Tür bewegte sich nicht, bis ihr plötzlich einfiel, daß sie ja die Verriegelung lösen mußte. Der Angreifer war nicht mehr allzu weit entfernt, als sie endlich die Tür aufstieß und aus dem Wagen sprang.

Sie rannte.

Der Mann hinter ihr kam immer näher und bemühte sich verzweifelt, seine schlurfenden, stolpernden Schritte zu beschleunigen. Barbara rannte, so schnell sie konnte, die steile Schotterstraße hoch. Doch dann fiel sie hin. Riß sich die Knie auf. Stand wieder auf und lief weiter, während der Mann sie immer noch verfolgte.

Oben auf dem Hügel stieß sie auf die Hauptstraße. Dort riß sie sich ihre Schuhe von den Füßen und rannte schneller weiter -was auf Asphalt eher möglich war als auf Schotter. Sie hoffte, auf einen Wagen oder LKW oder irgendein Fahrzeug zu stoßen, das sie anhalten konnte. Aber kein einziger Wagen kam in Sicht. Schließlich gelangte sie an eine niedrige Steinmauer, die parallel zur Straße verlief und sie wußte, daß irgendwo dahinter ein Haus sein mußte. Schwerfällig kletterte sie hinüber und überlegte kurz, ob sie sich nicht einfach dahinter verstecken sollte, aber sie konnte schon wieder das rasselnde Atmen und die polternden Schritte ihres Verfolgers hören, der nicht sonderlich weit hinter ihr war. Sicherlich würde er einen Blick hinter die Mauer werfen und dort nach ihr suchen - denn daß sie als Versteck herhalten konnte, war allzu offensichtlich.

Dann, als sie sich umschaute, um sich zu orientieren, glaubte sie, in der Ferne ein schwach erleuchtetes Fenster zu sehen. Das Haus mußte auf der anderen Seite des Feldes liegen. Der Lichtschein drang durch die belaubten, tiefhängenden Äste einzelner Bäume.

Im Dunklen stolperte sie über Steine, abgebrochene Äste und knotige Wurzeln, als sie auf das erleuchtete Fenster auf der gegenüberliegenden Seite des Feldes zurannte.

Zuerst erreichte sie einen Schuppen, der am Rande einer unbefestigten Straße stand, die zu dem Haus führte. Neben dem Schuppen, in den Lichtschein einer nackten Glühbirne getaucht, um die Insekten kreisten, standen zwei Benzinpumpen von der

Art, wie Bauern sie besitzen, um ihre Traktoren und anderen Fahrzeuge aufzutanken. Barbara blieb stehen und versteckte sich kurz hinter einer der Pumpen - bis ihr bewußt wurde, daß sie in dem Lichtschein des Schuppens leicht zu entdecken war.

Als sie sich umwandte, fiel der Lichtschein auf ihren Angreifer. Mit schweren Schritten schlurfte er über das dunkle Feld, das mit Büschen, Bäumen und Sträuchern übersät war.

Sie lief auf das Haus zu und fing an, so laut um Hilfe zu rufen, wie es ihr möglich war. Aber niemand kam nach draußen. Niemand trat auf die Veranda. Das Haus blieb still und wirkte wenig einladend, wenn man von dem Lichtschein absah, der aus einem einzelnen Fenster drang.

In einer finsteren Ecke preßte sie sich an die Hauswand und versuchte, einen Blick durch das Fenster zu werfen, aber sie sah nichts, wovon sie auf die Anwesenheit von Menschen schließen konnte, und es war offensichtlich, daß niemand ihre Schreie gehörte hatte und niemand herauskommen würde, um ihr zu helfen.

Der Mann, der ihren Bruder getötet hatte, wurde als Silhouette vor dem Schuppen sichtbar. Er kam näher.

Völlig verstört rannte sie zur Rückseite des Hauses und verbarg sich im Schatten einer kleinen Veranda. Zuerst wollte sie einem Impuls nachgeben und wieder um Hilfe rufen, doch dann bemühte sich sich, sich still zu verhalten, damit der Verfolger nicht herausbekam, wo sie sich versteckte. Sie schnappte nach Luft, stellte fest, wie laut sie atmete, und versuchte, den Atem anzuhalten. Stille... Geräusche der Nacht... und das laute Pochen ihres hektisch schlagenden Herzens... und dabei hörte sie, daß die Schritte ihres Verfolgers zunehmend langsamer wurden... bis er schließlich nur noch schlenderte. Und dann waren auf einmal überhaupt keine Schritte mehr zu hören.

