anderer Mann. Ihr Herz machte aus Angst und Hoffnung einen Satz - denn sie wußte nicht, wer der neue Mann wohl war, und sie wagte nicht, ihn um Hilfe anzuflehen.

Sie rannte zur Tür hinüber und spähte wieder durch die Vorhänge. Sie wartete auf einen Hinweis, ob diese neue Person im Garten ein Freund oder Feind war. Wer auch immer er war, er hielt stetig auf das Haus zu. Plötzlich fiel ein Schatten auf das

Fenster links von der Tür, und Barbara war so erschrocken, daß sie zurücksprang.

Sie hob einen Zipfel des Fenstervorhangs hoch und sah den Rücken des ersten Angreifers. Der Mann war wenig mehr als drei Meter entfernt und hatte sein Gesicht dem Mann zugewandt, der jetzt schnell auf das Haus zugelaufen kam. Der Angreifer näherte sich dem anderen Mann.

Barbara hatte keine Ahnung, was in den nächsten Minuten passieren würde. Wieder stand sie wie erstarrt an die Tür gelehnt und sah auf das Messer - dann blickte sie erneut nach draußen zu den beiden Männern.

Die beiden trafen aufeinander. Sie sprachen aber anscheinend nicht miteinander. Da standen sie ganz reglos unter den düsteren Bäumen mit den tief herabhängenden Zweigen und stierten in Richtung Friedhof. Aus ihrem Versteck im Haus versuchte Barbara etwas zu erkennen. Sie kniff die Augen zusammen. Schließlich marschierte der Angreifer wieder zur Straße hinüber und lief in Richtung Friedhof. Der andere Mann hielt auf das Haus zu, blieb dann unbeweglich im Schatten eines Baumes stehen und beobachtete das Haus.

Barbara spähte in die Dunkelheit, aber sie konnte nur wenig erkennen. Dann rannte sie zum Telefon, nahm wieder den Hörer ab und hörte wieder nur tödliches Schweigen. Sie hatte alle Mühe, den Hörer nicht auf die Gabel zu knallen.

Plötzlich hörte sie in der Ferne ein Geräusch - einen Wagen, der näher kam. Sie huschte zum Fenster, schaute nach draußen und hielt vor Aufregung den Atem an. Die Straße schien leer zu sein. Aber kurz darauf war ein schwaches Licht zu erkennen, das auf und ab hüpfte und schnell näher kam - ein Wagen fuhr die Straße hoch. Barbara streckte die Hand nach dem Türknauf aus und öffnete ganz vorsichtig die Tür. Ein schmaler Lichtstreifen fiel auf den Rasen. Dort, unter dem großen, alten Baum, stand unverkennbar der zweite Mann. Barbara zitterte und erstickte beinah vor Angst, als sie überlegte, ob sie zu dem näher kommenden Wagen hinüberlaufen sollte. Der Mann unter dem Baum schien ziemlich regungslos dazusitzen, Kopf und Schultern eingezogen, doch sie war sich sicher, daß er das Haus unverwandt im Auge behielt.

Barbara ließ es zu, daß der Wagen vorbeifuhr, während sie nur die verhaßte Gestalt auf dem Rasen anstarrte. Dann schloß sie die Tür und zog sich in die Dunkelheit des Hauses zurück. Langsam kam ihr der Gedanke, daß der erste Angreifer möglicherweise losgegangen war, um Verstärkung zu holen. Sie würden dann als große Horde auftauchen, die Tür einschlagen, sie vergewaltigen und dann töten.

Voller Verzweiflung suchten ihre Augen die Umgebung ab. Der große, farblose Raum war totenstill und in dunkle Schatten getaucht. Zwischen dem Wohnzimmer und der Küche befand sich ein Flur. Dort führte auch eine Treppe empor. Verstohlen betrat sie den Korridor und tastete nach einem Lichtschalter. Die Lampe oben an der Treppe ging an, und sie stieg die Stufen hoch. Angstvoll klammerte sie sich dabei am Geländer fest. Verzagt wie sie war, hoffte sie dennoch, oben einen Platz zu finden, wo sie sich verstecken konnte. Das Mädchen bewegte sich auf Zehenspitzen vorwärts... ganz vorsichtig... und umklammerte den Griff des Messers. Doch dann, als Barbara oben angekommen war, schrie sie - einen ohrenbetäubenden Schrei, der so laut war, daß ihre Lungen schmerzten, und der im ganzen Haus widerhallte. Denn dort oben, auf dem Boden des Flurs im ersten Stock, im Lichtschein einer nackten Glühbirne, die von der Decke baumelte, lag eine Leiche. Fleischfetzen waren herausgerissen worden. Die Augenhöhlen waren leer, und die weißen Zähne und Wangenknochen lagen frei, waren nicht mehr von Haut bedeckt. Es sah so aus, als ob der Leichnam von Ratten angefressen worden wäre. Er lag in einer Pfütze aus Blut, die eingetrocknet war.

