angelsachsischen Namens ein Hispano aus der tief in den Sangre-de-Criso-Bergen liegenden Stadt Truchas. Wenn man nicht wusste, dass er eine Seele von Mensch war, konnte er einem wirklich Angst einjagen.

»Ungefahr ein halbes Jahr.«

»Weswegen hat er Sie herbestellt? Um mit seinem Zeug ein bisschen >Ene mene muh und raus bist du< zu spielen?«

Wenn Fenton die Sau rauslassen wollte, konnte er gemein sein. Aber er hatte Erfolg damit.

»Was fur eine entzuckende Ausdrucksweise«, sagte Philip eisig. »Ich schatze aber, es ware moglich.«

»Hatte er bei einer derartigen Sammlung«, wandte Barnaby sanft ein, »keine Vorbereitungen getroffen, um sie einem Museum zu hinterlassen?«

»Maxwell Broadbent konnte Museen nicht ausstehen.«

»Warum nicht?«

»Weil sie, was die unorthodoxen Sammlerpraktiken unseres Vaters anbetrifft, seine heftigsten Kritiker waren.«

»Und wie sahen seine Praktiken aus?«

»Er hat Kunstwerke dubioser Herkunft gekauft, mit Grabraubern und Plunderern Geschafte gemacht und Antiquitaten eingeschmuggelt. Er hat sogar selbst Graber ausgeraubt.

Ich habe Verstandnis fur seine Antipathie. Museen sind Bastionen der Heuchelei und Habgier. Sie kritisieren jeden, der, um seine Sammlung zu vervollstandigen, die gleichen Methoden anwendet wie sie.«

»Hatte er die Sammlung nicht einer Universitat hinterlassen konnen?«

»Er hat Akademiker gehasst. Er hat sie Pappnasen genannt. Die akademische Welt, speziell die Archaologen, haben ihm vorgeworfen, dass er in Mittelamerika Tempel geplundert hat. Ich verrate hier keine Familiengeheimnisse: Die Geschichte ist allgemein bekannt. Sie brauchen nur irgendeine Ausgabe des Archeology Magazine aufzuschlagen, dann konnen Sie lesen, dass unser Vater laut den Aussagen der Akademiker eine Reinkarnation des Teufels war.«

»Hatte er vor, die Sammlung zu verkaufen?«, drangte Barnaby weiter.

Philip krauselte geringschatzig die Lippen. »Verkaufen?

Er musste sich sein Leben lang mit Auktionshausern und Kunsthandlern abgeben. Er hatte sich lieber zu Tode foltern lassen, bevor er denen den Auftrag erteilt hatte, auch nur einen mittelma?igen Druck zu verhokern.«

»Dann wollte er das ganze Zeug also Ihnen hinterlassen?«

Eine unbehagliche Stille breitete sich aus. »Davon«, sagte Philip schlie?lich, »sind wir ausgegangen.«

»Kirche?«, mischte Fenton sich ein. »Ehefrau? Freundin?«

Philip nahm die Pfeife aus dem Mund und erwiderte in einer perfekten Imitation von Fentons Telegrammstil: »A-theist. Geschieden. Frauenhasser.«

Seine Bruder fingen an zu lachen. Hutch Barnaby stellte fest, dass er angesichts von Fentons Verdruss eine gewisse Schadenfreude empfand. Es kam nur selten vor, dass jemand seinem Kollegen beim Verhor eins uberbriet. Dieser Philip war trotz seines anma?enden Charakters ein zaher Knochen. Doch auf seinem langen intelligenten Gesicht war eine Spur von Trauer zu erkennen - als hatte er einen Verlust erfahren.

Barnaby hielt den Mannern den Lieferschein fur den Ver-sand der Kuchengerate hin. »Haben Sie irgendeine Ahnung, was das hier zu bedeuten hat oder an wen das Zeug gegangen ist?«

Sie untersuchten den Schein, schuttelten den Kopf und gaben ihn Barnaby zuruck. »Er hat uberhaupt nicht gern gekocht«, sagte Tom.

Barnaby schob das Dokument in die Tasche. »Erzahlen Sie mir etwas uber Ihren Vater. Wie er aussieht; was er fur 'ne Personlichkeit ist; was er fur Geschafte gemacht hat und so weiter.«

Tom meldete sich wieder zu Wort. »Er ist ... ein einmaliger Typ.«

»Inwiefern?«

»Korperlich betrachtet ist er ein Riese. Er ist fast eins neunzig gro?. Er ist fit, sieht gut aus, hat breite Schultern und kein Gramm Fett zu viel am Leib. Er hat wei?es Haar, einen wei?en Bart und ist stark wie ein Lowe. Seine Stimme ist auch fast so laut. Die Leute sagen, dass er wie Heming-way aussieht.«

»Und seine Personlichkeit?«

»Er gehort zu denen, denen nie ein Fehler unterlauft; die rucksichtslos alles und jeden platt machen, um zu kriegen, was sie haben wollen. Er lebt nach seinen eigenen Regeln.

