Philip nickte und tupfte sich mit einem Seidentaschentuch die Stirn ab. »Der Flug hat mich wahrscheinlich ermudet.
Du hast Recht, Vernon. Naturlich sind sie beim Packen.
Aber welche Unordnung die hinterlassen haben! Wenn Vater das sieht, kriegt er einen Anfall.«
Als die drei Bruder da so zwischen den Buschen standen und sich anschauten, brach Schweigen aus. Toms Unbehagen hatte den Hohepunkt erreicht. Wenn ihr Vater umzog, geschah es unter eigenartigen Umstanden.
Philip nahm die Pfeife aus dem Mund. »Was meint ihr?
Glaubt ihr, er stellt uns wieder mal auf die Probe? Gibt uns ein kleines Ratsel auf?«
»Ich breche ein«, erklarte Tom.
»Und die Alarmanlage?«
»Die kann mich mal.«
Tom umrundete das Haus. Seine Bruder folgten ihm. Er stieg uber eine Mauer in einen kleinen umzaunten Garten mit einem Springbrunnen. Ein Schlafzimmerfenster befand sich in Augenhohe. Tom zog einen Stein aus der Beetum-randung. Er nahm ihn mit zum Fenster, ging in Stellung, hob ihn hoch.
»Willst du wirklich die Scheibe einschlagen?«, fragte Philip. »Wie sportlich.«
Tom holte mit dem Stein aus und warf ihn durch die Scheibe. Als das Klirren des Glases verklungen war, blieben alle abwartend stehen und lauschten.
Stille.
»Kein Alarm«, konstatierte Philip.
Tom schuttelte den Kopf. »Das gefallt mir nicht.«
Philip lugte durch die zerbrochene Scheibe. Tom sah ihm schon am Gesicht an, dass ihm eine Idee kam. Philip fluchte, dann sprang er wie der Blitz durch die eingeschlagene Fensterscheibe - die Pfeife zwischen den Zahnen, ohne an seine teuren Schuhe zu denken.
Vernon schaute Tom an. »Was hat er denn?«
Tom stieg, ohne zu antworten, ebenfalls durch das Fenster. Vernon folgte ihm.
Das Schlafzimmer sah aus wie der Rest des Hauses - bar aller Kunstwerke. Es war ein Chaos: schmutzige Fu?abdrucke auf dem Teppich, Mull, Klebestreifen, Blisterverpackung, Holzwolle, Nagel und abgesagte Bauholzreste.
Tom ging in den Korridor. Dort fand er weitere kahle Wande vor. Er erinnerte sich an Werke von Picasso, Braque und an zwei Maya-Saulen. Alles war weg.
Mit einem zunehmenden Gefuhl der Panik durchquerte er den Korridor und machte dann am Wohnzimmereingang Halt. Philip stand mitten im Raum und schaute sich mit bleicher Miene um. »Ich habe ihm pausenlos prophezeit, dass es einmal passieren wurde. Er war verdammt sorglos, diesen ganzen Krempel einfach hier aufzubewahren. So gottverdammt sorglos.«
»Was?«, rief Vernon erschrocken. »Was ist denn, Philip? Was ist passiert?«
»Man hat uns ausgeraubt«, sagte Philip. Seine Stimme, die kaum mehr als ein Flustern war, klang, als habe er Schmerzen.
2
Detective Lieutenant Hutch Barnaby von der Polizei in Santa Fe legte eine Hand auf seinen knochigen Brustkorb und kippte den Stuhl nach hinten. Er hob eine Tasse frisch aufgebruhten Kaffee an die Lippen. Die zehnte an diesem Tag.
Als er aus dem Fenster auf die einsame Pappel blickte, stieg ihm das bittere Aroma in seine Hakennase.
Barnaby nippte an seinem Kaffee. Ihn erfullte eine gro?e Zufriedenheit. Wenn man ignorierte, dass irgendwo au?erhalb seines Buros leise ein Telefon klingelte, war das Leben doch schon.