Barbara schrie vor Entsetzen immer weiter, ließ ihr Messer fallen und rannte stolpernd die Treppe hinunter. Das Mädchen hatte jetzt nur noch Flucht im Sinn. Es würgte sie, und sie mußte sich beinah übergeben. Ihr Verstand versagte. Sie fürchtete, wahnsinnig zu werden und wollte nur noch aus dem Haus fliehen. So jagte sie auf die Tür zu, schloß auf und stürzte in die Nacht hinaus. Über die Folgen ihrer Flucht machte sie sich keine Gedanken mehr.

Und plötzlich badete sie in einem Lichtschein, der sie fast erblinden ließ - und als sie die Arme hochriß, um sich zu schützen, hörte sie ein lautes Quietschen. Sie wollte fliehen, aber ein Mann sprang ihr in den Weg.

»Sind Sie eine von denen?« rief der Mann.

Sie starrte ihn nur regungslos an.

Der Mann, der vor ihr stand, war aus einem Kleintransporter gesprungen, mit dem er bis auf den Rasen gefahren war. Er hatte so stark bremsen müssen, daß er tiefe Spuren hinterließ. Die Scheinwerfer blendeten sie.

Barbara stierte ihn an, aber sie brachte immer noch kein Wort heraus.

»Sind Sie eine von ihnen?« brüllte er wieder. »Meiner Meinung nach sehen Sie aus wie eine von denen!«

Barbara schauderte es. Er hatte seine Arme hochgerissen, als wolle er jeden Moment auf sie einschlagen. Seine Gesichtszüge konnte sie jedoch nicht erkennen, denn die Scheinwerfer in seinem Rücken blendeten sie.

Hinter dem Fahrer des Kleintransporters machte der Mann unter dem Baum ein paar Schritte auf sie zu. Barbara entfuhr ein Schrei, und sie stolperte ein paar Schritte nach hinten. Der Fahrer drehte sich um und sah den Mann näher kommen - der jetzt stehenblieb und sie einfach nur beobachtete.

Schließlich packte der Fahrer Barbara und schob sie mit solcher Wucht in das Wohnzimmer, daß sie stürzte und er über sie stolperte. Sie schloß die Augen und bemühte sich, den nahenden Tod zu akzeptieren.

Aber er stand auf, knallte die Tür zu und schloß sie ab.

Dann hob er die Vorhänge hoch und spähte nach draußen. An ihr schien er nicht sonderlich interessiert zu sein, und so öffnete sie schließlich wieder die Augen und musterte ihn genauer.

In den Händen hielt er einen Kreuzschlüssel. Er war schwarz, vielleicht dreißig Jahre alt, trug Hosen und einen Pulli. Ihrem Angreifer ähnelte er überhaupt nicht. Sein Gesicht war hübsch und wirkte freundlich, obwohl er offensichtlich ziemlich angespannt war. Außerdem schien er mit seinen knapp zwei Metern ein starker Mann zu sein.

Barbara kam auf die Füße und starrte ihn unablässig an.

»Ist schon in Ordnung«, beruhigte er sie. »Ist schon in Ordnung. Ich bin keiner von diesen widerlichen Typen. Mein Name ist Ben. Ich werde Ihnen nicht weh tun.«

Sie sank in einen Sessel und fing leise an zu weinen. Unterdessen sah Ben sich um. Er betrat den angrenzenden Raum und kontrollierte die Schlösser an den Fenstern. Dann schaltete er eine Lampe ein, die auch funktionierte, schaltete sie aber gleich wieder aus.

Er rief Barbara von der Küche aus etwas zu.

»Haben Sie keine Angst vor dem fiesen Kerl da draußen! Mit dem werde ich schon fertig. Doch wahrscheinlich werden bald noch mehr von der Sorte eintrudeln, wenn sie herauskriegen, daß wir hier sind. Ich hab' kein Benzin mehr, und die Benzinpumpen hinten im Hof sind abgesperrt. Haben Sie den Schlüssel?«

Barbara antwortete nicht.

»Haben Sie den Schlüssel?« wiederholte Ben und versuchte, seine Verärgerung in den Griff zu kriegen.

Barbara sagte wieder nichts. Die Dinge, die sie während der letzten Stunden

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