»Wir konnten durchbrennen. Uns wurde niemand erwischen. Wenn wir mit … mit dem davongekommen sind, was wir getan haben … dann traue ich mir auch zu, mit meinem Madchen nach Colorado durchzubrennen, ohne geschnappt zu werden.«
»Das wurdest du nicht schaffen«, sagte ich, »so ganz ohne Geld. Mit Geld lasst sich alles richten, sagt er. Und ich sage dir:
»Nicht wenn sie gezwungen wird, es herzugeben!«
»Das andert nichts daran, was eine Frau empfindet, wenn sie einen kleinen Kerl im Bauch hat. Das macht sie auf eine Weise lebensklug, die Manner nicht verstehen. Weder bist du noch ist sie in meiner Achtung gesunken, nur weil sie ein Kind bekommt - ihr seid nicht die Ersten, und ihr werdet nicht die Letzten sein, auch wenn Mr. Gro?machtig glaubt, sie wurde das, was sie zwischen den Beinen hat, nur auf dem Wasserklosett benutzen. Aber wenn du ein im funften Monat schwangeres Madchen bedrangen wurdest, mit dir durchzubrennen … und wenn sie dazu bereit ware … wurde ich die Achtung vor euch beiden verlieren.«
»Was wei?t du denn schon?«, sagte er mit unendlicher Verachtung. »Du konntest nicht mal eine Kehle durchschneiden, ohne Pfusch zu machen.«
Ich war sprachlos. Er sah meine Verwirrung und lie? mich so stehen.
Am nachsten Tag fuhr er zwar in die Schule, aber ich ahnte, dass er nicht mehr lange hingehen wurde, seit sein Schatz nicht mehr dort war. Vermutlich lag das an dem Lastwagen. Einem Jungen ist jede Ausrede recht, wenn er einen Wagen fahren darf.
Sobald er fort war, ging ich in die Kuche. Ich kippte Zucker, Mehl und Salz aus ihren Blechdosen und ruhrte darin herum. In den Haufchen war nichts zu finden. Ich ging ins Schlafzimmer und durchsuchte ihre Kleidung. Wieder nichts. Ich sah in ihren Schuhen nach, ohne fundig zu werden. Aber jeder Misserfolg verstarkte meine Gewissheit, irgendwo gebe es
Ich hatte Arbeit im Garten, aber statt sie zu tun, ging ich nach drau?en hinter den Stall, wo der alte Brunnen gewesen war. Auf ihm wuchs jetzt Unkraut: Quecken, dazwischen vereinzelt Goldruten. Elpis war dort unten, Arlette auch. Arlette mit ihrem verschobenen Unterkiefer. Arlette mit ihrem Clownsgrinsen. Arlette mit ihrem
»Wo ist es, du widerborstige Schlampe?«, fragte ich sie. »Wo hast du es versteckt?«
Ich bemuhte mich, moglichst an gar nichts zu denken, so wie es mir mein Vater immer geraten hatte, wenn ich ein Werkzeug oder eines meiner wenigen kostbaren Bucher verlegt hatte. Kurze Zeit spater ging ich zuruck ins Haus, zuruck ins Schlafzimmer, zuruck an den Kleiderschrank. Im oberen Fach standen zwei Hutschachteln. In der ersten fand ich nur einen Hut - den wei?en, den sie in der Kirche getragen hatte (wenn sie sich die Muhe machte, zum Gottesdienst zu gehen, was ungefahr einmal im Monat vorkam). Der Hut in der zweiten Schachtel war rot, und ich hatte sie nie damit gesehen. Mir kam er wie ein Nuttenhut vor. Unter dem Innenband aus Satin steckten zwei zu winzigen Quadraten in Pillengro?e zusammengefaltete 20-Dollar-Scheine. Wahrend ich hier in diesem schabigen Hotelzimmer
Weil sie nicht reichten. Das begreifen Sie doch wohl. Naturlich tun Sie das. Man braucht nichts von
35.
Und wenn ich nachts im Bett liege, kann ich diese Zahl manchmal wirklich
Der Hinterhaltige ausgetrickst … wie gefallt Ihnen das? Inzwischen war mir das fast egal, weil ich damals schon meinen Sohn verloren hatte, aber wissen Sie, wem ich wirklich die Schuld gebe?
