein halbes
Dutzend Männer schwer genug, an diesen Dingern vorbeizukommen.«
Helen blickte auf. Sie hatte gerade ein feuchtes Tuch auf Karens Stirn gelegt. Sie sagte nichts gegen Harrys Pessimismus, sondern zitterte nur. Als ihr Blick auf das fiebrige, schmerzverzerrte Gesicht ihrer kleinen Tochter fiel, hielt sie den Atem an und wagte beinah nicht zu denken, daß sie es vielleicht doch schaffen würden.
»Lieber Gott, hilf uns«, murmelte sie, als sie wieder atmete.
Harry hatte beim Arbeitstisch angefangen, auf etwas einzuschlagen, das am Ende eine Tragbahre ergeben sollte.
Ben war in das leerstehende Zimmer zurückgekehrt, in dem der verstümmelte Leichnam der alten Dame lag, die hier gewohnt hatte. Von diesem Zimmer aus konnte man auf den vorderen Rasen schauen. Genau hier mußte Harry Stellung beziehen und die Molotowcocktails aus dem Fenster werfen.
Ben hielt den Atem an und versuchte, die Leiche einfach nicht anzusehen, aber er wußte ganz genau, daß er sie aus dem Zimmer schaffen mußte. Wenn Harry die Tote erst sah,
Вы читаете Die Nacht der lebenden Toten