werde es mal versuchen, nur um es aus dem Kopf zu bekommen. Um ihn aus meinem Kopf zu bekommen. Wenn ich gefasst werde, werde ich eben gefasst - aber ich kann wenigstens aufhoren, daran zu denken. Vermutungen daruber anzustellen. Wie es wohl sein wurde.‹«

»Du erzahlst mir, das sei mannlicher Forscherdrang gewesen?«, sagte sie bedruckt.

»Na ja, so konnte man es irgendwie nennen.«

»Oder als ob man einen Joint probiert, nur um zu sehen, was die ganze Aufregung soll.«

Er zuckte bescheiden, jungenhaft mit den Achseln. »Irgendwie.«

»Das war keine Erkundung, Bobby. Das war nicht, als ob man einen Joint versucht. Das war Mord an einer Frau

Sie hatte weder Schuldbewusstsein noch Schamgefuhl gesehen, absolut nichts - er schien au?erstande zu sein, solche Gefuhle zu empfinden, so als ware der Schalter, der sie kontrollierte, defekt geworden, moglicherweise schon vor der Geburt -, aber jetzt bedachte er sie mit einem schmollenden, gekrankten Blick. Mit dem Du-verstehst-mich-nicht-Blick eines Teenagers.

»Darcy, sie waren hochnasig

Sie wollte ein Glas Wasser, furchtete sich aber davor, aufzustehen und ins Bad zu gehen. Sie furchtete, er wurde sie aufhalten, und was wurde danach kommen? Was dann?

»Au?erdem«, fuhr er fort, »habe ich nicht erwartet, gefasst zu werden. Nicht wenn ich sorgfaltig vorging und einen Plan machte. Also keinen unausgereiften, geilen Plan eines Vierzehnjahrigen, sondern einen richtigen. Einen realistischen Plan. Und mir ist noch etwas klargeworden: Ich konnte es nicht allein schaffen. Selbst wenn ich es nicht aus Nervositat vermasseln wurde, konnte mein schlechtes Gewissen alles verderben. Weil ich einer der guten Kerle war. So habe ich mich gesehen, und ob du’s glaubst oder nicht, so sehe ich mich noch immer. Und das kann ich beweisen, oder nicht? Ein schones Heim, eine gute Frau, zwei ansehnliche Kinder, die jetzt erwachsen sind und ihr eigenes Leben beginnen. Und ich habe dem Gemeinwesen

Du hattest Marjorie Duvall um eine Blutspende bitten sollen, dachte Darcy. Sie hatte Blutgruppe A positiv.

Dann sagte er, indem er sich wie ein Mann, der seine Argumente mit einem letzten unwiderlegbaren Punkt untermauerte, leicht aufplusterte: »Das steckt auch hinter meiner Arbeit mit den Jungpfadfindern. Du hast geglaubt, ich wurde aufhoren, als Donnie zu den Pfadfindern gegangen ist. Ich wei?, dass du das geglaubt hast. Aber ich hab’s nicht getan. Weil es mir niemals nur um ihn gegangen ist. Sondern um das Gemeinwesen, dem ich etwas zuruckgeben wollte.«

»Dann gib Marjorie Duvall ihr Leben zuruck. Oder Stacey Moore. Oder Robert Shaverstone.«

Der letzte Name erreichte sein Ziel; Bob zuckte zusammen, als hatte sie ihn geschlagen. »Der Junge war ein Unfall. Er hatte nicht dort sein sollen.«

»Aber dass du dort warst, war kein Unfall?«

»Das war nicht ich«, sagte er und fugte dann die endgultige surreale Absurditat an: »Ich bin kein Ehebrecher. Das war BD. Es ist immer BD. Es war seine Schuld, dass er mir diese Ideen uberhaupt in den Kopf gesetzt hat. Allein ware ich nie darauf gekommen. Meine Mitteilungen an die Polizei habe ich mit seinem Namen unterzeichnet, nur damit das klar war. Naturlich habe ich die Schreibweise geandert, weil ich ihn einige Male BD genannt habe, als ich dir damals von ihm erzahlt habe. Du hattest dich vielleicht nicht daran erinnert, aber ich wusste es naturlich.«

Wie zwanghaft er alles Erdenkliche tat, beeindruckte sie wider Willen. Kein Wunder, dass er nicht geschnappt worden

»Keine von denen hatte irgendetwas mit mir oder mit meinem Beruf zu tun. Auch nicht mit meiner Nebenbeschaftigung. Das ware sehr schlecht gewesen. Sehr gefahrlich. Aber ich reise viel und halte dabei die Augen offen. Das tut auch BD - der BD in meinem Inneren. Wir achten auf die Hochnasigen. Die sind immer leicht zu erkennen. Sie tragen viel zu kurze Rocke und lassen absichtlich ihre BH-Trager sehen. Sie locken Manner an. Zum Beispiel diese Stacey Moore. Von der hast du bestimmt gelesen. Verheiratet, aber das hat sie nicht daran gehindert, mich mit ihren Mopsen am Arm zu streifen. Sie hat als Serviererin in einem Cafe gearbeitet - im Sunnyside in Waterville. Da war ich oft bei Mickleson’s Coins, wei?t du noch? Du bist sogar ein paarmal mitgefahren, als Pets am Colby war. Das war, bevor George Mickleson gestorben ist und sein Sohn den ganzen Lagerbestand verschleudert hat, um nach Neuseeland oder sonst wohin ziehen zu konnen. Diese Frau hat mich bedrangt, Darce! Hat standig gefragt, ob ich noch etwas hei?en Kaffee will, wollte meine Meinung zu den Red Sox horen, hat sich uber mich gebeugt, ihre Mopse an meiner Schulter gerieben und ihr Bestes getan, um mich aufzugeilen. Was ihr auch gelungen ist, das muss ich zugeben, immerhin bin ich ein Mann mit Mannerbedurfnissen, und obwohl du mich nie abgewiesen oder Nein gesagt hast … na ja, selten … bin ich ein Mann mit Mannerwunschen und einem schon immer starken Sexualtrieb. Manche Frauen spuren das und spielen gern damit. Das bringt sie zum Orgasmus.«