Am Rand seines Bewusstseins erklang die fachkundige Stimme Doreens, die den Anruf annahm. Ihre forschen Vo-kale wehten durch die offene Tur herein. »Moment mal.
Entschuldigen Sie, konnten Sie etwas langsamer sprechen?
Ich gebe Ihnen den Sergeant vom Dienst ...«
Barnaby ubertonte das Gesprach mit lautem Kaffee-schlurfen, schob ein Bein in Richtung Burotur und schloss sie mit einem leichten Tritt. Ah, die herrliche Stille kehrte zuruck. Barnaby wartete ab. Dann kam es auch schon: das Klopfen.
Verfluchter Anruf.
Barnaby stellte die Kaffeetasse auf den Schreibtisch und richtete sich ein Stuck aus seiner hingeflazten Haltung auf.
»Ja?«
Sergeant Harry Fenton offnete die Tur. Seine Miene wirkte so dienstgeil wie nur was. Fenton gehorte nicht zu denen, die eine ruhige Kugel schieben wollten. Schon sein Gesicht reichte, um Barnaby zu sagen, dass eine Riesenkacke im Anmarsch war.
»Hutch?«
»Hmmm ?«
»Die Broadbents sind beraubt worden«, sagte Fenton au-
?er Atem. »Ich hatte gerade einen der Sohne am Telefon.«
Hutch Barnaby ruhrte keinen Muskel. »Was wurde geraubt?«
Barnaby nippte an seinem Kaffee. Dann trank er noch ein Schluckchen. Schlie?lich lie? er die vorderen Stuhlbeine mit einem leisen Klacken auf den Boden sinken.
Als sie uber den alten Santa-Fe-Trail fuhren, sprach Fenton uber den Raub. Die Sammlung, hatte er gehort, war eine halbe Milliarde wert. Falls die Wahrheit auch nur in die Nahe der Summe kam, wurde die Sache seiner Meinung nach bald auf der Titelseite der »New York Times« stehen.
Und
Barnaby konnte es sich nicht vorstellen. Aber er sagte nichts. Er war Fentons Enthusiasmus gewohnt. Er hielt am Ende der gewundenen Stra?e an, die zum klotzigen Palast der Broadbents fuhrte. Fenton stieg an der anderen Seite des Wagens aus. Sein Gesicht strahlte erwartungsvoll. Er schob das Kinn vor, sein riesiger Zinken wies ihnen die Richtung. Als sie den Weg hinaufgingen, suchte Hutch das Grundstuck mit Blicken ab und erspahte die verwischten Reifenspuren eines Semitrailers, der hier rein- und rausge-fahren war. Die Banditen waren absolut kaltblutig vorgegangen. Also war Broadbent entweder nicht daheim gewesen, oder man hatte ihn umgebracht. Letzteres war wahrscheinlicher. Vermutlich wurden sie seine starre Leiche irgendwo im Haus drinnen finden.
Der Weg machte einen Knick und verlief gerade weiter.
Ein offenes Tor kam ins Blickfeld. Es bewachte ein weitlaufiges Adobehaus, das zwischen Pappeln auf einer Wiese stand. Barnaby hielt kurz an, um es zu untersuchen. Eine mechanische Konstruktion, von zwei Motoren bewegt.
Nichts wies darauf hin, dass es gewaltsam geoffnet worden war, doch stand der Stromkasten offen, und in seinem Innern war ein Schlussel zu sehen. Barnaby ging in die Hocke und schaute ihn sich an. Der Schlussel steckte im Schloss und war gedreht worden, um das Tor zu offnen.
Er wandte sich zu Fenton um. »Was haltst du davon?«
»Sie sind mit 'nem Semi hier raufgefahren und hatten einen Torschlussel. Die Typen waren vom Fach. Schatze, wir werden Broadbents Leiche im Haus finden.«
»Genau deswegen mag ich dich, Fenton. Du bist mein zweites Gehirn.«
Barnaby horte einen Schrei. Als er aufschaute, sah er drei Manner, die sich ihnen uber den Rasen hinweg