Er hat zwar keine hohere Schule besucht, aber er wei? mehr uber Kunst und Archaologie als die meisten Studierten.

Seine Religion hei?t Sammeln. Fur die Religionen der Menschen hat er nur Verachtung ubrig. Dies ist auch ein Grund, weshalb er es als vergnuglich empfindet, Sachen zu kaufen und zu verkaufen, die aus ausgeraubten Grabern stammen.

Deswegen raubt er auch selbst Graber aus.«

»Erzahlen Sie mir mehr uber diese Grabrauberei.«

Diesmal meldete sich Philip zu Wort. »Maxwell Broadbent entstammt einer Familie der Arbeiterklasse. Er ging als junger Mann nach Mittelamerika und verschwand fur zwei Jahre im Dschungel. Er hat eine gro?e Entdeckung gemacht, irgendeinen Maya-Tempel geplundert und den ganzen Krempel nach Hause geschmuggelt. So hat er angefangen. Er hat mit Kunst und Antiquitaten aus fragwurdigen Quellen gehandelt - angefangen bei griechischen und romi-schen Statuen, die aus Europa hergeschafft wurden, uber Khmer-Reliefs, die man aus kambodschanischen Bestat-tungstempeln herausschlug, bis hin zu Renaissance-Gemalden, die im Krieg in Italien verschwanden. Er hat aber nicht mit dem Zeug gehandelt, um Geld zu verdienen, sondern um seine eigene Sammlung zu finanzieren.«

»Interessant.«

»Seine Methode«, sagte Philip, »war eigentlich die einzige Moglichkeit, die ein Mensch heutzutage hat, wenn er wirklich gro?e Kunst erwerben will. Seine Sammlung enthielt vermutlich kein einziges Stuck, das wirklich sauber war.«

»Einmal hat er ein Grab geplundert, auf dem ein Fluch lag«, berichtete Vernon. »Er hat ihn auf Cocktailpartys zitiert. «

»Ein Fluch? Wie lautet er?«

»Ungefahr so: Demjenigen, der die Ruhe dieser Gebeine stort, soll bei lebendigem Leibe die Haut abgezogen werden, bevor man ihn tollwutigen Hyanen zum Fra?e vorwirft. Anschlie?end soll eine Eselsherde mit seiner Mutter kopulieren. Na ja, so was in der Art eben.«

Fenton musste lachen.

Barnaby warf ihm einen warnenden Blick zu. Da er Philip schon einmal zum Reden gebracht hatte, richtete er auch die nachste Frage an ihn. Komisch, wie gern die Menschen ihre Eltern schlecht machten. »Was war sein Antrieb?«

Philip runzelte die Stirn. »Es war ungefahr so: Maxwell Broadbent liebte seine Lippi-Madonna mehr als jede echte Frau. Er liebte sein Bronzino-Portrat der kleinen Bia de Medici mehr als seine eigenen Kinder. Er liebte seine beiden Braques, seinen Monet und seine Maya-Jadeschadel mehr als alle realen Menschen in seinem Leben. Er betete seine Sammlung franzosischer Reliquienschreine aus dem 13.

Jahrhundert, die angeblich die Gebeine von Heiligen enthielten, ofter an als jeden wahren Heiligen. Seine Sammlungen waren seine Geliebten, Kinder und seine Religion.

Schone Dinge waren sein Antrieb.«

»Das stimmt doch alles gar nicht«, sagte Vernon. »Er hat uns geliebt.«

Philip stie? ein geringschatziges Schnauben aus.

»Hat er sich nicht von deiner Mutter scheiden lassen?«

»Du meinst wohl von unseren Muttern! Er hat sich von zwei Frauen scheiden lassen. Die dritte ist gestorben. Er hatte auch zwei Frauen, die keine Kinder von ihm haben -

und jede Menge Freundinnen.«

»Gab's irgendwelche Unterhaltsstreitigkeiten?«, fragte Fenton.

»Naturlich«, erwiderte Philip. »Das ging endlos.«

»Aber er hat Sie und Ihre Bruder allein aufgezogen?«

Philip hielt inne. »Ja, auf die fur ihn typische Art«, sagte er dann.

Die Worte hingen in der Luft. Barnaby fragte sich, was fur ein Vater er gewesen sein mochte. Aber es war

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