Er starrte mit dunklen, nachdenklichen Augen in seinen Scho?. Dann schien ihm etwas anderes einzufallen, und er riss den Kopf hoch. Sein schutter werdendes Haar flog auf und legte sich dann wieder.

»Immer mit einem Lacheln! Roter Lippenstift und immer lachelnd! Aber ich kenne dieses Lacheln. Das tun die meisten Manner. ›Haha, ich wei?, dass du’s willst, ich kann es an dir riechen, aber dieses kleine Reiben ist alles, was du kriegst, also find dich damit ab.‹ Ich konnte es! Ich konnte mich damit abfinden! Aber nicht BD, der nicht.«

Er schuttelte langsam den Kopf.

»Solche Frauen gibt es viele. Es ist einfach, ihre Namen zu erfahren. Dann kann man sie im Internet aufspuren. Dort gibt es allerhand Informationen, wenn man sich aufs Suchen versteht, und das tut man in meinem Beruf. Das habe ich … ach, Dutzende von Malen gemacht. Vielleicht schon hundertmal. Man konnte es ein Hobby nennen, glaube ich. Man konnte sagen, dass ich au?er Munzen auch Informationen sammle. Meistens wird nichts daraus. Aber manchmal sagt BD: ›Sie ist diejenige, bei der du weitermachen musst, Bobby. Genau diese hier. Wir machen gemeinsam einen Plan, und wenn es so weit ist, uberlasst du die Sache einfach mir.‹ Und das tue ich dann.«

Er nahm ihre Hand und umschloss ihre kalten, schlaffen Finger mit seinen.

»Du haltst mich fur verruckt. Das sehe ich dir an. Aber das bin ich nicht, Schatz. BD ist verruckt … oder Beadie, wenn dir sein fur die Offentlichkeit bestimmter Name besser gefallt. Wenn du die Zeitungsmeldungen verfolgt hast, wei?t du ubrigens, dass ich in meine Mitteilungen an die Polizei absichtlich viele Rechtschreibfehler einstreue. Ich schreibe sogar die Adressen falsch. Ich habe eine Liste mit Rechtschreibfehlern in meiner Geldborse, damit es immer die gleichen sind. So was nennt man Desinformation. Sie sollen Beadie fur dumm halten - zumindest fur ungebildet -, und genau das tun sie. Weil sie dumm sind. Ich bin nur ein einziges Mal als Zeuge vernommen worden - ungefahr zwei Wochen nachdem BD Stacey Moore umgebracht

Er gluckste lautlos, wie er es manchmal tat, wenn sie sich zusammen Modern Family oder Two and a Half Men ansahen. Bis heute Nacht hatte diese Art zu lachen stets ihre eigene Belustigung gesteigert.

»Soll ich dir was sagen, Darce? Sollte ich auf frischer Tat ertappt werden, wurde ich alles gestehen - wenigstens vermute ich das, ich glaube nicht, dass jemand hundertprozentig wei?, was er in einer solchen Situation tun wurde -, aber ich konnte kein gro?es Gestandnis ablegen. Weil ich keine allzu genauen Erinnerungen an die wirklichen … nun … Taten habe. Beadie verubt sie, und ich verfalle … ich wei? nicht … in eine Art Bewusstlosigkeit. Eine Art Amnesie. Irgendeine verdammte Sache.«

Lugner! Du erinnerst dich an alles. Das steht in deinem Blick, es liegt sogar in der Art, wie du die Mundwinkel hangen lasst.

»Und jetzt … liegt alles in Darcellens Hand.« Er fuhrte sie an die Lippen und kusste den Handrucken, als wolle er seine Aussage unterstreichen. »Du kennst diese alte Redensart: ›Ich konnte’s dir erzahlen, aber dann musste ich dich kaltmachen‹? Die gilt hier nicht. Ich konnte dich niemals umbringen. Was ich gemacht, was ich aufgebaut habe - so bescheiden es manchen Leuten erscheinen mag -, habe ich fur dich gemacht und aufgebaut. Naturlich auch fur die Kinder, aber hauptsachlich fur dich. Du bist in mein Leben getreten, und wei?t du, was daraufhin passiert ist?«

»Du hast aufgehort«, sagte sie.

Er brach in strahlendes Grinsen aus. »Uber zwanzig Jahre lang!«

Sechzehn, dachte sie, sagte aber nichts.

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