genug? Er wird uns beide töten.«
»Dieser Mann ist verrückt!« warf Harry ein. Er hatte Schwierigkeiten, leise zu sprechen. »Er ist schon dafür verantwortlich, daß zwei Leute tot sind - ich muß dieses Gewehr kriegen -«
Harry wurde durch Bens Schritte unterbrochen. Er mußte nur noch ein paar Stufen hochsteigen und war gleich darauf im Zimmer. »Es liegt nicht am Sicherungskasten«, verkündete er. Ein Hauch Hoffnungslosigkeit lag in seiner Stimme. »Ich mußte mich vortasten - aber dort unten habe ich eine Taschenlampe gefunden. Die Sicherungen sind alle in Ordnung. Ich habe die Taschenlampe oben an der Treppe liegenlassen, damit wir Licht haben, wenn wir runter wollen. Es ist besser, wenn Sie nach unten gehen und nach Ihrer Tochter sehen. Sie wird -«
Polter!
In der Küche splitterte Glas. Dann ein noch lauteres Krachen. Stöhnen und lautes Gerumpel. Die Hauswände fingen zu wackeln an. Die Zombies hatten sich zusammengerottet und griffen nun das Haus an. Einige von ihnen waren in das Arbeitszimmer eingedrungen und hämmerten gegen die verbarrikadierte Tür.
Ben war sofort auf den Beinen und versuchte, die Barrikaden zu verstärken. Mit dem Hammer und dem Brecheisen schlug er durch die zerbrochene Glasscheibe auf die toten Kreaturen ein und bemühte sich gleichzeitig, die Holzlatten zu sichern, die jeden Augenblick abzureißen drohten.
»Harry! Harry! Kommen Sie doch und helfen Sie mir hier!«
Harry trat hinter Ben, aber anstatt ihm zu helfen, riß er ihm die Waffe von der Schulter. Harry wich zum Keller zurück. Die
Waffe hielt er auf Ben gerichtet. Der drehte sich um und geriet in Panik. Die Zombies drangen in das Haus ein.
»Was haben Sie denn vor, Mann? Wir müssen diese Dinger draußen halten!«
»Jetzt werden wir sehen, wer hier wen erschießt«, sagte Harry, wich zurück und wedelte mit der Waffe vor Bens Gesicht herum. »Ich werde in den Keller gehen, und ich werde die beiden Frauen mitnehmen - und Sie können hier oben verrotten, Sie verrückter Hurensohn!«
Ben kümmerte sich gar nicht um Harry, sondern warf sich mit Wucht gegen das Fenster, wo die Holzverkleidung nach und nach abfiel. Mindestens ein halbes Dutzend Zombies stand vor dem Fenster. Sie schlugen so lange dagegen, bis die Nägel langsam nachgaben.
Harry stand einen Augenblick lang wie versteinert da. Weder verstand er die Heftigkeit dieses Angriffs noch Bens Gleichgültigkeit, was die Tatsache anbelangte, daß er die Waffe nicht mehr hatte. Harry war davon ausgegangen, daß Ben darum betteln würde, mit den anderen in den Keller gehen zu dürfen.
Ben ließ die Zombies absichtlich eine der größeren Holzplatten abreißen, die er auf die Wohnzimmertür genagelt hatte. Als die Platte schließlich lose war, wirbelte er herum und schleuderte sie auf Harry. Er traf das Gewehr, so daß es herunterfiel. Ein Schuß ging los, doch die Kugel drang nur in den Fußboden ein. Ben stürzte sich auf Harry, und nach einem kurzen, heftigen Kampf gelang es ihm, die Waffe wieder in die Hand zu bekommen.
Helen beobachtete die beiden Männer reglos. Der Lärm der Zombies dröhnte ihr in den Ohren.
Harry wich vor Ben zurück und ging weiter auf den Keller zu.
Ben spannte den Hahn und schoß. Harry schrie auf. Ein großer Blutfleck tauchte auf seiner Brust auf. Er legte die Hand auf die Wunde und ging in die Knie. Dann fiel er durch die Tür zum Keller, rollte noch einmal herum und klammerte sich am Geländer fest, stolperte schließlich und fiel vornüber in den Keller hinunter.
