dann würde er unter Garantie durchdrehen. Seine Feigheit würde wieder zum Vorschein kommen, und er würde in Panik geraten und weglaufen. Und dann konnte er die Aufgabe nicht übernehmen, für die er vorgesehen war.

In dem Zimmer hatte sich der Gestank des verwesenden Leichnams breitgemacht, weil die Tür seit Stunden verschlossen gewesen war. Ben mußte eine Zeitlang in den Korridor hinausgehen, bis das Zimmer richtig ausgelüftet war. Er ging in das Badezimmer, schob das Fenster einen Spalt auf und atmete die Kühle der Nachtluft ein. Doch der Geruch der Zombies, die dort draußen standen, drang schwach zu ihm hoch. Er hatte sich mit dem Geruch der Feuchtigkeit, des gemähten Rasens und der umgepflügten Felder vermischt, aber er war trotzdem nicht zu verleugnen. Ben schob das Badezimmerfenster zu und kehrte widerstrebend in das Zimmer zurück.

Dort fing er an, die Leiche in den Korridor hinaus und zum Zimmer des kleinen Jungen zu ziehen, das gegenüberlag. Die Leiche lag auf dem blutverkrusteten Teppich, und der rutschte fast mühelos über den blanken Boden, doch als Ben vor dem Kinderzimmer stand, hatte sich der Teppich verdreht und war nur noch schwer zu ziehen. Ben stöhnte. Vom Gestank der toten Frau mußte er würgen. Mehr als verzweifelt bückte er sich trotzdem und hievte schließlich den Teppich samt Leiche in das

Zimmer. Er ließ die Last neben dem Bett liegen, machte einen Schritt darüber und beeilte sich, das Zimmer zu verlassen. Dann warf er hinter sich die Tür ins Schloß.

Wieder ging er in das Badezimmer, öffnete das Fenster einen Spalt und atmete die Nachtluft ein.

Als er in das leere Zimmer zurückkehrte, hing der widerliche Gestank zwar immer noch in der Luft, aber es war nicht mehr so schlimm wie zuvor. Er lief dicht an der Wand entlang zum Fenster, damit er nicht gesehen werden konnte, denn das Fenster hatte keine Vorhänge. Vorsichtig wischte er ein kleines Guckloch auf den verdreckten Scheiben frei.

Inzwischen standen mindestens dreißig von diesen Kreaturen dort unten auf dem Rasen. Und auf den Feldern dahinter waren noch ein paar mehr zu sehen, die schwerfällig auf das alte Haus zugelaufen kamen.

Barbara saß am Kaminfeuer. Ihr Gesichtsausdruck war mißmutig, ja so leer, als ob sie sich nicht länger darum scherte, ob sie lebte oder starb.

In der Ecke des Raumes, wo einmal der Eßplatz gewesen war, fabrizierten Tom und Judy Molotowcocktails. Judy schnitt mit einer Schere alte Bettlaken in schmale Streifen, während Tom das Benzin aus dem Kanister in die Obstgläser goß. Dann begannen sie beide, die Stoffstreifen in eine Schüssel mit Kerosin zu tauchen und zogen diese improvisierten Zündschnüre durch die Löcher, die Tom in die Deckel der Gläser geschnitten hatte.

Die beiden arbeiteten ziemlich lange, ohne ein Wort zu sagen, aber als Judy zu Barbara hinüberschaute, die so in sich gekehrt und trübsinnig auf dem Sofa saß, hatte sie das Bedürfnis, sich zu unterhalten - um dem Schweigen zu entrinnen.

»Tom... meinst du wirklich, daß wir das Richtige tun?« fragte sie unvermittelt und schaute von ihrer Arbeit auf. Dann betrachtete sie ihre Hände, die nach Benzin rochen.

Tom schaute sie an und lächelte ihr angespannt, aber zuversichtlich zu. »Sicher, Liebling. Ich glaube nicht, daß wir irgendeine Chance haben, wenn wir hierbleiben. Die Zombies werden von Minute zu Minute mehr. In der Fernsehsendung hat man jedem, der in so einer Situation ist wie wir, geraten, einen Fluchtversuch zu unternehmen.«

»Aber - was ist denn mit den Rettungstrupps?«

»Wir können nicht das Risiko eingehen, so lange zu warten, bis endlich einer kommt. Vielleicht kommt nie jemand, um uns zu helfen. Denk doch mal daran, wie viele Leute genau wie wir in der Falle sitzen.«

Judy verstummte und machte sich wieder an ihre Arbeit. »Ich glaube wirklich, daß wir es schaffen werden«, sagte Tom. »Wir sind nicht allzu weit weg von den Zapfsäulen. Und Ben sagte, daß er vorhin allein mit drei von diesen Kreaturen fertiggeworden ist. Und jetzt haben wir sogar ein Gewehr.«

Er schaute sie aufmerksam an und registrierte einen sorgenvollen Gesichtsausdruck bei ihr, der ihm in der kurzen Zeit, in der sie zusammen waren, bisher kaum aufgefallen war.