Arlette.
Ja.
Weil sie es war, die diese beiden Scheine in ihrem roten Nuttenhut versteckt hatte, wo ich sie finden musste. Und begreifen Sie auch, wie diabolisch clever sie war? Es waren namlich nicht die 40, die mein Verderben waren; es war der Betrag, der noch zu der Summe fehlte, die Cotterie fur die Privatlehrerin seiner schwangeren Tochter verlangte; das Geld, das er wollte, damit sie Latein lernen und weiter
35, 35, 35.
Uber das Geld, das er fur die Privatlehrerin haben wollte, dachte ich die ganze restliche Woche und auch ubers Wochenende nach. Manchmal holte ich die beiden Scheine hervor - ich hatte sie glattgestrichen, aber die Kniffe blieben - und studierte sie. Am Sonntagabend stand mein Entschluss fest. Ich sagte Henry, er musse am Montag mit dem Model T in die Schule fahren; ich musse nach Hemingford Home fahren und mit Mr. Stoppenhauser in der Bank uber einen Kurzkredit reden. Uber einen Kleinkredit. Nur 35 Dollar.
»Wofur?« Henry sa? am Fenster und starrte missmutig aufs Westfeld hinaus.
Ich sagte es ihm. Ich dachte, das wurde zu einem weiteren Streit wegen Shannon fuhren, den ich mir in gewisser Weise sogar wunschte. Er hatte die ganze Woche nicht von ihr gesprochen, obwohl ich wusste, dass Shan fort war. Mert Donovan hatte es mir erzahlt, als er vorbeikam, um eine Ladung Saatmais abzuholen. »Ist jetzt in irgendeinem
Wenn ich wusste, dass sie fort war, wusste Henry es auch - vermutlich schon vor mir, Schulkinder tratschen nun einmal hemmungslos. Aber er hatte nichts gesagt. Ich versuchte wohl, ihm einen Grund dafur zu liefern, allen Schmerz und alle Vorwurfe herauszulassen. Das wurde nicht angenehm sein, aber auf Dauer konnte es sich als Wohltat erweisen. Man sollte kein Geschwur auf der Stirn oder im Gehirn dahinter schwaren lassen. Wenn man das einmal zulasst, kann die Infektion sich gefahrlich ausbreiten.
Als er meine Mitteilung nur mit einem Grunzen quittierte, beschloss ich, etwas energischer nachzufassen.
»Wir beide werden uns die Ruckzahlung teilen«, sagte ich. »Sollten wir den Kredit bis Weihnachten tilgen, kommt er auf nicht mehr als 38 Dollar. Das sind 19 fur jeden. Deinen Anteil ziehe ich dir von deinem Arbeitslohn ab.«
Das wurde bestimmt einen Wutanfall provozieren, dachte ich … aber es bewirkte nur ein weiteres murrisches Grunzen. Er diskutierte nicht einmal daruber, dass er mit dem T in die Schule fahren sollte, obwohl das Ding kaum 25 Meilen die Stunde schaffte und seine Mitschuler daruber spotteten, wie er sagte, und es »Hanks Arschbrecher« nannten.
»Sohn?«
»Was?«
»Alles in Ordnung mit dir?«
Er wandte sich mir zu und lachelte - zumindest verzog er die Lippen. »Mir geht’s gut. Viel Gluck morgen auf der Bank, Papa. Ich geh jetzt ins Bett.«
Als er aufstand, fragte ich ihn: »Gibst du mir einen Gutenachtkuss?«
Er kusste mich auf die Wange. Es war das letzte Mal.
Er ratterte mit dem Arschbrecher in die Schule, und ich fuhr mit dem Lastwagen nach Hemingford Home, wo Mr. Stoppenhauser mich nach nur funf Minuten Wartezeit in sein Buro holte. Ich erklarte ihm, was ich brauchte, sagte aber nicht, wofur, und gab nur personliche Grunde an. Ich glaubte, bei einem so lacherlichen Betrag nicht ins Detail gehen zu mussen, und behielt recht. Als ich jedoch fertig war, faltete er die Hande auf seiner Schreibunterlage und musterte mich fast vaterlich streng. In der Ecke zahlte eine Standuhr leise tickend