Ein paar der gräßlichen Kreaturen waren durch das Fenster gekommen, hatten Helen an den Haaren gepackt und ihren Hals umklammert, rissen und zerrten an ihr. Ben schlug mit dem Gewehrkolben auf sie ein, trat dann ein paar Schritte zurück und schoß zweien ein Loch in den Kopf. Befreit rannte Helen schreiend auf den Keller zu, und da es dort kein Licht gab, fiel auch sie und stolperte die Stufen hinunter. Ihr Schreien wurde lauter, als sie merkte, daß sie auf etwas Großes und Weiches gefallen war - die Leiche ihres Mannes. Ihre Hand war feucht von seinem Blut. Dann stolperte im Dunkeln etwas auf sie zu, stöhnte leise und streckte die Hände nach ihr aus.
»Karen?«
Es war Karen. Aber sie war tot. Ihre Augenlider flatterten in der Dunkelheit. Sie ließ das Handgelenk ihres Vaters los, das sie im Mund hatte. Sie hatte an dem zarten Fleisch auf der Unterseite seines Unterarms geknabbert.
Helen bemühte sich, in der Dunkelheit etwas erkennen zu können.
»Karen? Kleines?«
Das tote, kleine Mädchen hatte eine Gartenkelle. Schweigend hieb Karen die Kelle ihrer Mutter in die Brust. Mit einem Schrei taumelte Helen zurück, bedeckte ihren Brustkorb mit den Händen, während das Blut herausströmte und ihre Tochter immer wieder auf sie eindrosch. Helens Schreie vermischten sich mit dem Lärm der Zerstörung, der in dem alten Haus widerhallte.
Dann verstummte das Geschrei. Aber die Gartenkelle fuhr unablässig weiter auf Helen nieder und hackte ihren Körper in Stücke. Sie bohrte sich in das blutige Fleisch und riß es in Fetzen. Dann glitt Karen die Kelle aus den blutverschmierten
Händen, und sie beugte sich sabbernd über ihre Mutter und fletschte die Zähne... und dann tauchte sie ihre Hände in die blutigen Wunden...
Oben im Haus kämpfte Ben so heftig weiter, wie er konnte. Er hoffte immer noch, die Zombies vertreiben zu können.
Hysterisch und mit überschwenglichem Rachedurst hatte sich jetzt auch Barbara in den Kampf geworfen. Einem Angreifer schlug sie einen Stuhl auf den Kopf. Er ging zu Boden, und sie warf sich auf ihn und hieb ihm ihre Fäuste ins Gesicht. Dann aber packte der Zombie sie, und sie rollten über den Boden und kämpften miteinander. Die tote Kreatur klammerte sich an Barbara und biß ihr in den Hals. Ben trat neben die beiden Kämpfer, zielte mit seiner Waffe direkt auf das Gesicht des Zombies und feuerte. Die Wucht der Explosion schleuderte die Kreatur zurück, und Barbara wurde mit Blut und Knochenteilen bespritzt, als der Kopf ihres Gegners weggeblasen wurde. Schreiend kam sie wieder auf die Füße - und rannte direkt in einen Haufen von Zombies, die durch die Wohnzimmertür eingedrungen waren.
Die griffen nach Barbara, rissen und zogen an ihr und schleppten sie aus dem Haus. Sie blickte auf, als noch weitere Angreifer herbeigelaufen kamen, um sie zu töten, und fing wieder an, um ihren schon bald toten Körper zu kämpfen. Einer der Angreifer war ihr Bruder Johnny, der von den Toten wiederauferstanden war. Er starrte sie böse an. Seine Zähne waren abgebrochen, und sein Gesicht war mit getrocknetem Blut und Dreck verschmiert. Er kam auf Barbara zu und bohrte seine Finger in ihren Hals. Sie schrie wie wild auf und verlor das Bewußtsein. Der Schock lähmte sie. Die Zombies schleppten sie in die Nacht hinaus, rissen sie auseinander und bohrten ihre Hände und Zähne in ihren weichen Körper - während Gruppen von zwei oder drei Fleischfressern an ihren Armen und Beinen zogen, sie verdrehten und versuchten, ihre Knochen und Knorpel zu lösen, bis sie ausgeschlachtet war.
Ben, der immer noch drinnen im Haus war, war ebenfalls schon fast überwältigt. Jetzt waren mindestens zwanzig oder dreißig von diesen Zombies im Haus. Die Barrikaden waren durchbrochen worden. Ben sah keine Möglichkeit, wie er ihnen auch weiterhin entgegentreten und mit ihnen kämpfen konnte.
Einen Moment lang bewegte sich keiner. Die Zombies standen einfach nur da und glotzten. Sie betrachteten den Mann, den sie wie eine Ratte in die Ecke des Zimmers gedrängt
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