»Aber... wieso mußt eigentlich du derjenige sein, der nach draußen geht?« fragte sie schließlich.

»Liebling, jetzt redest du schon wie Harry Cooper. Irgend jemand muß ja schließlich gehen. Wir können nicht einfach hier rumsitzen und darauf warten, daß diese Zombies uns töten. Außerdem, wir werden es schon schaffen - warte nur ab. Du wirst sehen. Wir werden es schaffen.«

Sie beugte sich vor und legte unbeholfen ihre Arme um ihn, weil sie ihn nicht mit ihren benzinfeuchten Händen anfassen wollte.

Gerade in dem Augenblick, als sie sich küssen wollten, wurden sie von Harrys polternden Schritten aufgeschreckt, der aus dem Keller hochkam. Mit einem angespannten Gesichtsausdruck betrat er das Zimmer und knurrte verärgert: »Was ist denn los? Denkt denn hier eigentlich keiner mit? Es ist gleich soweit, die nächste Nachrichtensendung kommt gleich.«

»Das dauert noch fünf Minuten«, sagte Tom, nachdem er einen Blick auf seine Armbanduhr geworfen hatte.

»Wir müssen aber zusehen, daß das verdammte Ding rechtzeitig warm wird«, sagte Harry, lief zu dem Fernsehapparat hinüber und schaltete ihn im selben Moment an, als Ben aus dem oberen Stockwerk herunterkam.

»Was ist denn los?« fragte Ben.

»Die nächste Sendung fängt gleich an«, antwortete Tom, und um Ben zu demonstrieren, daß er nicht gefaulenzt hatte, machte er mit den Zündschnüren weiter und stopfte sie in die Glasbehälter.

Ben ging zu Barbara hinüber, musterte sie und schüttelte traurig den Kopf.

»Verflucht sei dieser Fernseher«, schimpfte Harry. »Der braucht ja eine Ewigkeit, bis er endlich warmgelaufen ist. Da stirbt man ja eher, als daß der funktioniert.«

Nervös wie er war, holte er ein Streichholz heraus und zündete eine Zigarette an, während der Bildschirm langsam hell wurde und der Ton kam.

»Wir müssen dieses Mädchen nach unten in den Keller bringen«, schlug Harry vor und warf einen Blick zu Barbara hinüber. »Hier oben nützt sie weder sich noch jemand anderem.«

Niemand erwiderte etwas auf Harrys Kommentar. Schweigend saßen sie vor dem Gerät und warteten darauf, daß die Sendung anfing. Sie sahen einen anderen Sprecher, aber denselben Redaktionsraum, in dem Unmengen von Uhren an den Wänden hingen, die anzeigten, wie spät es in den verschiedenen Gegenden des Landes war. Im Hintergrund tickerten die Fernschreiber, und sie konnten verschiedene leise Stimmen hören.

»GUTEN ABEND, MEINE DAMEN UND HERREN. ES IST JETZT MITTERNACHT AN DER OSTKÜSTE. SIE SEHEN EINE SENDUNG DER ZIVILEN VERTEIDIGUNG, MIT BERICHTEN ZU JEDER VOLLEN STUNDE, SOLANGE DIESER... AUSNAHMEZUSTAND ANDAUERT. LASSEN SIE DIESEN SENDER EINGESCHALTET. HIER ERHALTEN SIE ALLE INFORMATIONEN, DIE FÜR IHR ÜBERLEBEN WICHTIG SIND.

MEINE DAMEN UND HERREN... SO UNGLAUBLICH ES SCHEINEN MAG... DIE LETZTE MELDUNG DES FORSCHUNGSTEAMS DES PRÄSIDENTEN IM WALTER-

READE-HOSPITAL BEKRÄFTIGT DAS, WAS VIELE VON UNS ALS TATSACHE AKZEPTIERT HABEN, OHNE AUF EINE OFFIZIELLE BESTÄTIGUNG ZU WARTEN. DIE ARMEE DER AGGRESSOREN, DIE VIELE REGIONEN DES OSTENS UND MITTELWESTENS UNSERES LANDES BELAGERT, BESTEHT AUS
TOTEN, MENSCHLICHEN WESEN.«

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