Barbara blickte sich hektisch um. Auch auf der Rückseite des Hauses befand sich ein Fenster. Das Mädchen warf einen Blick hinein, aber drinnen herrschte absolute Dunkelheit. Ihr Verfolger war wieder losgelaufen, sie konnte seine unheimlichen Schritte laut und deutlich hören. Mit dem Rücken an die Tür des Hauses gepreßt, suchte sie den Türknauf. Sie blickte hinunter und war sich eigentlich sicher, daß die Tür abgeschlossen war. Trotzdem drückte sie sie nach unten. Die Tür ging auf.

2. KAPITEL

Sie trat so schnell und so leise wie möglich ein und schloß vorsichtig die Tür hinter sich. Dann verriegelte sie sie und tastete in der Dunkelheit nach einem Schlüssel. Ihre Hand fand ihn, und sie drehte ihn um. Das Drehen und Klicken des Schlosses war kaum zu hören. Erschöpft lehnte sie sich an die Tür und lauschte. Obwohl sie nun im Haus war, konnte sie die Schritte des Mannes wahrnehmen, der näher kam und sie suchte.

Ein Zittern lief durch ihren Körper, als sie in der Dunkelheit herumtastete und ihre Hand die kalte Platte eines elektrischen Ofens berührte. Die Küche. Sie war in der Küche des alten Hauses. Sie drückte auf einen Knopf, und die Bratröhrenbeleuchtung ging an. So war es hell genug, daß sie sich genau umsehen konnte, ohne ihren Verfolger mit der Nase darauf zu stoßen, wo sie war. Jedenfalls hoffte sie das. Mehrere Sekunden lang verhielt sie sich vollkommen ruhig und bewegte keinen einzigen Muskel. Dann erst war sie imstande, sich in Bewegung zu setzen. Sie durchquerte die Küche und trat in ein großes Wohnzimmer, in dem kein Licht brannte und tatsächlich niemand zu sein schien. Am liebsten hätte sie wieder um Hilfe gerufen, aber dann besann sie sich eines anderen. Sie hatte Angst, daß der Mann draußen sie hören konnte. Sie beschloß, wieder in die Küche zu gehen, durchsuchte hastig die Schubladen des Küchenschrankes und fand den Besteckkasten. Sie wählte ein großes Steakmesser aus, umklammerte es entschlossen und ging zurück zur Tür, um zu horchen. Alles war ruhig. Dann schlich sie wieder in das Wohnzimmer. Weiter hinten waren dicke Portieren zu erkennen, die den Vordereingang des Hauses verbargen. Barbara erschrak, geriet in Panik und hastete zur Vordertür, um nachzusehen, ob sie abgeschlossen war. Dann schob sie vorsichtig den Vorhang ein wenig beiseite, um einen Blick nach draußen zu werfen. Da war der riesige Garten zu sehen und das grasbewachsene Feld, über das sie gelaufen war, und die großen, schattenspendenden Bäume, Büsche, der Schuppen und die Benzinpumpen, die in Licht getaucht waren. Von ihrem Angreifer konnte Barbara jedoch nichts sehen und nichts hören.

Plötzlich drang von draußen ein Geräusch herein. Jemand rüttelte und klopfte an der Tür. Barbara ließ den Vorhangzipfel fallen und blieb erstarrt stehen. Noch mehr Geräusche. Sie eilte zu einem Seitenfenster. Sie bemerkte, wie der Mann auf der anderen Seite des Gartens an die Garagentür klopfte. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete sie ihn. Der Mann schlug immer heftiger auf die Tür ein, schaute sich dann um, hob einen Gegenstand auf und warf ihn dagegen. Angsterfüllt entfernte Barbara sich von dem Fenster und preßte sich ganz dicht an die Wand.

Ihr Blick fiel auf ein Telefon in einem Holzregal auf der gegenüberliegenden Zimmerseite. Sie eilte hinüber und hob den Hörer ab. Freizeichen. Gott sei Dank. Wie eine Wahnsinnige wählte sie die Vermittlung. Aber das Freizeichen verstummte. Tödliche Stille drang aus dem Hörer. Barbara drückte wieder und wieder auf die Tastatur, aber das Freizeichen kehrte nicht zurück. Nur tödliche Stille. Das Telefon funktionierte aus irgendeinem Grund nicht mehr. Das Radio. Das Telefon. Sie funktionierten nicht.

Barbara warf den Hörer auf die Gabel und eilte zu einem anderen Fenster. Eine Gestalt überquerte den Rasen und kam auf das Haus zugelaufen. Es schien jemand anders zu sein, ein

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